Gesamtwirtschaftslage stabilisiert sich. Schlimmste Befürchtungen bleiben aus. Doch der Stachel der gestiegenen Energiekosten sitzt tief. Politik muss gegensteuern!
Eine tiefgreifende Rezession ist bisher ausgeblieben. Die gesamtwirtschaftliche Lage hat sich in Westmecklenburg trotz der Gemengelage diverser Auswirkungen des Angriffskrieges Russland auf die Ukraine stabil gehalten. Im Vergleich zum Jahresanfang 2023 hat sich die Geschäftslage der Unternehmen etwas weiter aufgehellt. 41 Prozent bezeichnen ihre derzeitige Situation als gut und weitere 48 Prozent als befriedigend. Von den teilnehmenden Unternehmen sprechen derzeit 11 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Noch im Januar dieses Jahres lag dieser Wert bei 21 Prozent.
Aufgehellte Erwartungen heben Konjunkturklimaindex
Der IHK-Konjunkturklimaindex für Westmecklenburg, der die gesamtwirtschaftliche Lage und Erwartungen im Zeitverlauf abbildet, steigt um 12 Punkte auf 104,5 Indexpunkte. Damit signalisiert der Index eine mehrheitlich positive Tendenz. Doch dieser Anstieg ist vor allem technischer Natur, da besonders im Herbst 2022 die Erwartungen der Unternehmen ein Stimmungstief erreichten.
„Die schlimmsten Befürchtungen haben sich zwar nicht eingestellt. Besonders weil es nicht zu einem Versorgungsengpass bei der Energie gekommen ist. Doch die Unsicherheit bleibt“, bestätigt Siegbert Eisenach, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin. „Die Erwartungen der Unternehmen bleiben sehr verhalten. Das ist natürlich konjunkturelles Gift. Denn Zuversicht und Planbarkeit sind entscheidend, um heute Investitionen, die sich morgen auszahlen müssen, zu tätigen.“
Investitionsschub bleibt aus
Die Finanzlage der Unternehmen bleibt angespannt. Zwar sinkt der Anteil von zunehmenden Forderungsausfällen von 20 Prozent im Januar auf nun 13 Prozent. Doch zum Beispiel der Anteil des Rückgangs von Eigenkapital bleibt mit 31 Prozent auf einem hohen Niveau. Das hat Auswirkungen auf die Investitionsplanungen. So bleibt ein gesamtwirtschaftlicher Investitionsschub aus.
Risikolast weiterhin sehr hoch
Besonders im Vergleich zum Herbst 2022 entspannen sich die erwarteten Risiken der Unternehmen etwas. Doch insgesamt bleibt die Risikolast aus Sicht der IHK viel zu hoch. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen beklagt die Energiekosten als Risiko ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Im Vergleich zur Umfrage im Januar dieses Jahres steigt dieser Anteil sogar wieder an.
„Mag sein, dass sich die Energiepreise auf den internationalen Märkten entspannt haben. Doch davon kommt bei unseren Unternehmen nichts an“, konstatiert Matthias Belke, Präsident der IHK zu Schwerin. „Die Energiekosten sind schlicht nicht wettbewerbsfähig. Geht es so weiter, droht eine Erosion unserer wirtschaftlichen Basis“, wird Belke deutlich.
Auf einem vergleichsweise ähnlichen Niveau der Nennungen folgen die Sorgen um eine schwache Inlandsnachfrage, den Mangel an Arbeitskräften, hohe Rohstoffpreise, steigende Arbeitskosten, eine fehlende Planungssicherheit und allgemein um die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Im Letzteren spiegeln sich häufig aktuelle Diskussionen wider, zum Beispiel geldpolitische Entscheidungen zur Inflationseindämmung.
Politik muss endlich ins Handeln kommen
Die gestiegenen Energiekosten sind eine existenzielle Bedrohung für den Wirtschaftsstandort. Wir verlieren massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik muss endlich ins Handeln kommen!“, so Belke. „Die Kostenlast muss auf ein international vergleichbares Niveau sinken. Es braucht praktikable Lösungen für die digitale und klimaorientierte Transformation. Die Potenziale einer qualifizierten Einwanderung sind lange nicht ausgeschöpft und nicht zuletzt müssen schnellere Genehmigungsverfahren nicht die Ausnahme sein, sondern der Bürokratieabbau Als Ganzes, muss angegangen werden!“, so Belke abschließend.
IHK-Konjunkturbericht für Westmecklenburg Frühsommer 2023