Wirtschaft und Markt

W+M-Parteien-Umfrage: Sachsen hat die Wahl. Gerhard Liebscher (Bündnis90/Die Grünen)

Gerhard Liebscher Copyright Elenor Breusing

Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht. Hier die Antworten von

Gerhard Liebscher, (Bündnis90/Die Grünen)
Sprecher der Fraktion für Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Tourismuspolitik

Gerhard Liebscher (geb. 1955 in Heidelberg), Dipl. Ing. Chemie (FH), ist seit Januar 2020 Mitglied des Sächsischen Landtags. Von 2005 bis 2012 arbeitete er als Werkleiter und  Geschäftsführer bei Philips/NARVA in Plauen und von 2012 bis 2016 als Geschäftsführer bei der vosla GmbH in Plauen. Seit 2019 ist er im Ruhestand. Im Landtag ist er Mitglied in den Ausschüssen für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie dem Haushalts- und Finanzausschuss. Er ist zudem Kreisrat im Vogtlandkreis.

Banner Landtagswahl in Sachsen 2024. Foto AdobeStock

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Wie kommt der Umbau der sächsischen Lausitz voran und wie beurteilen Sie den bisherigen Einsatz der Fördermittel?

In der sächsischen Lausitz wurden im Kontext des Strukturwandels bereits viele Projekte angegangen. Dabei sind sowohl Leuchtturmprojekte (Deutsches Zentrum für Astrophysik, CASUS, CircEcon, Bundesbauforschungszentrum) als auch viele kleinere Projekte (Daseinsvorsorge, Tourismus) entstanden bzw. am Entstehen. Allerdings wurden bisher noch zu wenige hochwertige Arbeitsplätze als Ersatz für wegfallende Kohlejobs geschaffen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen deshalb die Rahmenbedingungen für Unternehmensansiedlungen weiter verbessern und dadurch mehr attraktive Arbeitsplätze ermöglichen.

Die Bereitstellung der STARK-Mittel für investive Mittel ist hier besonders wichtig. Gerade die Infrastrukturprojekte, insbesondere Schieneninfrastrukturprojekte, sind zentral für den Strukturwandel. Sie steigern die Attraktivität der Region und fördern den Zuzug. Zudem kann durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sichergestellt werden, dass die sächsische Lausitz auch künftig Energieregion bleibt.

Der Strukturwandel gelingt nur mit den Menschen gemeinsam. Hier kommt den Regionalen Begleitausschüssen eine besondere Rolle zu. Im Sinne der Transparenz sollten alle Beschlüsse öffentlich zugänglich sein. Auch die aktuelle Besetzung der Begleitausschüsse ist zu hinterfragen, da wichtige zivilgesellschaftliche Akteure nur eine beratende Funktion und kein Stimmrecht bei der Qualifizierung von Projekten haben. Hier ist mehr Transparenz und Beteiligung gefragtum die Akzeptanz für Maßnahmen zu steigern und den Strukturwandel gemeinsam voranzubringen.

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Wie stehen Sie zu Subventionen für Großansiedlungen wie TSMC?

Deutschlands Wirtschaft ist stark exportorientiert und damit anfälliger für internationale Krisen und den Subventionswettkampf, wie wir ihn heute durch die USA und China erleben. Eine resiliente Wirtschaft braucht daher einen starken europäischen Binnenmarkt und einen starken regionalen Mittelstand. Der Aufbau von Zukunftstechnologien gehört dazu: Wir können nicht riskieren, ohne Chips dazustehen. Doch es genügt nicht, sich für Ansiedlungserfolge auf die Schulter zu klopfen. Die Politik muss vorhandene Zielkonflikte ansprechen und angehen:

Die sächsische Landespolitik steht in der Verantwortung, bei der Ansiedlung auch die ökologischen Ziele unseres Freistaates, wie die Reduktion der Flächenversiegelung, den Schutz unserer Biodiversität und den Gewässerschutz sicherzustellen.

Die Transformation und der Aufbau neuer Industrie gelingt nur, wenn wir auch die Rahmenbedingungen von Anfang an mitdenken, die den Mittelstand und auch die Menschen im Privaten beschäftigen. Wir brauchen Investitionen in Infrastruktur, Wohnraum-, Bildungs- und Gesundheitsversorgung.

Der Mittelstand muss vor Verdrängung geschützt werden, z.B. durch regionale Fachkräftestrategien und ein faires Gewerbe-Mietrecht. Dies alles gelingt nur mit einer Finanzpolitik, die Realitäten anerkennt und Kommunen entlastet.

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Was sind Ihre Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels?

Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ein. Dazu gehört für uns, die Berufsorientierung spürbar auszubauen und die berufliche Ausbildung finanziell attraktiver zu machen. Dazu wollen wir die Meisterausbildung kostenneutral anbieten – von Anfang an und nicht erst durch Prämierung des Meisterbriefs. Außerdem setzen wir uns für die Errichtung eines sächsischen Azubi-Werkes ein, das Azubis ein Wohnen nah an der Ausbildungsstätte zu bezahlbaren Preisen ermöglicht.

Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen durch Beratung und Vernetzungsangebote dabei unterstützen, ihre Weiterbildungsaktivitäten zu erhöhen und eine altersgerechte Personalentwicklung zu ermöglichen.

Um den Fachkräftemangel zu meistern, braucht Sachsen Zuwanderung. Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns dafür ein, gerade für all jene Menschen, die bereits in Sachsen und Europa leben, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Aktuell sind die Ausländerbehörden hierbei eine Engstelle. Wir wollen sie deshalb in Zusammenarbeit mit den Kommunen zu „Ermöglichungsbehörden“ weiterentwickeln und gerade auch Berufsanerkennungsprozesse beschleunigen.

Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein weiterer entscheidender Baustein bei der Überwindung des Fachkräftemangels. Wir wollen die Rahmenbedingungen in Sachsen so gestalten, dass Eltern die Berufstätigkeit erleichtert wird. Dazu gehört zum Beispiel eine Ausweitung der Betreuungsangebote in Kitas in den Randzeiten. Aber auch ein starker ÖPNV ist ein wichtiger Hebel, um Eltern beispielsweise von Fahrdiensten zu entlasten und neue Freiräume zu schaffen.

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Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft? 

Bürokratieabbau muss systematisch aus der Praxis heraus gedacht werden. Was in Jahrzehnten aufgebaut wurde, wischt sich leider nicht in einem Handstrich weg. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen deshalb die Praxischecks, die im Bund von Vizekanzler Robert Habeck bereits erfolgreich eingesetzt werden, nach Sachsen holen. Außerdem gilt es, die Regularien in Bund und Ländern aufeinander anzupassen, damit alle Unternehmen die gleichen Voraussetzungen haben. Es braucht jetzt eine koordinierte ressortübergreifende Zusammenarbeit statt engstirniges Kleinklein. Außerdem kämpfen wir BÜNDNISGRÜNE auf allen Ebenen für die Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung: Unser Ziel ist ein Ende von Zettelwirtschaft und mehrfacher Datenabfrage.

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Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Konzepte zur Verbesserung der Standortbedingungen?

Die deutsche Wirtschaft richtet sich aktuell wieder auf, gerade in den ostdeutschen Bundesländern ist ein stärkeres Wachstum zu verzeichnen. Nach Überwindung der Energiekrise befinden wir uns derzeit in einem internationalen Wettbewerb um die wichtigsten Player im Bereich neuer Technologien. Um das Potenzial unserer sächsischen Wirtschaft wieder vollends zu entfalten, müssen wir als Politik unseren großen Unternehmen und kleinen Betrieben als verlässliche Partnerin zur Seite stehen und jetzt für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen. Dazu gehört für uns BÜNDNISGRÜNE:

  • Effiziente Digitalisierung von Verwaltung und Infrastruktur
  • mehr Power für die Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften, Entbürokratisierung der Anerkennungsprozesse von internationalen Abschlüssen
  • Investitionen in Infrastruktur, Mobilität und Anbindung des ländlichen Raumes (Energie, Digitalisierung, ÖPNV und Wirtschaftsverkehr)

 

 

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