Wirtschaft und Markt

Utopien für eine Stadt im Wandel – In Dessau-Roßlau ist der „Summer of Pioneers“ gestartet

Ideen für die Stadt von Morgen: Beim Workshop des „Summer of Pioneers“ reisen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gedanklich ins Dessau-Roßlau des Jahres 2035. Foto: IMG

Dessau-Roßlau kann sich in diesem Jahr über einen Sommer freuen, der bis in den Dezember andauert. Denn so lange währt der „Summer of Pioneers“. Das Projekt zieht kreative Menschen in die Stadt, die hier für ein halbes Jahr auf Probe wohnen und arbeiten. Gemeinsam wollen sie Ideen verwirklichen, um Dessau-Roßlau für Zuzügler attraktiver zu machen.

Ob die Leute drinnen im Coworking-Space, die gerade ihren ersten gemeinsamen Workshop erleben, dieselbe Sprache sprechen wie die Dessau-Roßlauer, wird sich in den nächsten sechs Monaten zeigen. Denn so lange wollen manche der 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hierbleiben, andere kommen nur für ein paar Wochen. Sie leben in Berlin, Potsdam, Köln, Münster oder Oldenburg und haben beschlossen, ein Experiment zu wagen: Sie sind Dessauer auf Probe. Als Teilnehmer des Projekts „Summer of Pioneers“, das es schon an sieben Standorten gab, aber nun erstmals in Sachsen-Anhalt zu Hause ist, nennen sie sich selbst Pioniere. Der Begriff ist als „Wegbereiter“ zu verstehen und soll keineswegs an Schulappelle mit roten Halstüchern erinnern. Um die Vergangenheit geht es hier ohnehin nicht. Die Pioniere sind gekommen, um Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Und die braucht Dessau-Roßlau dringend.

Ideen für die Stadt von Morgen: Beim Workshop des „Summer of Pioneers“ reisen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gedanklich ins Dessau-Roßlau des Jahres 2035.

Willkommenskultur schaffen

Etwa 2.000 Wohnungen stehen leer, die Bevölkerungszahl geht stetig zurück, der Altersdurchschnitt steigt. Die Studenten nennen die Stadt scherzhaft „Depressau“. Dabei dürfte es Dessau nicht an Selbstbewusstsein und positiver Energie mangeln. Schließlich steht der Name synonym für das Bauhaus, für die Wiege der Klassischen Moderne, für wegweisende Innovationen in Städtebau und Architektur. Das hat Strahlkraft, was mehr als 225.000 touristische und geschäftliche Übernachtungen im zurückliegenden Jahr zeigen. Wenn 2025 das Jubiläum „100 Jahre Bauhaus in Dessau“ gefeiert wird, dürfte es nochmal einen Anstieg geben.

Der Tourismus also ist nicht das Problem. Vielmehr geht es darum, für die Menschen, die hier leben, Angebote zu machen, eine lebenswerte Stadt zu gestalten und Zuzügler zu gewinnen. „Wir sehen in dem Projekt ,Summer of Pioneers’ die Chance, eine Willkommenskultur zu schaffen und Ideen für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung zu generieren“, sagt Kathrin Hinze, die bei der Stadtverwaltung angestellt ist und sich als Koordinatorin „Engagierte Stadt“ auch um das aktuelle Projekt kümmert.

Finanziert wird es hauptsächlich aus Fördermitteln des Landesministeriums für Digitalisierung und Infrastruktur. Die Stadt beteiligt sich, und die Wohnungsgenossenschaft eG Dessau stellt den Pionieren für die Dauer des Projekts Wohnraum zur Verfügung. „Wir möchten Menschen ansprechen, die mit dem Gedanken spielen, der Großstadt den Rücken zuzukehren“, sagt Kathrin Hinze. „Vielleicht kann sich der ein oder andere vorstellen, hier seinen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Neue Arbeitsformen wie ortsunabhängiges digitales Arbeiten machen dies möglich.“

Genau das ist das Konzept des „Summer of Pioneers“. Ausgedacht hat es sich Frederik Fischer, der Gründer von Neulandia, der – in Berlin lebend – mit seinem Team verschiedene Initiativen angekurbelt hat, bei denen es darum geht, die Sehnsucht der Großstädter nach anderen Lebensformen mit den Möglichkeiten des ländlichen Raums zu verknüpfen. Weil in der Stadt Wohnraum immer knapper und teuerer wird, entwickelt Neulandia auf dem Land zum Beispiel so genannte KoDörfer. Sie bestehen aus kleinen, ökologisch gebauten Holzhäusern und großen Gemeinschaftsflächen und sind als Genossenschaftsprojekte konzipiert.

 

PDF-AnsichtSeite drucken
Die mobile Version verlassen