Donnerstag, April 25, 2024

Stagflation: Rezession trifft Inflation

Stagflation: Rezession trifft Inflation. Gedanken von Prof. Dr. Florian Stapper

Ziel einer ausgewogenen Wirtschaftspolitik ist ein Wachstum der Wirtschaft bei geringer Arbeitslosigkeit, stabiler Währung, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und einer Inflation um die 2Prozent. Wächst die Wirtschaft zu stark, erhöht sich die Nachfrage und in der Folge das Preisniveau. Notenbanken erhöhen dann regelmäßig die Zinsen, um die Nachfrage zu drosseln und so die Preisstabilität zu halten. Wächst die Wirtschaft nicht stark genug oder ist die Konjunktur sogar negativ, sinkt die Nachfrage und in der Folge auch das Preisgefüge. Die Notenbanken helfen der Wirtschaft dann meist mit einer Senkung der Zinsen. Insofern steuern die Notenbanken durch den Zins das Wachstum der Wirtschaft, auch, wenn ihre Aufgabe eigentlich die Wahrung der Preisstabilität ist.

Eine Sonderform der wirtschaftlichen Entwicklung ist die Stagflation. Sie liegt vor, wenn die Wirtschaft stagniert, also weder steigt noch fällt (Rezession) und gleichzeitig die Preise steigen (Inflation). Ursache sind häufig sogenannte Angebotsschocks, also steigende Preise, die nicht auf einer anziehenden Nachfrage beruhen. Preissteigerungen dieser Art begründen auch keine Inflation im strengen Sinne. Folge ist eine steigende Arbeitslosigkeit bei Kaufkraftverlust und eine Abwärtsspirale der Wirtschaft.

Stagflation hat es in den 70-iger Jahren als Folge stark steigender Ölpreise (Ölkrise) gegeben. In der Corona-Pandemie ab 2020 hatte sich eine Stagflation durch den Ausfall von Lieferketten und Produktionskapazitäten angekündigt und in der Russland/Ukraine-Krise ab 2022 verknappen sich – kriegsbedingt – insbesondere Energie- und Rohstoffe, ohne dass sich die Nachfrage ändert. Ob dadurch eine Stagflation im herkömmlichen Sinne entsteht, ist noch offen, denn die Arbeitslosigkeit ist gering. Möglicherweise erleben wir durch die Corona-Pandemie und die sich zeitlich überlappende Russland/Ukraine-Krise ein neues wirtschaftliches Phänomen, das eine schwächelnde Wirtschaft bei geringer Arbeitslosigkeit und steigenden Preise zum Inhalt hat.

Eine Stagflation ist schwer zu bekämpfen. Werden Zinsen erhöht, um Preissteigerungen entgegenzutreten, schwächt man gleichzeitig die ohnehin schon stagnierende Wirtschaft und Zinserhöhungen beseitigen die nicht nachfragegetriebenen Ursachen der Preissteigerungen nicht. Es wird also versucht, Unternehmen, die unter den höheren Preisen leiden und die Produktion zurückfahren, auf der Kostenseite zu entlasten. In der Praxis löst sich das Problem meist auch dadurch, dass sich die nicht auf einer erhöhten Nachfrage beruhende, unnatürliche Preiserhöhung wieder normalisiert. So war es bei der Stagflation während der Ölkrise, hatte es sich am Ende der Coronakrise angedeutet und wird es aller Voraussicht nach auch sein, wenn der Krieg in der Ukraine vorüber ist, Lieferketten wieder hergestellt, Produktionsstätten wieder aufgebaut sind und die Politik sich nicht mehr veranlasst sieht, massiv in den Wirtschaftskreislauf einzugreifen, um politische Ziele zu erreichen. Dann könnte sich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern auch dadurch vermindern, dass Energieverbraucher effizienter und sparsamer werden und vermehrt grüne Technologien zum Einsatz kommen. Das dürfte die Nachfrage nach fossilen Energieträgern dämpfen, die Abhängigkeit von politisch Unerwünschtem reduzieren und schließlich den Preis für Energie wieder normalisieren.

 

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.

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