W+M-Serie Internationale Märkte: Schweiz – ein interessanter Wachstumsmarkt

Trotz der geringen Größe des Landes zählt die Schweiz zu den führenden Industrienationen. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liegt sie mit 8,7 Millionen Einwohnern im weltweiten Vergleich auf Platz 2 hinter Luxemburg. Die Kaufkraft der schweizerischen Haushalte ist trotz eines hohen Preisniveaus die höchste in Europa. Im Jahr 2021 belief sich das BIP des Landes auf rund 687 Milliarden Euro.

Deutschland ist größter Handelspartner

Deutschland und die Schweiz pflegen enge Wirtschaftsbeziehungen. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern machte 2021 rund 100 Milliarden Euro aus, ein Plus von 10,2 Prozent gegenüber dem pandemiebedingt schwachen Vorjahr. Im Ranking der größten Außenhandelspartner Deutschlands belegte die Schweiz 2021 den 9. Platz. Deutschland, der wichtigste Handelspartner der Schweiz, musste 2021 erstmals seit 1954 Platz 1 unter den Hauptexportländern der Schweiz an die USA abtreten. Die Schweiz importiert aus Deutschland vor allem Chemie- und Pharmaprodukte, Maschinen und Anlagen sowie Fahrzeuge.

Laut dem schweizerischen Bundesamt für Statistik waren 2020 rund 3.435 deutsche Unternehmen in der Schweiz ansässig. Insgesamt stellen deutsche Firmen etwa 126.500 Arbeitsplätze im Land.

Auch die Schweiz leidet unter Fachkräftemangel

Deutsche Unternehmen, die in der Schweiz tätig sind, loben immer wieder die erstklassige Infrastruktur sowie unter anderem die Verfügbarkeit von hochqualifizierten und motivierten Arbeitskräften. Letztere werden allerdings inzwischen knapp. Es gibt zunehmend Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften. Erstmals seit Jahrzehnten meldet die schweizerische Regierung 2022 mehr offene Stellen als Arbeitslose. Die Arbeitslosenquote verharrt seit Juni 2022 bei 2 Prozent. Nach Angaben des eidgenössischen Personalunternehmens X28 stehen den derzeit rund 91.000 Arbeitslosen etwa 250.000 offene Stellen gegenüber.

Deutliche Abkühlung der Konjunktur erwartet

Als exportorientierte und in Europa stark vernetzte Volkswirtschaft ist auch die Schweiz von den Auswirkungen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine betroffen. Konjunkturforscher gehen von einer deutlichen Abkühlung der Wirtschaftsleistung in den kommenden Monaten aus. Besonders steigende Rohstoff- und Energiekosten, eine drohende Rezession in Deutschland und europäischen Nachbarländern dürften die schweizerische Exportindustrie und die Wirtschaft insgesamt belasten. Auch könnte es zu einem Mangel an Vorprodukten für die heimische Industrie durch gestörte Lieferketten kommen.

Bislang lief die schweizerische Wirtschaft allen Widrigkeiten zum Trotz erstaunlich rund. Die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt und Aufholeffekte nach dem Ende der Corona-Beschränkungen im April 2022 stärkten den Privatkonsum, der als Wachstumsmotor agierte. Davon profitierte vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe, das unter anderem auch dank gestiegener Touristenzahlen aus Europa und den USA ein starkes Wachstum hinlegte. Günstig wirkt sich auch eine im internationalen Vergleich niedrige Inflation in der Schweiz aus.

Digitalisierung, Robotik und KI bieten Chancen für deutsche Unternehmen

Die Bereiche Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) dürfte in den kommenden Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Schweiz verfügt unter anderen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich über hervorragende Forschungseinrichtungen im KI-Sektor. Auch das stabile politische Umfeld und eine gut ausgebaute Infrastruktur sind ideale Standortfaktoren für KI-Unternehmen.

Im Bereich Robotik und Drohnen gelten die Schweizer seit Jahren als führend. Tech-Größen wie Google, Facebook oder auch Industrieunternehmen schätzen die Innovationskraft und Expertise der technischen Universitäten des Landes. Switzerland Global Enterprise, die schweizerische Organisation für Exportförderung und Standortmarketing, konstatiert, dass sich die Schweiz aufgrund ihres etablierten Ökosystems als „Silicon Valley“ der Robotik einen Namen gemacht hat.

Interessanter Wachstumsmarkt ist auch die schweizerische Biotech-Branche. Sie konnte 2021 Investitionen im Umfang von rund 3 Milliarden Euro generieren.

Die Schweiz führt seit Jahren das internationale Ranking der innovativsten Länder an. Der schweizerische Bundesrat hat im Juni 2022 erstmals einen staatlichen Innovationsfonds ins Leben gerufen. Dieser soll jungen, innovativen KMU und Start-ups die Finanzierung in der Wachstumsphase ihrer Unternehmung erleichtern. Dabei stehen besonders die Themen Dekarbonisierung und Digitalisierung im Fokus.

 

Der Autor: Karl-Heinz Dahm

Karl Heinz Dahm. Foto: Frank May

Karl-Heinz Dahm ist seit vielen Jahren als Redakteur und Länderexperte für die Schweiz bei GTAI in Bonn im Bereich Marktbeobachtung tätig.an