W+M-Serie: MdB OST – Die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten/Teil 2

Von den 736 Mitgliedern des 20. Deutschen Bundestages sind insgesamt 146 Vertreter aus Ostdeutschland inkl. Berlin, die direkt oder über die Landesliste ihrer Partei in den Deutschen Bundestag gewählt wurden und nun dort die Interessen Ostdeutschlands vertreten. Aktiv im Wahlkreis, in den Fraktionen und in den unterschiedlichsten Ausschüssen stehen sie für ihre Wahlversprechen und den Spagat zwischen lokalen, regionalen und überregionalen Interessen.

W+M befragte alle Bundestagsabgeordneten aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Es ging dabei um die Stärken und Probleme der einzelnen Wahlkreise und für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte sie sich dort einsetzen wollen. Nicht jeder hat die Gelegenheit genutzt, aber die  Antworten sind ausreichend, um insgesamt und im Einzelnen einen guten Überblick über die Situation in den ostdeutschen Regionen und ihre Perspektiven zu vermitteln.

Im Teil 2 der Serie kommen zu Wort:

Friedhelm Boginski, Katrin Budde, André Hahn, Thomas Heilmann, Ralph Lenkert, Claudia Müller

Friedhelm Boginski, FDP

Lehrer, *07.12.1955 in Bremen
Wahlkreis: Uckermark-Barnim/Brandenburg
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
friedhelm.boginski@bundestag.de

Friedhelm Boginski © DBT Inga Haar

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in ihrem Wahlkreis?    

Mein brandenburgischer Wahlkreis erstreckt sich von der Stadtgrenze Berlins in Richtung Nordosten bis an die Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Allein diese Gegebenheit lässt erkennen, dass es zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden meines Wahlkreises große Unterschiede gibt. Im Süden finden sich die typischen Berliner Randwohngebiete, die nördlich gelegene Uckermark hingegen ist sehr landwirtschaftlich geprägt. Dies wirkt sich natürlich stark auf die Bevölkerungsdichte aus. So sind es im Barnim 127 Einwohner je Quadratkilometer und in der Uckermark nur 38. Es lassen sich weitere solcher Beispiele aufführen, die zeigen, wie heterogen der Wahlkreis 57 ist. Diese Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen werden gern als Schwäche bezeichnet. Ich sehe hierin jedoch viel mehr Chancen – Chancen, die es zu nutzen gilt, um den Barnim und die Uckermark noch attraktiver zu gestalten und Potentiale zu entwickeln. In den kommenden Jahren wird es für die Region von großer Bedeutung sein, die Potentiale des Tourismus noch besser zu nutzen und weiterzuentwickeln. Viele Menschen denken an öde Landstriche, wenn sie von der Uckermark und dem Barnim hören. Wer jedoch erst einmal hier war, kann über wundervolle Landschaften und tolle Ausflugsziele berichten. Eines davon ist zum Beispiel das UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, welches eine Modellregion mit hoher Aufenthalts- und Lebensqualität ist, in der ökonomische und touristische Interessen mit ökologischen in Einklang gebracht und innovativ fortentwickelt werden.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Nach wie vor spielt die Bestandspflege der bereits im Wahlkreis ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen, welche den Kern unserer regionalen Wirtschaft darstellen, für mich eine zentrale Rolle. Daneben wird es aber auch darum gehen, dass sich neue Unternehmen ansiedeln. Dafür gilt es entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Unter anderem gehört dazu eine noch bessere Bahnverbindung nach Berlin. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass in Zukunft der Halbstundentakt gefahren und der Ausbau des Schienennetzes vorangebracht wird. Jahrelang war der Wahlkreis durch den Wegzug der jüngeren Generationen geprägt. In den letzten Jahren verschlägt es jedoch wieder mehr junge Familien in unsere Region. Ich möchte für diese jungen Menschen Perspektiven schaffen und den Wahlkreis 57 zu einer Region der Zukunft machen.

 

Katrin Budde, SPD

Diplom-Ingenieurin für Arbeitsgestaltung, *13.04.1965 in Magdeburg
Wahlkreis: Mansfeld/Sachsen-Anhalt
Ausschuss für Kultur und Medien
katrin.budde@bundestag.de

Katrin Budde, SPD. Foto Bundestag

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in ihrem Wahlkreis?    

Mein Wahlkreis ist heute ländlich geprägt, war bis 1989/1990 aber ein starker Industriestandort, wirtschaftlich vor allem durch den Abbau von kupfer- silberhaltigen Kupferschieferbau und der chemischen und Elektroindustrie geprägt. Der Kupferschieferbau wurde nach dem Ende der DDR wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt, viele weiterverarbeitende Unternehmen geschlossen. Dieser Strukturbruch wirkt bis heute nach. Die Folge war eine hohe Arbeitslosenquote. Durch den Kohleausstieg steht nun ein weiterer Strukturwandel an. Die chemische Industrie hat den Strukturwandel gut gemeistert und ist weiter ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Außerdem ist die Forst- und Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie nicht zu Unterschätzen. Allerdings wirken hier die letzten Jahre mit Stürmen und Trockenheit und allen Problemen in der Forstwirtschaft nach. Ganz aktuell trifft es viele kleine innovative und leider stromintensive Unternehmen sehr hart, da die Strompreise so rasant steigen. Ich befürchte, dass hier die nächsten Probleme entstehen.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Mein Wahlkreis braucht einen gesunden und breit gefächerten Mix aus Industrie, Mittelstand, Dienstleistung und Tourismus. Zudem werden weiter Forst- und Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Ehrlicherweise habe ich noch keine Antwort auf die steigenden Strompreise, weiß aber, dass sie für alle Branchen in meinem Wahlkreis eine entscheidende Rolle spielen. Zudem muss der kulturelle Reichtum unserer Region stärker genutzt werden, um den hochwertigen Kulturtourismus zu einer starken wirtschaftlichen Säule zu entwickeln. Dafür habe ich in den letzten Jahren schon Einiges an Bundesmitteln in unsere Region geholt. Die nächste große Aufgabe ist das Müntzer-Jubiläum im Jahr 2025. Außerdem ist das Thema Industriekultur eines, das ich besser für uns nutzbar machen möchte. Im Zuge des vereinbarten Kohleausstieges stellt der Bund viel Geld zur Verfügung.  Es gibt gute Ideen und Projekte, auch mit alternativen Energien, wie der Geothermie aus dem Bergbau. Was wir brauchen sind neue innovative Lösungen für die Infrastruktur und Angebote für Familien.

 Dr. André Hahn, Die Linke

*20.04.1963 in Berlin
Wahlkreis: Sächsische Schweiz-Osterzgebirge/Sachsen
Parlamentarisches Kontrollgremium, Sportausschuss
andre.hahn@bundestag.de

Dr. André Hahn. Foto: DBT Stella von Saldern

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in ihrem Wahlkreis?

Mein Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und auch mein Betreuungswahlkreis Meißen sind vor allem geprägt durch eine touristische Infrastruktur insbesondere im Elbtal und im Elbstandsteingebirge, und wir wollen auch in Zukunft gute, weltoffene Gastgeber sein. Das ist unsere größte Stärke, allen Wahlergebnissen rechter Parteien zum Trotz. Zudem gibt es auch durchaus erfolgreiche landwirtschaftliche Betriebe in unseren Landkreisen. In Glashütte haben wir sehr hochwertige Uhrenhersteller, in Altenberg mit der Bob- und Rennschlittenbahn eine weltweit bekannte Sportanlage. Meißen ist darüber hinaus ein kleines, aber wirklich hervorragendes Weinanbaugebiet und beheimatet die berühmte Porzellanmanufaktur.

Nach 1990 sind leider viele Industriearbeitsplätze in der Region verloren gegangen, die Fahrzeugelektrik in Pirna ist eine der wenigen positiven Ausnahmen. In vielen Bereichen, nicht nur in der Gastronomie, Hotellerie und bei touristischen Anbietern haben die Beschäftigten noch immer Niedriglöhne, von denen man eigentlich nicht wirklich leben kann. Umso wichtiger ist es, dass der gesetzliche Mindestlohn endlich deutlich erhöht wird. Was die aktuellen Probleme angeht, so hat nicht nur die Corona-Pandemie mit all den damit verbundenen Einschränkungen, sondern auch die Borkenkäfer-Plage zu erheblichen Beeinträchtigungen im touristischen Bereich und vor allem im Nationalparkgebiet geführt. Hier sind staatliche Unterstützungsmaßnahmen unabdingbar.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Es gibt diverse Vorhaben in der Region, die anstehen und finanziell realisiert werden müssen. Für einige davon ist das Land Sachsen zuständig, für andere ausdrücklich der Bund. Hier will ich mich insbesondere engagieren. Die Ortsumgehung Pirna der B 172 muss zu Ende geführt werden, um eine Entlastung der Kreisstadt zu erreichen. Die Maßnahmen zum Schutz vor Bahnlärm im Elbtal dürfen nicht nur angekündigt, sondern im Interesse der Anwohner und auch der touristischen Gäste endlich umgesetzt werden. Die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an der Bobbahn in Altenberg, wo auch künftig Weltcup-Wettbewerbe und sogar Weltmeisterschaften stattfinden sollen, können weder durch den Landkreis noch durch den Freistaat Sachsen allein aufgebracht werden. Hier muss der Bund einen deutlich höheren Anteil leisten. Das gilt nicht zuletzt auch für die Burg Hohnstein, eines der ersten Konzentrationslager der Nazis. Hier sind unter dem Strich Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe erforderlich, und angesichts der überregionalen und auch historischen Bedeutung der Burg sollte der Bund sich weit stärker als bisher beteiligen. Ich jedenfalls werde mich dafür stark machen.

Thomas Heilmann, CDU

Jurist, *16.07.1964 in Dortmund
Wahlkreis: Berlin-Steglitz-Zehlendorf
Ausschuss für Klimaschutz und Energie
thomas.heilmann@bundestag.de

Thomas Heilmann. Foto: privat

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in Ihrem Wahlkreis?

Ob Deutschland und Europa auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben, wird in Berlin Steglitz-Zehlendorf entschieden. Klingt übertrieben, stimmt aber zumindest in Teilen. Denn im Südwesten Berlins gibt es reichlich international anerkannte wissenschaftliche Exzellenz – von der Charité über die Freie Universität bis hin zu Ablegern der Max-Planck-Gesellschaft. Und ob wir in Zukunft bei den vielen neuen Geschäftsmodellen mithalten oder sogar die Nase vorn haben werden, hängt ganz entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, einen effektiven Transfer von der Forschung in die Wirtschaft zu schaffen. Ich weiß, dass die Forschungseinrichtungen in meinem Wahlkreis enorm daran arbeiten, jungen Unternehmen aus den Unis unter die Arme zu greifen, z.B. wie die Profound Service-Stelle der FU. Doch wir brauchen viel mehr Schlagkraft durch Hilfe vom Bund. Google ist entstanden, weil zwei Studenten eine zündende Idee hatten und ihr Professor sie mit einem ordentlichen Startkapital ausstattete. Der Bund muss besser darin werden, solch zündende Ideen zu identifizieren und mit mehr Kapital zu unterstützen, damit die guten Start-ups sicher durch das death valley kommen – der eher unterfinanzierten Phase von der Forschung bis zum Markteintritt. Damit deutsche und europäische Start-ups die gleichen guten Bedingungen wie etwa in China oder der USA haben, plädieren wir von der Union für einen Universitätsfond: Ausgewählten Universitäten soll Kapital für Beteiligungen an Start-ups zur Verfügung gestellt werden, sofern dies auch Privatinvestoren tun (um Gefälligkeits-Investitionen zu verhindern). Zusätzliche Privatinvestoren können den Fond aufstocken.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in Ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Da gibt es drei große Themen:

  1. Der Transfer von der Forschung in die Wirtschaft (eben erläutert).
  2. Der Umbau der Industrie hin zur Klimaneutralität hat in allen Wahlkreisen in Deutschland höchste Priorität. Als Vorsitzender der KlimaUnion, einem Zusammenschluss von klimainteressierten Parteimitgliedern und Experten, ist es mein Ziel, tragfähige Strategien und Maßnahmen zu finden, wie das gelingen kann. Es geht auf jeden Fall nur mit der Wirtschaft: Nur, wenn wir aus dem Kampf gegen den Klimawandel auch ein Wirtschaftswunder machen, werden uns andere Staaten mit unserer Klimapolitik folgen.
  3. Infrastruktur für öffentliche Verkehrsmittel: Steglitz-Zehlendorf und Berlin im Allgemeinen sind begehrte Arbeits- und Wohnumfelder, platzen aber aus allen Nähten. Das wiederum führt zum Preisanstieg für Wohnraum – jeder kennt das Problem. Wir müssen es unbedingt schaffen, auch die umliegenden Kommunen zum beliebten Lebensmittelpunkt von Menschen zu machen, in dem wir das Verkehrsnetz deutlich verbessern und schnelles Pendeln ermöglichen. Vor Ort setzen wir uns z.B. konkret für die Verlängerung der U3 nach Kleinmachnow ein. Leider hat sich der Berliner Senat bisher dagegengestemmt, weil er andere Projekte priorisiert hat. So langsam scheint es aber ein Umdenken zu geben

Ralph Lenkert, Die Linke

Machinenbautechniker, *09.05.1967 in Apolda
Wahlkreis: Jena – Sömmerda – Weimarer Land/ Thüringen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Ausschuss für Klimaschutz und Energie (Obmann)
ralph.lenkert@bundestag.de

Ralph Lenkert, Foto: DIE LINKE,

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in ihrem Wahlkreis?

Jena, Sömmerda, Weimarer Land 1 – das ist mein Wahlkreis. Mein Wahlkreis ist sehr unterschiedlich strukturiert. Die Stadt Jena ist bekannt für die Stärke ihrer optischen und medizintechnischen Industrie und hat darüber hinaus etliche Hidden Champions in der Vakuumtechnik, Softwareentwicklung und auch interessante Pharmafirmen. Die Stärke Jenas beruht auch auf den zwei Hochschulen und vielen Forschungsinstituten. Die Zweigstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) in Jena würdigt die vielen Patente mit Jenaer Wurzeln. Der Kreis Weimarer Land ist sehr gut in der Gesundheitswirtschaft aufgestellt, mit überregional wirkenden Kliniken in Blankenhain, in den Kurstädten Bad Berka und Bad Sulza sowie Apolda. Der Landkreis Sömmerda als Industrieregion ist geprägt von der Automobilzulieferindustrie und der Erzeugung erneuerbarer Energien. Auch die Landwirtschaft spielt auf den fruchtbaren Böden des Thüringer Beckens eine wichtige Rolle. Herausforderungen für die Zukunft gibt es einige. So ist es unerlässlich, dass eine Konversionslösung für MDC-Power gefunden wird, um diesen industriellen Kern zu erhalten. MDC produziert Dieselmotoren für Daimler. Die Stadt Jena kann im Saaletal nur schwer expandieren und ist daher auf eine deutlich bessere Vernetzung mit dem Umland angewiesen. Durch die ehemalige DDR-Bezirksgrenze entstandene Verkehrsstrukturen leben durch die Kreis- und Planungsregionsgrenzen weiter und behindern die Vernetzung zwischen Jena und den Landkreisen. Das Wohnungsproblem in Jena, aber auch die schrumpfenden sozialen Infrastrukturen in den Orten und Kleinstädten der Landkreise müssen und können zusammen gelöst werden.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Für eine Verkehrsverknüpfung im Wahlkreis setze ich mich weiter ein. Die Pfefferminzbahn fährt heute von Sömmerda bis Buttstädt. Diese kann technisch problemlos bis Jena verlängert werden. Die Vorteile für Sömmerda und den Nordteil des Weimarer Landes wären, dass die Infrastrukturen in Jena besser erreichbar wären und mehr Tagesbesucher aus Jena problemlos die Ausflugsziele und die Kurstadt Bad Sulza erreichen. Die Wirtschaft und Forschung in Stadt Jena hätten durch die Erweiterung des Einzugsgebiets mehr Möglichkeiten, Personal zu gewinnen und die Stadt könnte einen Teil ihres Wohnungsproblems mit freiem Wohnraum im neuen Einzugsgebiet lösen. MDC bei einer Konversionslösung zu unterstützen, ist ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich. Ich werde weiterhin für den Ausbau der Forschungsinstitute in Jena und die Aufstockung des DPMA eintreten. Zuletzt im Text, aber oben auf der Agenda steht, dass unsere heimische Landwirtschaft erhalten und gestärkt werden muss.

Claudia Müller/Bündnis 90/Die Grünen

Betriebswirtin, *10.08.1981 in Rostock
Wahlkreis: Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald/Mecklenburg-Vorpommern
Ausschuss für Verteidigung/ Koordinatorin für maritime Wirtschaft & Tourismus der Bundesregierung
claudia.mueller@bundestag.de MV

Claudia Müller, Foto Arne Jeschal

Welche wirtschaftlichen Stärken und Probleme gibt es in ihrem Wahlkreis?

Mein Wahlkreis Vorpommern- Rügen liegt ganz im Nordosten Deutschlands mit direkter Grenze zu unserem polnischen Nachbarn und hat inklusive die beliebteste Ostseeurlaubsinsel Deutschlands: Rügen. Die Region ist insgesamt sehr touristisch geprägt und hat demzufolge auch mit den Auswirkungen der Einschränkungen durch die Pandemie zu kämpfen. Gerade die Sicherung der Arbeitsfähigkeit im Dienstleistungssektor, insbesondere in den Gaststätten- und Hotelbetrieben bleibt nach den vielen Abwanderungen von Arbeitskräften während der Kurzarbeitszeiten eine Herausforderung. Mit Blick auf naturnahe Angebote und die Kombination mit Gesundheits- und Wellnesstourismus wird sich der Tourismus deutlich nachhaltiger aufstellen (müssen), um auch zukünftig die Tourismusregion Vorpommern erfolgreich konkurrenzfähig zu halten.

Das polnische Westpommern und Vorpommern-Rügen pflegen einen engen wirtschaftlichen und kulturellen Austausch. Die grenzüberschreitende Metropolregion Stettin ist eine strategische Entwicklungsoption für die gesamte Region. Das kann ein Wirtschaftsmotor sein.

In meinem Wahlkreis liegt auch eine der MV-Werften, die von der Insolvenz des Genting Honkong-Konzerns betroffen sind. Für den Werftenstandort Stralsund gibt es allerdings bereits ein Konzept für die Neuaufstellung der maritimen Wirtschaft vor Ort.

Das zeigt unter anderen die Stärke hier im Nordosten. Wir sind erfahrungsstark mit Transformationsprozessen und gleichzeitig der Region sehr verbunden. Die Menschen wollen hierbleiben und versuchen gemeinsam neue Ideen zu etablieren. Diese Kombination ist ein enormes Potential, das wir nutzen können. Es gibt im Nordosten die Chance, den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen und beispielsweise Produktionen für Offshore-Projekte, aber auch andere Zukunftstechnologien zu etablieren.

Für welche wirtschaftlichen und infrastrukturellen Projekte in ihrem Wahlkreis werden Sie sich einsetzen?

Mir liegt die maritime Wirtschaft besonders am Herzen. Ganz wichtig ist das Know-how der Fachkräfte für innovativen und wettbewerbsfähigen Schiffbau zu erhalten, den Spezialschiffbau zu stärken und in Zukunftstechnologien zu investieren. Ich möchte mitwirken daran, die Werftenstandorte in ganz MV, insbesondere auch in Stralsund erhalten zu können. So können die hochqualifizierten Fachkräfte hierbleiben. Wir müssen deshalb darauf achten, dass neben einer guten Gesundheits- und Nahversorgung auch Bildungs- und Kulturangebote vor Ort attraktiv bleiben bzw. den Neustart nach der Pandemie gut bewältigen können. Dies sind inzwischen wichtige Gründe für Menschen sich für oder gegen einen Arbeitsplatz, bzw. Wohnort zu entscheiden.

Gleichzeitig haben sich in der Region viele innovative kleine Firmen und Start-Ups niedergelassen. Diese gilt es zu unterstützen und die Entwicklung der Kleinstädte als Versorgungszentren für den ländlichen Raum zu stabilisieren und auszubauen.

Tourismus ist ein relevanter Wirtschaftsfaktor, derzeit insbesondere an der Küste. Ich möchte dazu beitragen, dass auch naturnahe Konzepte sich etablieren können, wir den Hinterlandtourismus stärken und somit auch die Saison verlängern können.

Dazu benötigen wir aber auch ein gut ausgebautes und nachhaltiges Mobilitätsangebot, damit die Touristen nicht entnervt in langen Staus anreisen müssen. Das schreckt nämlich ab. Die Bahnanbindung von Vorpommern in den Rest der Republik muss im Takt und in der Anschlussfähigkeit an den Fernverkehr verbessert werden.

 

 

 

Im Teil 1 der Serie kamen zu Wort:

Knut Abraham, CDU, Philipp Amthor, CDU, René Bochmann, AFD, Ingo Bodtke, FDP, Dr. Gregor Gysi, Die Linke, Christian Hirte, CDU