Wirtschaft und Markt

GTAI-Wirtschaftsausblick: Serbiens Wirtschaft bleibt auf Wachstumskurs

Serbien. Foto: AdobeStock

Germany Trade and Invest (GTAI) erarbeitet regelmäßig Wirtschaftsausblicke für wichtige Märkte. In Kooperation mit GTAI veröffentlicht W+M auf der Grundlage dieser Wirtschaftsausblicke Auszüge daraus. Hier der Beitrag zu Serbien von Martin Gaber aus Belgrad.

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum trotz Krisen

Serbiens Wirtschaft zeigt sich weiterhin krisenfest und bleibt auf Wachstumskurs. So wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2023 real um rund 2 Prozent zulegen. Mit dieser Prognose sind sich sowohl der Internationale Währungsfonds und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) als auch Serbiens Nationalbank einig.

Die mittelfristigen Perspektiven sind etwas positiver. So zeichnet sich ab, dass Serbiens Wirtschaft gerade Schwung aufnimmt, um ab 2024 kräftiger zu wachsen. Die reale BIP-Zunahme dürfte dann in Richtung von 4 Prozent klettern. Maßgeblich für diese Entwicklung bleiben der private Verbrauch sowie Investitionen. Außerdem wird Serbien zunehmend zu einem attraktiven Beschaffungsmarkt. Es bleiben aber auch einige Risiken: Geopolitische Krisen und regionale Konflikte, steigende Preise sowie die abflauende Konjunktur in wichtigen Zielmärkten serbischer Exporteure sorgen für Unsicherheit.

Präsident Aleksandar Vučić sieht mehr Potenzial

Für Serbiens Präsident Aleksandar Vučić ist das Wachstumspotenzial noch nicht ausgeschöpft. Das Großprojekt zum Abbau von Lithium im Jadar-Tal wurde nach Umweltprotesten zunächst auf Eis gelegt. Diese Entscheidung bezeichnet Serbiens Präsident als Fehler. Seiner Ansicht nach könnte das BIP-Wachstum durch das Vorhaben um 3 bis 4 Prozentpunkte pro Jahr höher ausfallen. Wie und wann es mit dem Projekt weitergeht, ist offen. Das Vorkommen in Westserbien könnte nach Medienberichten bis zu 90 Prozent des europäischen Lithiumbedarfs decken.

Kosovo und Russland bleiben auf der Agenda

Politisch geht das Auf und Ab in den Verhandlungen mit Kosovo weiter. Während die EU einen Erfolg bei ihren Vermittlungen zwischen Belgrad und Pristina sieht, bestreitet Präsident Aleksandar Vučić eine Einigung. In dem Konflikt ist weiterhin mit Spannungen zu rechnen.

Zudem hat Serbien keine Sanktionen gegen Russland eingeführt. Belgrad und Moskau pflegen traditionell enge Beziehungen. Allerdings hat sich das Stimmungsbild etwas verändert. Sowohl Medien als auch Regierung haben sich von ihrer deutlich pro-russischen Position entfernt. Zudem erlebt Serbien einen massiven Zuzug russischer Staatsbürger. Die Zahl könnte bei über 100.000 liegen, darauf lassen sowohl Medienberichte als auch Zahlen der Statistikbehörde schließen. Ob sich das positiv auf die Wirtschaft Serbiens auswirkt, ist aber noch unklar.

 

2022 1) 2023 2) 2024 2)
BIP 2,3 2,0 3,5
Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP) -6,9 -5,8 -4,5
Bruttoanlageinvestitionen 0,0 2,6 6,0
Privater Verbrauch 3,7 1,4 3,2

Quelle: Serbische Statistikbehörde 2023; Erste Bank Group Research 2023; Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung 2023

Anmerkung: 1) vorläufig; 2) Prognose

Wirtschaftliche Eckdaten Serbiens *

Indikator 2021 2022 Vergleichsdaten Deutschland 2022
BIP (nominal, Mrd. Euro) 53,3 60,4 3.867
BIP pro Kopf (Euro) 7.803 8.881 46.149
Bevölkerung (Mio.) 6,9 6,8 84,3
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = … serbische Dinar) 117,57 117,46

* vorläufige Daten für 2022; Umrechnungen basierend auf Jahresdurchschnittskurs

Quelle: Serbische Statistikbehörde 2023; Serbische Nationalbank 2023; Statistisches Bundesamt 2023; Berechnungen von Germany Trade & Invest

Investitionen: Neue Projekte laufen an

Der Standort Serbien bleibt bei ausländischen Investoren beliebt. Im Jahr 2022 haben die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen erneut ein Rekordniveau erreicht. So haben ausländische Unternehmen rund 4,4 Milliarden Euro im Balkanstaat investiert, berichtet die serbische Zentralbank. Die Befürchtung, dass sich Investoren aufgrund der Nähe Serbiens zu Russland zurückziehen könnten, hat sich nicht bestätigt. Erst zu Jahresbeginn 2023 hat der deutsche Autozulieferer Continental seine „Mega Factory“ in der Nähe von Novi Sad eröffnet. Dort werden Borddisplays produziert. Weitere Eröffnungen deutscher Firmen stehen noch in diesem Jahr an. Dazu zählen die Vorhaben von Bizerba und Hansgrohe.

Auch bei den Bruttoanlageinvestitionen ist mit neuen Impulsen zu rechnen. Die Prognosen bleiben mit einem Plus von rund 2 Prozent aber moderat. Im Jahr 2022 haben sich Unternehmen infolge von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine noch stark zurückgehalten.

Ausgewählte Großprojekte in Serbien (Investitionssumme in Millionen Euro)

Projektbezeichnung Summe Projektstand Projektträger
Eisenbahnkorridor X: Bau der Schnellbahn Belgrad-Niš 2.500 Länge: 230 km; Finanzierung: EBRD 550 Mio. Euro, außerdem EIB, WBIF Ministerium für Bau, Verkehr und InfrastrukturSerbische Eisenbahninfrastruktur
Rhein-Donau-Korridor: Bau eines neuen Belgrader Hafens 131 Finanzierung: EIB-Darlehen, Eigenbeitrag; Projektdokumentation abgeschlossen Ministerium für Bau, Verkehr und Infrastruktur
Bau einer Ölpipeline zwischen Ungarn und Serbien (Novi Sad) 100 Länge: 128 km; noch in Verhandlung Ministerium für Bergbau und EnergieTransnafta AD
Bau einer 400 kV-Verbindung am Transbalkan Stromkorridor: Obrenovac-Bajina Bašta 90 Finanzierung: KfW; Ausschreibungen in Vorbereitung Elektromreža SrbijeKfW-Entwicklungsbank
Bau einer 400 kV-Verbindung am North Continental South East Stromkorridor durch Serbien 86,5 Finanzierung: KfW; in Vorbereitung Elektromreža SrbijeKfW-Entwicklungsbank
Modernisierung des Wasserkraftwerks Vlasina 78 Finanzierung: EBRD-Darlehen; in Vorbereitung Elektroprivreda Srbije
Einführung eines Smart Meter Systems (Stromzähler Fernablesung, Phase 1A) 40,5 Finanzierung: KfW; in Vorbereitung Elektroprivreda Srbije
Modernisierung des rumänisch-serbischen Wasserkraftwerks Djerdap 2 k.A. Erneuerung von 10 Aggregaten; Umweltverträglichkeitsstudie in Arbeit Elektroprivreda Srbije
Bau eines Industrieparks in Dobanovci k.A. Fläche: 250.000 m2, 114 ha Land; im Bau VGP Park 
Bau von 2 Windparks in Aleksinac k.A. Plandokumentation in Ausarbeitung; Leistung je 150 MW WPP

Quelle: Pressemeldungen 2023; Recherchen von Germany Trade & Invest

 

Weitere Informationen und aktuelle Ausschreibungen finden Sie bei der Behörde für öffentliche Beschaffung (Kancelarija za javne nabavke) und beim Ministerium für öffentliche Investitionen (Kancelarija za upravljanje javnim ulaganjima). Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite Serbien in den Rubriken „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.

Konsum: Löhne legen immer noch zu

Serbiens Einzelhandel verzeichnet auch weiterhin solide Wachstumsraten und legte im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um knapp 6 Prozent zu. Insgesamt wird der private Verbrauch in den kommenden Jahren weiter zulegen. Trotz einer hohen Inflation von knapp 12 Prozent im Jahresschnitt, können Löhne und Gehälter mithalten. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt in Serbien lag 2022 bei rund 103.000 serbischen Dinar, umgerechnet rund 880 Euro. Das ist ein reales Plus von immerhin noch 1,7 Prozent, so die Statistikbehörde. Die Arbeitslosenquote fällt seit der Coronapandemie wieder. Sie dürfte im kommenden Jahr erstmals unter der Marke von 9 Prozent liegen.

Zudem spielen in den Westbalkanländern Rücküberweisungen aus dem Ausland eine wichtige Rolle, auch in Serbien. Damit stocken Haushalte ihr Einkommen auf. Sie lagen im Jahr 2021 bei 4,6 Milliarden US-Dollar, so Zahlen der Weltbank.

Außenhandel: Exportwirtschaft übertrifft Erwartungen

Serbiens Außenhandel hat im Jahr 2022 zweistellig zugelegt. Die beachtlichen Werte sind aber teils auf Preissteigerungen zurückzuführen. Wichtige Rahmenbedingungen sind die rege Inlandsnachfrage sowie die solide Konjunktur in der EU. Serbien wickelt rund 60 Prozent seines Außenhandels mit der EU ab.

Auch Serbiens Warenaustausch mit der Bundesrepublik boomt. „Die deutsche Wirtschaft investiert weiter in Serbien und das wird dazu führen, dass Serbien bald mehr nach Deutschland exportiert als andersherum. Ich sehe aktuell keinen Grund, warum dieser Trend sich in der Zukunft nicht fortsetzen sollte,“ sagt Alexander Markus, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer (AHK). Im Jahr 2022 war die Handelsbilanz zwischen Serbien und Deutschland das erste Mal seit vielen Jahren ausgeglichen. Das lag vor allem an Projekten deutscher Zulieferer, die in Serbien für die deutsche Automobilindustrie fertigen.

Warenaußenhandel Serbiens (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

2021 2022* Veränderung 2022/2021
Importe 28.935 39.009 34,8
Exporte 21.858 27.605 26,3

 

* vorläufige DatenQuelle: Statistikbüro der Republik Serbien 2023

 

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