Belgien ist mehr als Brüssel 

Belgien verfügt über eine dynamische Wirtschaft und stimulierende Wissenschaft. Ein Königreich, dreigeteilt und doch eine Einheit im föderalen belgischen Staatsaufbau mit den Landesteilen Fladern im Norden, Wallonien im Süden und der Haupt- und Residenzstadt Brüssel. Gesprochen wird im Norden Niederländisch, in Brüssel Französisch / Niederländisch und im Süden Französisch. Hinzu kommt die deutschsprachige Gemeinschaft mit rund 80.000 Bürgern im Ostteil von Wallonien. Ein Beitrag von Rainer G.P. Dumpff.

11,2 Millionen Bürger, von denen etwa 25 Prozent einen Migrationshintergrund haben, leben auf einer Fläche etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen. Die Bevölkerung verteilt sich auf 6,6 Millionen in Flandern, 3,7 Millionen in Wallonien und in der Hauptstadtregion Brüssel leben 1,2 Millionen. Etwa 4,8 Millionen waren in 2019 erwerbstätig, die Arbeitslosenquote lag in 2020 bei 5,2 Prozent. 39,6 Prozent im Alter zwischen 15 bis 64 Jahren haben einen Universitäts- oder tertiären Abschluss. * (Quelle: Belgisches Statistikamt Statbel 2020). Auch wenn Unternehmen in Belgien mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, bietet die hohe Anzahl von gut ausgebildeten Nachwuchs positive Perspektiven bei Forschung und dem Ausbau einer Hightech–Industrie.

Belgien. Foto: AdobeStock

Der Außenhandel boomt – der Staat im Defizit

Mit einer Steigerung von 24,9 Prozent konnte der belgische Außenhandel in 2021 mit 461.622 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr mit 369.673 Millionen Euro punkten. Die aktuellen Zuwachsraten sind in erster Linie dem Handel mit chemischen Produkten und Brennstoffen zu danken. Die Lieferketten leiden auch in 2022 noch unter dem Einfluss der Pandemie. Die Importe lagen für den gleichen Zeitraum  bei 24,2 Prozent gleich 43.069 Millionen Euro in 2021 gegenüber 347.960 Millionen Euro in 2020.

Stärkster Partner im Außenhandel ist Deutschland mit 13,7 Prozent der Ein- und 18,7 Prozent der Ausfuhren, gefolgt von Frankreich und den USA. Die Niederlande sind mit 19,4 Prozent das wichtigste Lieferland. Für 2022 sind die Erwartungen, bei einer steigenden Gesamtausfuhr von 3,3 Prozent günstig.

Belgien hatte in 2021 Staatseinnahmen von etwa 250,77 Milliarden Euro und Ausgaben von 281,37 Milliarden Euro, was ein Defizit von etwa 30 Milliarden Euro ergibt. 2021 Konnte Belgien mit einem BIP in Höhe von 507,2 Milliarden Euro aufwarten In Belgien bestehen große regionale  Unterschiede in der Wirtschaftsleistung. Das BIP lag pro Kopf in der Hauptstadtregion Brüssel 2020 um 73 Prozent über dem belgischen Durchschnitt. Das Nivea im niederländischsprachigen Flandern um 38 Prozent höher als in Wallonien.

Brüssel: Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Foto: AdobeStock

Brüssel umgeben von einem Speckgürtel

Mit Unterzeichnung der Verträge von Rom in 1957  (Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg), gab es keine Standortfestlegung für den Sitz der EU. Die zentrale Lage, die sprachliche Vielfalt eine gute Verkehrsanbindung und die nicht vorhandene wirtschaftliche Dominanz waren ausschlaggebend, dass Brüssel zum Hauptsitz der EU gekürt wurde.

Hinzu kamen weitere Institutionen. Der Sitz der Nato, das ständige Sekretariat der Benelux -Länder, Eurocontrol, Botschaften und 1.300 europäische Zentralen oder Niederlassungen ausländischer Unternehmen. Die Wahl Brüssels zum Sitz der Europäischen Union und zur Verwaltungshauptstadt von inzwischen 490 Millionen Menschen in 27 Mitgliedländern verlangt von den Belgiern starke Nerven und enorme Fähigkeiten zu improvisieren. So gehört das Verkehrschaos zum Alltagsbild. Hinzukommt ein beachtlicher Zustrom von „Berufseuropäern“, die ca. 27 Prozent der Brüsseler Bevölkerung ausmachen und positiv gesehen für einen extremen Kaufkraftschub auch in Inflationszeiten sorgen. Der Bau neuer EU-Institutionen erfordert städteplanerische Eingriffe und sorgt für Wachstum in der Bauwirtschaft. Gleichzeitig wird Architektur geschaffen, die dem Zeitgeist voraus eilt. Die Hauptstädter geben mit ihrer Toleranz, Lebensfreude, kultureller Vielfalt und Zweisprachigkeit ein gutes Beispiel europäischer Integration. Unternehmer, die die Nähe zur EU Kommission suchen, sollten Brüssel unbedingt  bei Auslandsaktivitäten einplanen. Eine Höhenübersicht der Region bietet das 102  Meter hohe Atomium. Es wurde zum Wahrzeichen von Brüssel und ist 1958 zur Weltausstellung entstanden, ein Symbol für die friedliche Nutzung der Kernenergie.

Wallonien zwischen High- Tech und UNESCO Weltkulturerbe

wallonie flag, Foto: AdobeStock

Auch wenn die Rezession dazu geführt hat, dass die gelbe Autobahnbeleuchtung nicht mehr die Schnellwege in Wallonien in ein angenehmes Licht bei Nacht hüllt  bleibt die Region interessant für eine Auszeit im Grünen, Besichtigung von Schlössern, Burgen und ruhendem Kohleabbau um parallel dazu modernste Industrie und Forschung zu entdecken .

Wallonien ist eine föderale Region mit gesetzgebender Gewalt. Die Kompetenzen umfassen u.a. Wirtschaft, Forschung, Außenhandel, Raumordnung, Transport, Mobilität, Umwelt, internationale Beziehungen.

Die Corona Pandemie hat Rückschläge beim Ausbau einer zielorientierten Industrie und Forschung gebracht. Im Rahmen des „Recovery and Resistience Faciltity“ Pogramms der Europäischen Kommission hat die Lokalregierung in einer strukturieren und operationellen Planung „Get up Wallonia“ Beratungsanstrengungen vorgegeben. Dazu gehören die Jugendausbildung, Maßnahmen die einen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Außerdem der Ausbau von Hubs für digitale und technologische Innovation und Schulungen auf der Agenda. Hierfür sind Mittel in Höhe von  Sieben Milliarden Euro vorgesehen.

In 1946 wurde ein lenkendes Organ für die Metallindustrie gegründet, das heute unter dem Namen ANGORIA 2000 Technologieunternehmen mit rund 320.000 Mitarbeitern vertritt und auf allen Ebenen begleitet. Büros, die zugleich Kompetenzzentren sind, befinden in den drei Regionen Belgiens. Für Wallonien bedeutet das eine  exzellente Förderung in den Bereichen Biopharma, künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Fertigung von Brennstoffzellen und Hydrofahrzeugen

Investieren lohnt sich

In den Kompetenznetzwerken sind 14 Cluster operativ. Sechs davon bedienen Sektoren, die für eine internationale Zusammenarbeit besonders geeignet sind. Ausgewiesene Wirtschaftszonen bieten bei einem Investment zwischen 10 bis 30 Prozent Fördermöglichkeiten.  BIO – WIN: Life Sciences + Biotechnologie, H20 – Logistik, Mobilität, Transport,  GREEN-WIN:  Chemie + nachhaltige Materialien,  WAGRALIM:  Agraindustrie, MEGATECH: Feinmechanik + Nano -Technologie, SKY – WIN: Luft- und Raumfahrt entwickeln sich in Wallonien mit einer besonderen Dynamik. 148 Unternehmen mit 7.500 Mitarbeitern haben 2021 rund 1.75 Milliarden Euro erwirtschaftet, davon 90 Prozent aus Exporterlösen. Universitäten, Forschungs- und Kompetenzzentren garantieren einen hochqualifizierten Nachwuchs.

Flughafen unterstützt mulimodalen Frachtverkehr

Der Flughafen Lüttich ist ein schnell wachsender Umschlagplatz für Luftfracht und nimmt unter den europäischen Flughäfen ein hohes Ranking ein. Dank einem 24 Stunden Luftverkehr wurden in 2021 ca. 1.6 Millionen Tonnen Fracht abgefertigt. Hinter Paris ist Airport Liege das zweite europäische Drehkreuz von Fedex und zentrales Logistiklager von Alibaba. „Dank unseres multimodalen Ansatzes“, erklärt Laurent Jossart, CEO vom Airport Liege  „haben sich der Standort Flughafen Lüttich und die Logistikbranche frühzeitig darauf vorbereitet, im Zentrum des grenzüberschreitenden europäischen Handels zu stehen und dabei mit Logistikpartnern die multimodale Strategie der wallonischen Regierung nachhaltig zu unterstützen.“ Mit der Verlagerung vom Fracht im Vor- und Nachlauf zur Luftfracht von der Straße auf Schiene und Wasser soll die Belastung der Autowege verringert und damit ein Beitrag für das Klima geleistet werden.

Der Brüssel Airport, der mit 200 Anflugzielen, darunter auch Berlin-Brandenburg direkt verbunden ist, konnte 2019 rund 26 Millionen Passagiere abfertigen und bietet als Zubringer für die Europäische Kommission eine süße Überraschung als größter Umschlagplatz für Schokolade in der  Welt.

Wirtschaftsmotor Flandern

Die Region Flandern hat von den drei Wirtschaftsregionen mit der Hauptstadt Brüssel durch einen guten Mix von Hightech-Industrien und Dienstleistungen den größten Anteil an der wirtschaftlichen Wertschöpfung Belgiens. Gestützt von einer guten Infrastruktur, wirtschaftsstarken Nachbarregionen und Europas zweitgrößtem Hafen mit dem größten Chemiecluster Europas. Seit 2016 ist der Umschlag vom Hafen Antwerpen höher als Bremen und Hamburg zusammen. Über gute Hinterlandverbindungen gehen rund 30 Prozent des Gesamtumschlages nach Deutschland.

Die Universität Antwerpen ist eine der führenden Unis in Belgien. Foto: AdobeStock

Um den privaten, öffentlichen und akademischen Sektor als langfristige Innovationspartner zu vereinen, fährt die flämische Regierung, wie auch in Wallonien, eine offizielle Clusterpolitik. Dabei sind die fünf Universitäten in Leuven, Gent, Antwerpen, Brüssel und Hasselt, alle im Ranking unter den 100 besten der Welt, nicht nur eine starke Stimulanz, sondern gleichzeitig Treiber von sieben „Speerspitzclustern“.

Flanderns Cluster beschleunigen Transformation      

Das „Blaue Cluster“ vereint Unternehmen, Wissenszentren und Regierungsinstitute, um maritime Aktivitäten und Innovationen auf dauerhafte, nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Weise zu unterstützen. Ein virtuelles Forschungszentrum zielt darauf ab, nachhaltige Materialwissenschaften für die Zukunft zu entwickeln. Nicht nur für Belgien ist es wichtig, die Logistikbranche zu stärken. Hier liegt bei einem weiteren Cluster der Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung der digitalen Transformation, Hinterlandanbindung, grünen Lieferketten und Last-Mile-Logistik.

Flanders’ FOOD Cluster fördert Lebensmittel- und Agrarunternehmen bei der Optimierung ihrer Produktionsprozesse, Verwendung alternativer Nahrungs- und Futterquellen, der Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Zum Thema FOOD hat Belgien einiges zu bieten: Es ist das Land der 1000 Biere, Heimat der Pommes Frites und Erfinder der Pralinen.

Belgien Foto Jurga Visit Wallonia

Der Autor: Rainer G.P. Dumpff

Rainer G.P. Dumpff hat auf vier Kontinenten als Kommunikationsberater gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Seit 15 Jahren vermittelt und begleitet DPM Dumpff Project Management BV Unternehmen bei grenzüberschreitenden Kooperationen und der Standortfindung in China und Europa und ist Liaisonbureau für City Cangzhou Investment & Promotioncentre. Schwerpunkte sind künstliche Intelligenz, E -Carproduktion, Luftfahrt und die  Xiongan New Area, Silicon Valley Chinas. Als BWA-Mitglied initiiert und koordiniert DPM Unternehmertreffen und Besuch von Auslandsmärkten.

Einladung

Die Regionen Flandern, Wallonien, Brüssel und BWA Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenhandel laden ein zu einem Empfang in die Botschaft des Königreichs Belgien in Berlin am 29. November 2022 ein.