W+M-Ratgeber: Die Immobilie in der Insolvenz – Die Strategie der Sanierung aus der Insolvenz –

Immobilien waren lange kein Thema für Sach- und Insolvenzverwalter. Solange die Inflation niedrig war, sind die Zinsen immer nur gesunken und waren schließlich teilweise sogar negativ. In der Folge sind die Preise von Immobilien stets gestiegen. Bei Schieflagen konnten grundpfandrechtlich gesicherte Gläubiger – meist Banken – ihre Sicherheit häufig so verwerten, dass sie keinen Ausfall hatten und für den Eigentümer auch noch ein Überschuss verblieb. Insofern gab es jahrelang kaum Probleme mit Immobilien in der Insolvenz. Die Zwangsverwaltung war faktisch abgeschafft und nur noch für Rechtshistoriker interessant. Banken hatten Abteilungen, die sich mit notleidenden Immobilienkrediten befassten, geschlossen. In 2022 begann die Inflation – auch als Ergebnis des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – stark zu steigen. Die Notenbanken haben darauf – etwas verspätet – mit deutlichen Zinserhöhungen reagiert. Der Höhenflug der Immobilienpreise war damit zunächst einmal beendet. Die Überbewertung einiger Immobilien baute sich ab. Schlecht finanzierte oder strukturierte Immobiliengesellschaften und/oder -eigentümer bekamen Probleme. Banken fingen an, geschlossene Abwicklungsabteilungen für Immobilienkredite zu revitalisieren und einiges mehr.

Mit der Inflation haben sich die Kosten für Personal und Material deutlich erhöht, teilweise sind Material und Personal auch nicht mehr oder nur mit deutlicher Verzögerung zu bekommen. Der Staat treibt die Baukosten durch höhere Grunderwerbsteuer und immer neue – kostentreibende – Vorschriften, zuletzt insbesondere durch das Heizungsgesetz. In der Folge wird immer weniger gebaut. Bauunternehmen arbeiten vorhandene Aufträge zwar noch ab, haben aber kaum noch Neugeschäft. Immobilienentwicklern laufen die Kosten davon. Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen (Koalitionsvertrag), wurde 2022 mit weiter fallender Tendenz deutlich verfehlt. Erhöhte Baukosten für die Bauwirtschaft und erheblich höhere Finanzierungskosten für Käufer von Immobilien drosseln die Nachfrage. Immobilienpreise sinken daher, auch, wenn gleichzeitig die Nachfrage nach Wohnraum auch wegen des Zuzugs aus dem Ausland (im Jahr 2022 + 270 % gegenüber Vorjahr) anzieht. Insofern ist die Immobilie in der Insolvenz wieder ein Thema.

Wer als Gläubiger oder Gläubigervertreter einen Zwangsverwalter oder (vorläufigen) Sach- oder Insolvenzverwalter bei Gericht vorschlagen möchte, wird auf die Kenntnisse und Erfahrungen des Vorgeschlagenen mit Immobilien in der Insolvenz großen Wert legen, denn ein gekonntes Asset-Management von Immobilien in der Insolvenz kann enorme Werte heben und auch realisieren. Dazu kommt es auf Folgendes an:

1. Die Strategie

Eine wirtschaftlich marode Immobilie wieder profitabel zu machen, erfordert in der Regel Zeit, Geld und Geduld. Richtig gemacht, zahlt sich eine gute Verwaltung einer wirtschaftlich daniederliegenden Immobilie durch einen erfahrenen und guten (vorläufigen) Sach- oder Insolvenzverwalter bzw. Zwangsverwalter für die Gläubiger aus, denn als Kaufpreis wird grundsätzlich ein Vielfaches der nachhaltig erzielbaren Miete bezahlt. Es geht also vor dem Verkauf der Immobilie darum, durch Asset-Management in der Insolvenz einen möglichst hohen, nachhaltigen Ertrag der Immobilie erzielbar zu machen.

2. Die Umsetzung der Strategie

Wer eine Immobilie oder einen Immobilienbestand in der Insolvenz übernimmt, trifft einige Sofortmaßnahmen, einigt sich mit den grundpfandrechtlich gesicherten Gläubigern, verbessert den Wert der Immobilie durch gekonntes Asset-Management und realisiert den Gewinn für die Gläubiger durch den Verkauf der Immobilie oder durch einen Insolvenzplan.

Sofortmaßnahmen:

Unverzüglich werden veranlasst: Ablesen aller Zählerstände, Prüfung des Versicherungsschutzes und eventueller Technik (Aufzüge, Feuermelder und sonstige Technik) auf Sicherheitsmängel, Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht, Prüfung von Genehmigungen, Zulassungen, Emissionsschutz und Ähnliches und Beginn der Verwaltung. Das ist der Einzug von Mieten und Pachten, die Bezahlung laufender Verbindlichkeiten und einiges mehr. Nicht selten ist die notleidende Immobilie über längere Zeit gar nicht oder schlecht bewirtschaftet worden, Mieter zahlen kaum noch Miete, mindern, haben Vorauszahlungen an den Eigentümer geleistet, der inzwischen im Ausland in der Sonne liegt, oder bezahlen an Abtretungsgläubiger, es gibt keinen oder unzureichenden Versicherungsschutz, Genehmigungen, TÜV etc. sind abgelaufen, Lieferanten drohen mit der Einstellung der Lieferung und verlangen die Bezahlung der Altverbindlichkeiten und Vorschüsse für die Zukunft, es hagelt Mahnungen, Klagen und Vollstreckungen von Gläubigern, auch in die Mietforderung und einiges mehr. Die Verwaltung stellt erst einmal Ruhe und Vertrauen wieder her und sichert die Mieten für die Masse. Daneben sind ein Liquiditätsplan und für die Mitarbeiter der Eigentümerin die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, eine Betriebsversammlung und einiges mehr notwendig.

Verträge mit den Gläubigern

Der (vorläufige) Sach- oder Insolvenzverwalter wird wirtschaftlich für die grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger – meist eine Bank oder ein Bankenkonsortium – tätig. Insofern vereinbart er mit diesen Gläubigern zunächst eine kalte Zwangsverwaltung. Das bedeutet, dass er den Gläubigern nach innen berichtet und Rechnung legt und ein bestimmter Teil der Erträge (nicht der Einnahmen) der Immobilie ab Abschluss der Vereinbarung (nicht rückwirkend) der Bank und der Rest der Masse zusteht. Die Bank beantragt im Gegenzug keine Zwangsverwaltung. Gleichzeitig erteilt die Bank die grundsätzliche Befugnis, die Immobilie zu verkaufen. Von dem Kaufpreis steht dann ein Anteil der Bank und ein Teil der Masse zu. Wie hoch der Anteil der Masse ist, hängt von dem jeweiligen Aufwand, dem Volumen und dem Verhandlungsgeschick der Parteien ab. Arbeitet der (vorläufige) Sach- oder Insolvenzverwalter transparent, kommuniziert gut mit den Banken und erzielt gute Ergebnisse, sind die Banken bei der Aushandlung der Konditionen großzügig, weil sie vom gekonnten Asset-Management eines erfahrenen (vorläufigen) Sach- oder Insolvenzverwalters enorm profitieren können.

Verbesserung der Mieterstruktur

Eine gut strukturierte, profitable Immobilie ist – möglichst langfristig – an bonitätsstarke Mieter vermietet. Insofern werden schlechte Mieter gekündigt, notfalls mit Räumungsklage, die Konditionen mit guten Mietern – sofern möglich und sinnvoll – angepasst (Erhöhung der Miete und Verlängerung der Laufzeit der Mietverträge). Auch der Mietermix ist wichtig. Klug umstrukturiert, erwirtschaftet die einst notleidende Immobilie nach einem kraftvollen Asset-Management nachhaltig gute Erträge und ist dann reif für den Verkauf. Gutes Asset-Management kann den Kaufpreis ganz erheblich steigern.

Baumaßnahmen

Bauliche Mängel werden festgestellt und beseitigt. Die Immobilie kann grundsätzlich in der Insolvenz auch um- oder ausgebaut und an die Bedürfnisse der Mieter angepasst werden. Dazu muss die Finanzierung geklärt werden, eventuell durch einen Massekredit. Gelegentlich steht auch ein interessanter Investor vor der Tür, der nur kauft, wenn bestimmte Baumaßnahmen im Insolvenzverfahren vorgenommen oder fertiggestellt werden.

Kostenmanagement

Marode Immobilien erzielen häufig nicht nur schlechte Einnahmen. Sie haben auch überhöhte Kosten. Das Asset-Management nutzt daher Erleichterungen des Insolvenzrechts bei Kündigung und Vertragseintritt aus und verbessert die Kosten bei Gas, Wasser, Strom, Versicherung und Dienstleistern oder Lieferanten und erhöht gleichzeitig deren Qualität.

Einsatz von Hilfskräften

Der Zwangsverwalter, Sach- oder Insolvenzverwalter ist kein Allround-Genie. Er darf und muss spezialisierte Hilfskräfte einsetzen, die er dann zu überwachen hat. Technische Überprüfungen erledigen Experten. Um- oder Ausbauten überwachen Architekten oder Bausachverständige. Bonitätsstarke Mietinteressenten besorgen Makler, die teilweise auf bestimmte Branchen spezialisiert sind. Für anspruchsvolle Verträge gibt es spezialisierte Rechtsanwälte und steuerliche Fragen kann ein spezialisierter Steuerberater beantworten. Wer meint, alles selbst machen zu können, dürfte seine Kompetenz häufig deutlich überschätzen und braucht eine gute Haftpflichtversicherung. Im Übrigen ist das Ergebnis für die Gläubiger besser, wenn Experten statt vermeintlicher Allround-Genies tätig werden.

Kommunikation mit den Gläubigern

Wichtig ist die gekonnte Kommunikation mit den Gläubigern. Ist die Strategie mit den Gläubigern festgelegt, müssen sie regelmäßig – auch über auftretende Probleme – unterrichtet und konkrete Lösungsmöglichkeiten unterbreitet und abgestimmt werden. Schließlich müssen die Gläubiger auch mit dem Preis, für den die Immobilie verkauft werden soll, einverstanden sein.

Umsetzung der Sanierungslösung

Die durch Asset-Management vorbereitete Sanierung der Immobilie muss dann umgesetzt werden. Das kann durch einen Verkauf aus der Insolvenz (übertragende Sanierung) erfolgen. Dann verliert der Eigentümer die Immobilie und wird abgewickelt. Die grundpfandrechtlich gesicherten Gläubiger bekommen einen möglichst optimalen Preis für ihre Sicherheiten und haben einen möglichst geringen Verlust. Die Umsetzung kann auch durch einen Insolvenzplan erfolgen, mit dem die Passivseite der Bilanz an die Aktivseite angepasst, die Werthaltigkeit der Sicherheit der Banken in Form der Immobilie deutlich verbessert und die Profitabilität wiedergewonnen wird. Mit der Umsetzung eines Insolvenzplanes behält der Eigentümer die Immobilie im Grundsatz.

Zusammenfassung:

Die Sanierung insolventer Immobilien in der Insolvenz ist viel Wirtschaft, Branchenkenntnis, Kommunikation und etwas Recht. Das Gesetz stattet Zwangsverwalter, (vorläufige) Sach- oder Insolvenzverwalter mit unterschiedlichen Befugnissen aus. Die Interessen vieler Beteiligter müssen berücksichtigt, Dritte beauftragt und kontrolliert werden und einiges mehr. Immer wichtiger wird das Immobilieninsolvenzsteuerrecht. Gekonntes Asset-Management der Immobilie in der Insolvenz hebt Potentiale und realisiert erhebliche Werte für die Gläubiger.

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.