Netzwerke im Osten: Das Automotive Netzwerk Ostdeutschlands (ACOD)
W+M stellt in seiner Serie „Netzwerke im Osten“ Initiativen vor, die sich mit dem Thema Ostdeutschland beschäftigen und dabei ganz unterschiedliche Motivationen und Perspektiven haben. Heute geht es um den Automotive Cluster Ostdeutschland (ACOD); vorgestellt von Dr. Jens Katzek, dem Geschäftsführer und Gunter Sandmann, dem ehemaligen Leiter Kommunikation VW Sachsen.
Gegründet, um Zulieferern ein stärkeres Gesicht zu geben
20 Jahre ist es schon her. Engagierte Manager (tatsächlich damals nur Herren) mit Weitblick, wie beispielsweise Sigfried Bülow als Werkleiter von Porsche, Peter Clausen, Werkleiter von BMW in Leipzig, oder Ulrich Hocher von Scherdel im Erzgebirgischen Marienberg waren es, die gemeinsam mit Gleichgesinnten aus der Forschung ein Netzwerk von OEMs, Zulieferern und Entwicklungspartnern schufen in der Überzeugung, dass aus starken Verbindungen, die auf Vertrauen beruhen, starke Partnerschaften entstehen.
Das Automotive Netzwerk Ostdeutschlands (ACOD) als aktiver Transformationstreiber
Der ACOD hat sich, als überregionaler Branchenverband der Automobilindustrie in ganz Ostdeutschland, zur Aufgabe gesetzt, die zentralen Akteure miteinander zu vernetzen, denn wir leben und arbeiten heute in einer Welt, in der fast alles vernetzt ist – Lieferketten, Märkte und auch Menschen – sowohl im beruflichen wie im privaten Bereich. Die globale COVID-Pandemie und die Konsequenzen des Kriegs in der Ukraine führten uns eindrücklich vor Augen, wie stark Menschen und Unternehmen voneinander abhängig sind. Die Geschäfts- und Auftragslage oder die Fahrzeugnachfrage ändert sich bei politischen Entscheidungen oder Naturkatastrophen schlagartig. Die globalen Zusammenhänge sind in unserer Industrie allgegenwärtig.
Dieser Entwicklung mit Rückzug zu begegnen, mag ein spontaner menschlicher Impuls sein – in einer digitalen und hochtechnisierten Wirtschaft glauben wir nicht, dass er von Erfolg gekrönt sein wird. Die Herausforderungen der Zukunft betreffen alle Akteure unserer Industrie gleichermaßen: Wie lassen sich hohe Qualität und flexible Produktion vereinen? Wie können Prozesse digital abgebildet und effektiver gestaltet werden? Wie finde ich exzellente Mitarbeitende und qualifiziere diese nachhaltig weiter? Diese Themen sind lediglich Beispiele einer Vielzahl an Herausforderungen eines modernen Unternehmers.
Zu Beginn orientierte sich die Arbeit des ACOD vor allem darauf, durch eine engere Zusammenarbeit die Sichtbarkeit der traditionell starken, aber kleinteiligen ostdeutschen Automobilzulieferindustrie zu unterstützen, die sich nach der Wiedervereinigung im Wettbewerb der großen deutschen Unternehmen neu aufstellen musste. Der ACOD sollte als Schirm dienen für die regionalen Landesinitiativen von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen. Immerhin sind in Ostdeutschland die große Automobilmarken von BMW über Daimler, Porsche, Opel bis Volkswagen mit teilweise sogar mehreren Standorten vertreten.
Heute sind mehr als 100.000 Menschen in der ostdeutschen Automobil-Zulieferindustrie beschäftigt,
die weit über die Ländergrenzen hinaus tätig ist und sich im knallharten internationalen Wettbewerb immer besser behaupten konnte. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit und die enge Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen sichtbare Mehrwerte schaffen. Jetzt geht man einen Schritt weiter in der Arbeit. Der ACOD engagiert sich nun auch gezielt in der politischen Debatte, denn es macht wenig Sinn, wenn sich Unternehmen und Beschäftigte abmühen – und dann durch falsche Rahmenbedingungen alle Erfolge in Frage zu stellen.
Und als von Bundesminister Habeck berufenes Mitglied in seinem „Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft“ (ETA) weiß ich, wie wichtig es ist, dass die Rahmenbedingungen für die meist klein- und mittelständigen Unternehmen in der Zulieferindustrie und Dienstleistungsbrache stärker zu Gehör gebracht werden – denn deren Überleben stellt eine Herkules-Aufgabe mit unbestimmtem Ausgang dar.
Unsere feste Auffassung ist die, dass ein engeres Zusammenrücken, ein voneinander lernen, eine engere gemeinsame Produktentwicklung ein essentieller Baustein ist, um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen, die für das einzelne Unternehmen schon längst zu viel geworden sind. Dazu gehört auch der zunächst erst politisch gewollte und jetzt von der Industrie breit getragene Wechsel vom Verbrenner zur E-Mobilität.
Und von den Herausforderungen gibt es eine Vielzahl! Und damit ist nicht nur die Bürokratie gemeint, die selbst diejenigen ausbremst, die für eine Mobilitätswende arbeiten. Es fängt schon ganz banal damit an, dass Verbraucher zunehmend verunsichert werden – und weniger Elektroautos kaufen. Dies wiederum führt dazu, dass einige OEMs – und auch einige Zulieferer – zunehmend skeptischer in Bezug auf die Geschwindigkeit des Umbaus zur Elektromobilität werden bzw. unterschiedliche Einschätzungen haben.
Gekoppelt mit anderen Rahmenbedingen wie z.B. der Energiekostenexplosion kommen die hiesigen Unternehmen langsam an ihre Grenzen. Dass die Zulieferindustrie zunehmend unter Druck steht, sieht man auch den Insolvenzen, den annoncierten Entlassungen bzw. Nicht-Entfristung von Mitarbeiterverträgen und der Verlagerung von Kernprozessen ins Ausland. Dies hat auch damit zu tun, dass die Inlandproduktion von Pkw generell kontinuierlich abnimmt.
Gleichzeitig wird der EU-Markt für chinesische Anbieter immer interessanter. Der Automobilsektor hat in China und ganz Asien enorm aufgeholt bzw. dominiert teilweise sogar inzwischen den Weltmarkt. All dies zusammen ist eine gefährliche Mischung für einen Industriezweig, der wie kaum ein anderer Deutschland prägt – und den Wohlstand in Deutschland trägt!
Natürlich kann ein einzelner Verband eine solche Entwicklung nicht aufhalten oder auch nur maßgeblich beeinflussen – aber wir können uns als ACOD dafür einsetzen, dass eine gemeinsame Arbeit und Vernetzung die Entwicklung einer neuen Qualität in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder und Partner unterstützt.
In der täglichen Arbeit entwickelt der ACOD z.B. mit Partnern zusammen Qualifizierungsbausteine oder Einsatzpotentiale von KI in Unternehmen. Er organisiert den Erfahrungsaustausch in Fachdialogen, Tagungen, Kongressen bis zu one-to-one Gesprächen und unterstützt damit aktiv die Transformation der einzelnen Unternehmen. Egal ob beim Thema Technologietransfer im Batteriebereich oder der Zusammenarbeit von Start-.ups und etablierten Unternehmen.
In den letzten vier Jahren konnte das Netzwerk deutlich ausgebaut werden – auch durch Fördemaßnahmen des Bundeswirtschafts- des Bundesarbeits- und des Bundesforschungsministerium.
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass es keinen Sinn macht, das Rad immer neu zu erfinden. Viele andere Technikbereiche haben einen großen Impact auf die Entwicklung im Automobilbereich. Deshalb wurden Partnerschaften zwischen dem ACOD und anderen Netzwerkorganisationen aus diesen Technikfeldern geschlossen, um Synergien besser heben zu können. Hierzu zählen unter anderem die Bereiche Logistik, IT, Wasserstoff und Optik.
Wir richten den Blick in die Zukunft. Deutschland muss und wird auch zukünftig Auto-Land bleiben. Das sind wir den Menschen in unserem Land und in unserer Branche schuldig.