W+M-Serie 4/5 – Effektivität: So schaffen Sie sich Freiräume
Das ist der vierte Beitrag der W+M-Serie Work + Life. Johannes Grassl, Experte und Berater rund um den Bereich Führung, widmet sich im aktuellen Beitrag dem Thema „So schaffen Sie sich Freiräume“.
Beginnen wir mit einer guten Frage: Wie erhöhen wir unsere Wirksamkeit und werden gleichzeitig entspannter? Klingt utopisch, stimmt’s? Ist aber möglich. Das Geheimnis liegt darin, dass wir drei einfache Übungen umsetzen, die ich im folgenden beschreibe.
Zunächst die Definition. Das Wort Effektivität kommt vom Lateinischen effectivus und bedeutet soviel wie Wirksamkeit bzw. Leistungsfähigkeit. Eigenschaften also, die wir als Führungskräfte und Unternehmer unbedingt brauchen. Wichtig zu verstehen ist, dass Effektivität zwei Ebenen hat, eine operative und eine strategische. Denken Sie an einen Läufer in einem Wettrennen. Die operative Ebene hat mit den Tools und der Technik zu tun, die dieser Läufer nutzt: die richtigen Schuhe, ein guter Antritt aus dem Startblock, Atemtechnik, Schrittlänge, Körperhaltung etc. All das hilft ihm, schnell ans Ziel zu kommen. Die strategische Ebene geht tiefer und hat mit der Frage zu tun: Wohin laufe ich überhaupt? Die beste Technik und die ausgefeiltesten Tools nützen wenig, wenn wir in die falsche Richtung unterwegs sind.
Effektivität (Wirksamkeit, Leistungsfähigkeit) beginnt deshalb damit, die richtigen Dinge zu tun. Schon der große Peter Drucker sagte: „Die meisten Manager machen die Dinge richtig – aber nur die Herausragenden machen die richtigen Dinge.“ Das ist in unserem vollgepackten Alltag gar nicht so leicht. Was sind die „richtigen“ Dinge? Es sind zunächst einmal diejenigen Aktivitäten und Aufgaben, die mit unseren Zielen, Werten, Stärken und Träumen zusammenpassen. Das erfordert Reflexion und bringt uns zu Übung Nr. 1: Wir müssen uns Zeit zum Denken nehmen. Passt das, was ich täglich tue, mit meinen Zielen und Werten zusammen? Kann ich meine Stärken einbringen und eine gute Wirkung erzielen? Wovon träume ich, wenn ich an die Zukunft denke? Bin ich in diese Richtung unterwegs? Der kanadische Managementvordenker Roger Martin wurde gefragt, was er Führungskräften raten würde, könnte er ihnen nur einen einzigen Rat geben. Seine Antwort: „Sie müssen sich in Ihrem Leben Zeit zum Nachdenken nehmen. Wenn Sie Ihre Zeit mit Dingen füllen, die Ihnen keine Zeit mehr lassen, sich zurückzulehnen und nachzudenken, dann wird Sie das eines Tages einholen.“[1]
> Übung Nr. 1: Zeit zum Denken
Dieses Nachdenken hilft uns bei der Klärung unseres Portfolios. Mit Portfolio meine ich die Summe all unserer Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Viele von uns leiden nicht an Unterbeschäftigung, sondern sind überladen mit Jobs und Tätigkeiten. Um wieder Luft zu bekommen, müssen wir aussortieren und uns von falschen Dingen befreien. Das führt zu Übung Nr. 2: Alles auf den Prüfstand! Am besten nehmen Sie sich ein weißes Blatt Papier und notieren darauf alle Ihre Jobs, Aufgaben und Verantwortungsbereiche. Im Beruf, aber auch ehrenamtliche Engagements und alle anderen Aufgaben, in denen Sie stehen. Dann können Sie sich bei jedem einzelnen Punkt wichtige Fragen stellen: Ist diese Aufgabe heute für mich dran? (Manchmal übernehmen wir Jobs und bleiben dann darin „stecken“, obwohl sie vielleicht längst nicht mehr dran sind). Kann ich in dieser Aufgabe die gewünschte Wirkung erzielen? Passt sie in mein Leben und zu meinen Überzeugungen? Wenn „Nein“: Warum schneide ich sie nicht ab? Tue ich Dinge nur, um eine Erwartung zu erfüllen oder weil ich nicht Nein sagen kann? Unsere Zeit und Kapazitäten sind begrenzt. Wir sollten uns nur in Aufgaben investieren, von denen wir überzeugt sind, dass sie zu uns passen und in denen unser Engagement Sinn macht. Das gilt auf der Makro-Ebene (Welchen Job nehme ich an? Welche Ämter übernehme ich?) genauso wie für die Mikro-Ebene der täglichen ToDo’s. Nochmal Peter Drucker: „Das regelmäßige Infrage-Stellen sämtlicher Programme und Aktivitäten und das konsequente Eliminieren all jener Tätigkeiten, die nicht produktiv sind, wirken wahre Wunder.“[2]
> Übung Nr. 2: Alles auf den Prüfstand
Die so gewonnenen Freiräume können wir dann besser nutzen. Wofür? Am besten für Aktivitäten, die langfristig gesehen einen enormen Unterschied in unserem Leben machen. Das ist Übung Nr. 3: Investition in strategische Aktivitäten. Aus dem Zeitmanagement kennen wir die Eisenhower-Matrix, das ist die Einteilung unserer Aufgaben und Aktivitäten anhand der Parameter „Dringend“ und „Wichtig“. Siehe die folgende Grafik:
Grafik Eisenhower-Matrix Dringend-Wichtig
Alles, was wir tun, lässt sich anhand dieser Matrix einordnen. Es gibt Aufgaben, die sind wichtig und dringend (Feld I: z.B. Projekte mit Deadlines, Krisen), dringend aber nicht wichtig (Feld III: viele Meetings, Telefonate, Routineaufgaben) oder weder dringend noch wichtig (Feld IV: Ablenkungsaktivitäten). Spielentscheidend wird es in Feld II. Hier geht es um diejenigen Aufgaben und Aktivitäten, die zwar wichtig sind, aber nicht dringend. In dieses Feld gehören z.B.
- Planung
- Ziele setzen
- Nachdenken
- Aufgaben und Prioritäten prüfen
- Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Freunde)
- Erholung und Time-Out-Phasen
- sportliche Aktivitäten
- Inspiration und Stille
- persönliche Weiterbildung und Entwicklung
Wenn wir uns fragen: „Welche Aktivität kann ich tun, die bei regelmäßiger Ausübung einen starken positiven Unterschied bewirkt?“ dann fällt die Antwort in diese Kategorie. In diesem Feld entscheidet sich in einem hohen Maß unsere Wirksamkeit und Lebensqualität. Allerdings gibt es ein Problem: weil diese Aktivitäten zwar wichtig sind, aber nicht dringend, kommen sie oft zu kurz. Temporär fällt das kaum auf, langfristig aber verursacht es viel Leiden. Deshalb liegt hier ein wichtiger (Selbst-)Führungsauftrag. Es geht darum, strategische Aktivitäten durch regelmäßige Ausübung zu einer festen Gewohnheit in unserem Lebensstil zu machen. Wir müssen das Wichtige vor dem Dringenden schützen.
> Übung Nr. 3: Investition in strategische Aktivitäten
Mehr Effektivität und Freiräume wünschen sich viele. Die skizzierten Übungen helfen, dass uns die Umsetzung tatsächlich gelingt. Das führt uns einen Schritt weiter vom „Gelebt werden“ ins „Leben“.
[1] „Immer mit der Ruhe“, Interview mit Roger Martin, Harvard Business Manager, Ausgabe Juni 2018, Seite 41
[2] Peter F. Drucker, „The Effective Executive“, Vahlen-Verlag
Der Autor:
Johannes Grassl ist CEO der Leaders’ Integrity Foundation, Berater für Führungskräfte und Ermutiger aus Leidenschaft. Seit 20 Jahren ist er als Impulsgeber rund um Leadership, Selbstmanagement und erfolgreiche Karrieregestaltung im ganzen deutschsprachigen Raum aktiv. Mehr unter www.johannesgrassl.com und www.lif.ch.