Märkte: USA bleiben 2023 wichtigster Zielmarkt für deutsche Firmen
Germany Trade and Invest (GTAI) erarbeitet regelmäßig Wirtschaftsausblicke für wichtige Märkte, die wir für die Leser von W+M veröffentlichen. Hier der Beitrag zu den USA von Ullrich Umann aus Washington, D.C.
Das Wirtschaftswachstum verliert 2023 an Kraft. Dennoch erzeugen staatliche Förderprogramme eine hohe Nachfrage speziell nach deutschen Investitionsgütern.
- Wirtschaftsentwicklung: Inflation gefährdet Wachstum
- Investitionen: Staat geht in den finanziellen Vorlauf
- Konsum: Stabiles bis abflachendes Wachstum
- Außenhandel: Deutsche Investitionsgüter treffen den Zeitgeist
Wirtschaftsentwicklung: Inflation gefährdet Wachstum
Deutsche Exporteure müssen 2023 unterschiedliche Entwicklungen auf dem US-Markt berücksichtigen. Auf der Negativseite stehen abflachende Wachstumsraten, stagnierende private Investitionen, ein instabiler Konsum, eine hohe Inflation, die Regionalbankenkrise, der Fachkräftemangel sowie eine steigende Staatsverschuldung. Absatzfördernd können sich die steigenden Einkommen der Privathaushalte, die geringe Arbeitslosigkeit, die großzügig geförderten Direktinvestitionen sowie die zahlreichen Infrastrukturprojekte auswirken.
Eines der größten Konjunkturrisiken stellt die Inflationsrate von 4 Prozent (Stand Mai) dar. Die Zentralbank Fed müsste den Leitzinskorridor von aktuell 5,00 bis 5,25 Prozent (Stand Juni) eigentlich weiter heraufsetzen, um das Inflationsziel von 2 Prozent mittelfristig zu erreichen. Doch gebieten die abflachenden Wachstumsraten in der Gesamtwirtschaft sowie die kürzliche Regionalbankenkrise im Juni zunächst ein Stillhalten. Selbstkritisch räumte die Notenbank ein, dass der Grad zwischen Inflationsbekämpfung und Auslösung einer Rezession für sie nur äußerst schmal ausfällt.
Wirtschaftliche Eckdaten in den USA
Indikator |
2021 |
2022 |
Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) |
22.996 |
25.463 |
4.075 |
BIP pro Kopf (US$) |
70.160 |
76.622 |
48.630 |
Bevölkerung (Mio.) |
332 |
332 |
84,3 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = US$) |
1,183 |
1,053 |
– |
Investitionen: Staat geht in den finanziellen Vorlauf
Das Gros der Investitionen im verarbeitenden Gewerbe sowie in der Infrastruktur konzentriert sich auf staatlich geförderte Sektoren. Dazu gehören die Herstellung und die Anwendung von Technologien, mit denen grüner Strom erzeugt, gespeichert und verteilt wird. Weiterhin zählt die Herstellung von Halbleitern dazu. Zu den subventionierten Bereiche werden ebenfalls die Serienfertigung von Elektrofahrzeugen, nebst Zulieferindustrien gerechnet.
Als jüngster Fördersektor kamen im März 2023 die Biotechnologien hinzu. Dahinter steht die Bestrebung, nicht allein die Nutzung fossiler Energieträger per Klimaschutzprogramme zu senken, sondern zusätzlich auch die breite Herstellung leicht abbaubarer Biomaterialien sowie die Nutzung neuartiger pharmazeutischer und medizinischer Lösungen zu fördern.
Zwar kritisiert die EU die US-Fördergesetze, beinhalten sie doch nationale Wertschöpfungsklauseln, was europäische Anbieter in eine schlechtere Wettbewerbssituation bringt. Speziell der Inflation Reduction Act verzerrt den internationalen Standortwettbewerb um Investoren. Doch zeigt Brüssel Pragmatismus: Die EU hält inzwischen mit eigenen sektoralen Investitionsförderprogrammen dagegen.
Für exportorientierte Nationen, darunter Deutschland, ergeben sich aus den zahlreichen Investitions- und Modernisierungsvorhaben in den USA aber auch Synergieeffekte: So ist die US-Nachfrage nach maßgeschneiderten und hochwertigen Investitionsgütern stark gestiegen. Da sich der amerikanische Maschinenbau auf Serienprodukte „von der Stange“ spezialisiert hat, erweist er sich für anspruchsvolle neue Produktionslinien, etwa zur Serienfertigung von Elektrofahrzeugen oder von Halbleitern, nur bedingt lieferfähig. Deutschland kann sich als hochtechnologisches Maschinenbauland wiederum sehr gut positionieren.
Deutsche Unternehmen siedeln sich zudem verstärkt mit eigenen Vertriebs- und Montageniederlassungen an. Damit können sie flexibler und kostengünstiger auf die anspruchsvollen Kundenwünsche reagieren. Da diese Zweigstellen zudem als einheimische Anbieter in Erscheinung treten, eignen sie sich besser für Projektbeteiligungen mit nationalen Wertschöpfungsklauseln – ein sicherlich willkommener Mitnahmeeffekt.
Ausgewählte Großprojekte
Projektbezeichnung |
Investition (Mio. US$) |
Projektstand |
Projektträger |
---|---|---|---|
Fabrik für Nahrungsmittelzusätze (Marshall County, West Virginia) |
150 |
Planung, Sicherstellung der Finanzierung | TLC Specialities (im Firmenverbund von Covesto) |
Fabrik für batteriebetriebene Gartengeräte (Morristown, Tennessee) |
25 |
Planung (2023), Bau und Inbetriebnahme (2024) | Greenworks Commercial |
R&D-Laboratorium für Pharmaprodukte (Research Triangle Park, North Carolina) |
450 |
Planung und Bau, Fertigstellung (2027) | Lilly |
Bau einer Fabrik für Tee (Spartanburg, South Carolina) |
130 |
Bau (2023), Fertigstellung (2024) | Milo’s Tea Company |
Ausbau einer Getränkefabrik (Eau Claire, Wisconsin) |
43 |
Planung und Bau (2023) | Nestle Health Science |
Bau einer Fabrik für Solarmodule (Phoenix, Arizona) |
60 |
Planung und Bau (2023) | JA Solar |
Bau einer Fabrik für Kfz-Teile (Bulloch Country, Georgia) |
205 |
Planung und Bau (2023) | Ecoplastic Corporation |
Außerhalb der öffentlich geförderten Sektoren kühlt sich die Investitionsneigung ab. Gründe dafür sind die schlechte Weltwirtschaftslage, was Exportmöglichkeiten beschneidet, grenzüberschreitende Lieferkettenrisiken sowie der chronische Facharbeitermangel. Hinzu kommen die infolge der Leitzinserhöhungen teureren Finanzierungskosten.
Konsum: Stabiles bis abflachendes Wachstum
Die Verbraucherausgaben nehmen 2023 im Vorjahresvergleich weniger stark zu. So helfen steigende Gehälter bei geringer Arbeitslosigkeit und hohe Spareinlagen, den Konsum zumindest in Teilen aufrecht zu halten. Der Kauf langlebiger Haushaltsgeräte und Wohnungseinrichtungen oder gar ein Immobilienerwerb werden mehrheitlich zurückgestellt.
So befand sich die Zahl der Baustarts für Einfamilienhäuser im April 2023 mit 1,4 Millionen auf einem für die USA ungewöhnlich niedrigem Niveau. Steigerungen der Verbraucherausgaben werden explizit im Dienstleistungssektor beobachtet, etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe oder bei den Flugbuchungen. Hier hat nach Abflauen der Covid-Pandemie ein nachholender Konsum eingesetzt.
Außenhandel: Deutsche Investitionsgüter treffen den Zeitgeist
Die USA sind traditionell der größte Zielmarkt für die deutsche Exportwirtschaft, so auch 2022/23. Nach Angaben der U.S. International Trade Commission lieferte die deutsche Industrie 2022 Waren im Wert von 147,3 Milliarden US-Dollar (US$). Dies stellte eine Steigerung um 9,3 Prozent auf Vorjahresbasis dar.
Der Aufschwung setzte sich 2023 fort: Von Januar bis April 2023 stiegen die deutschen Exporte um 12,2 zum Vorjahreszeitraum. Die größten Importkategorien aus Deutschland waren Fahrzeuge und -teile, Maschinen und Anlagen, pharmazeutische Produkte, optische Fasern, Erzeugnisse der Elektrotechnik sowie Chemiewaren.
Die deutschen Importe aus den USA sind 2022 um 12,6 Prozent auf 62,5 Milliarden US$ gestiegen. In den ersten vier Monaten 2023 hielt dieser Aufwärtstrend mit einem entsprechenden Plus von 13,8 Prozent zum Vorjahr an. Die USA exportierten vor allem Fahrzeuge und -teile, Flugzeugen und -teile, optische Geräten, pharmazeutische Produkten, Maschinen und Anlagen sowie Energieträger.
Außenhandel der USA mit der Welt (ohne Dienstleistungen, in Milliarden US-Dollar; Veränderung nominal in Prozent)
2020 |
2021 |
2022 |
Veränderung 2022/21 |
|
---|---|---|---|---|
Importe |
2.331 |
2.823 |
3.230 |
14,42 |
Exporte |
1.204 |
1.478 |
1.744 |
17,98 |
Handelsbilanzsaldo |
-1.127 |
-1.345 |
-1.486 |
10,48 |