Ein Beitrag von Thomas Uppenbrink und Philipp Brück
Hinweis- und Warnpflichten des Steuerberaters
Seit dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) sind Steuerberater verpflichtet, bei offenkundigen Anhaltspunkten für einen Insolvenzantragsgrund, den Mandanten darauf hinzuweisen und vor den Folgen einer Nichtbeachtung zu warnen. Der Gesetzgeber hat diese durch die Rechtsprechung eingeführte Hinweis- und Warnpflicht in § 102 StaRUG aufgenommen.
Verantwortung des Steuerberaters wurde deutlich erweitert
Spätestens jetzt ist klar: Auch der Gesetzgeber versteht den Steuerberater als einen Experten, und zwar nicht nur in Steuersachen, sondern auch in Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Lage des Mandanten. Schon zuvor haben viele Mandanten die Rolle Ihres Steuerberaters genauso wahrgenommen und ihn bei allen möglichen unternehmerischen Entscheidungen um Rat gefragt. So wird der Steuerberater gerade für insolvenzgefährdete Unternehmen die erste Anlaufstelle zur Frage: „Was nun?“.
Personal ist in der Regel eine der größten Kostenpositionen
Nicht erst seit der Einführung des Mindestlohns ist in vielen Betrieben das Personal der teuerste Faktor, und zugleich auch derjenige Faktor, der am wenigsten kontrolliert werden kann. Die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hängt oft von der Tagesform ab. Ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt anwesend sind, hängt nicht nur mit den Arbeitszeiten, sondern auch mit Freizeitausgleichszeiten, Gleitzeiten, Urlaubszeiten und natürlich Krankheit zusammen.
Personalstand ist häufig zu hoch
Viele Unternehmer neigen deshalb dazu, ihren Personalapparat auszubauen, um auch dann, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausfallen, ihre Produktion oder Dienstleistung aufrechterhalten zu können. Deshalb erscheint es dann oft naheliegend, gerade in Krisenzeiten den Personalapparat genau unter die Lupe zu nehmen und so schnell und so ausgiebig wie möglich zu verschlanken. Doch gerade in Krisenzeiten lauern hier für Unternehmer und Arbeitgeber Unwägbarkeiten, die schlimmstenfalls teurer ausfallen können, als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu beschäftigen.
Keine Sonderrechte in der Unternehmenskrise!
Um sofort mit einem Mythos aufzuräumen: Allein die Tatsache, dass sich ein Unternehmen in einer Krise befindet, gesteht diesem Unternehmen arbeitsrechtlich keine Sonderrechte zu! Lediglich in einem eröffneten Insolvenzverfahren gibt es solche Sonderrechte, wie z.B. im § 113 InsO (Verkürzung der Kündigungsfrist bei Dienstverhältnissen) oder in §§ 120 ff. InsO (Kündigung von Betriebsvereinbarungen, Änderungen der Vorgehensweise bei Betriebsänderungen, Sozialplan und Interessenausgleich) verankert. Die bloße Krise eines Unternehmens ohne ein förmliches Insolvenzverfahren begründet diese Ausnahmetatbestände jedoch nicht.
Der Unternehmer, der Personalkosten einsparen möchte und deshalb Kündigungen ausspricht, ist also an die gleiche Vorgehensweise gebunden, die auch ohne die Unternehmenskrise für ihn verpflichtend wäre.
Voraussetzung einer ordentlichen Kündigung
Für eine ordentliche Kündigung eines Arbeitsvertrages braucht es grundsätzlich einen Kündigungsgrund, die Beachtung der Kündigungsfrist und die Abwägung, ob nicht ein milderes Mittel ebenfalls zum Ziel führen würde. Eine Ausnahme bilden hier Kleinbetriebe, die regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigen, denn hier sind weite Teile des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) nicht anwendbar. Doch auch in Kleinbetrieben ist es ratsam, die Kündigung gut und schlüssig begründen zu können. Denn die Arbeitsgerichte können durchaus überprüfen, ob bei der Kündigung ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme beachtet wurde; auch im Kleinbetrieb dürfen Kündigungen nicht grundlos und willkürlich ausgesprochen werden. Gerade in der Krise ist es aber wichtig, dass ausgesprochene Kündigungen auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.
Kündigungsgrund in der Krise
Der Unternehmer muss also zunächst einmal einen Kündigungsgrund ausmachen. Die Krise des Unternehmens ist explizit kein Kündigungsgrund, denn das Risiko des Unternehmenserfolgs darf nur der Unternehmer tragen und nicht der Mitarbeiter. Deshalb ist hier eine tiefere Analyse gefragt: wo liegen die Ursachen für die Krise? Ist beispielsweise die Unternehmenskrise durch einen Umsatzeinbruch hervorgerufen worden, der wiederum darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt nicht mehr abgesetzt werden konnte, so liegt der Grund für die Kündigung nicht etwa in dem ausgebliebenen Umsatz, sondern darin, dass in Zukunft weniger produziert werden muss, weil abzusehen ist, dass weniger abgesetzt werden wird. Anders ausgedrückt: Der Kündigungsgrund ist das im Umfeld des Arbeitnehmers, also in der Produktion und Verwaltung, stattfindende Spiegelbild der Unternehmenskrise. Er ist deshalb auch immer arbeitsplatzbezogen.
Die „Unternehmerentscheidung“ als Grundlage personalwirtschaftlicher Maßnahmen
Für den Unternehmer sind es also in einer solchen Situation immer (dringende) betriebliche Gründe, die den Anlass der Kündigung bilden. Nach der Analyse der Krisenursachen folgt nun die sogenannte und leider oft unterschätzte „Unternehmerentscheidung“: Der Unternehmer braucht eine Entscheidung, wie er das Unternehmen wieder aus der Krise herausführen will, als Basis für die anstehenden Personalmaßnahmen. Diese Entscheidung muss sich auch nach außen manifestieren. So muss der Unternehmer erkennbar zumindest damit beginnen, einen zuvor ausgearbeiteten Plan umzusetzen. Ob diese Entscheidung richtig ist oder falsch oder ob sie für das Unternehmen wirtschaftlich günstig oder ungünstig ist, ist erst einmal nicht von Bedeutung und kann auch später arbeitsgerichtlich nicht überprüft werden. Wichtig ist, dass die Entscheidung dokumentiert wurde und zumindest ansatzweise nach außen sichtbar wird. So kann beispielsweise im Protokoll einer Gesellschafterversammlung festgehalten werden, dass der Geschäftsführer den Gesellschaftern diverse Maßnahmen vorgeschlagen hat und die Gesellschafter den Geschäftsführer mit der Durchführung dieser Maßnahmen beauftragt haben. Oder die Gesellschaft kann einen Sanierungsspezialisten mit der Aufgabe betreuen, das Unternehmen wieder in wirtschaftlich gesunde Bahnen zu lenken.
Wie bereits oben erwähnt sind die Voraussetzungen in Kleinbetrieben andere. Doch auch hier gilt: Willkürlich erscheinende Kündigungen können durch die Arbeitsgerichte abgewiesen werden. Deshalb ist es auch in Kleinbetrieben dringend angeraten, die unternehmerische Entscheidung ausführlich zu dokumentieren.
Steuerberater kann Hilfestellung zu Dokumentationszwecken leisten
Auch hier kann der Steuerberater helfen, beispielsweise indem er kurze Protokolle über die Gespräche erstellt, die er mit seinem Mandanten zur Bewältigung der Unternehmenskrise führt. So kann der Steuerberater gegebenenfalls später als Zeuge dafür zur Verfügung stehen, dass schon vor dem Ausspruch der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung getroffen und mit der Umsetzung dieser Entscheidung begonnen wurde.
Unterschätze Risiken und Konsequenzen
In der Krise des Unternehmens wird dieser Faktor oft unterschätzt, weil hier unternehmerische Entscheidungen ein vermeintliches „Sowieso“ des Krisenmanagements sind. Wenn ein gekündigter Arbeitnehmer jedoch Kündigungsschutzklage erhebt, muss der Arbeitgeber in der Lage sein, nicht nur die unternehmerische Entscheidung schlüssig und ausführlich darzulegen und auch zu beweisen, sondern er muss auch zeigen können, dass diese Entscheidung arbeitsplatzbezogen war und sich genau auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirkte und so die Grundlage für die ausgesprochene Kündigung bildete. Ein Arbeitsgericht wird dann nur überprüfen, ob diese Entscheidung gegen zwingendes Recht verstieß oder offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war. Mithilfe einer guten Dokumentation wird der Unternehmer diese Punkte schnell abhandeln können, sodass die von ihm getroffene Entscheidung die Basis für die Kündigung bietet. Selbstredend muss die Kündigung auch den sonstigen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen entsprechen, insbesondere muss die Frist gewahrt sein und die richtige Form der Kündigung eingehalten werden sowie gegebenenfalls die Sozialauswahl korrekt durchgeführt worden sein.
Unzureichend vorbereitete Maßnahmen werden zum Bumerang!
Für den Unternehmer kann es teuer werden, wenn sich Kündigungen schon aufgrund einer fehlenden unternehmerischen Entscheidung als unwirksam herausstellen. Typischerweise wird er den Arbeitnehmer spätestens nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr weiter beschäftigen und bezahlen, ebenso typischerweise laufen Kündigungsschutzprozesses länger als die Kündigungsfrist; wenn sich dann die Kündigung als unwirksam erweist, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wieder beschäftigen und schuldet ihm für die Zwischenzeit den noch nicht gezahlten Lohn unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. So kann sich die ausgesprochene Kündigung, die eigentlich zur Beseitigung der Unternehmenskrise beitragen sollte, schnell als Bumerang erweisen.
Fazit
Trotz der beschriebenen Risiken können unternehmerische Entscheidungen im arbeitsrechtlichen Bereich ein wichtiger Bestandteil einer Sanierung eines in der Krise befindlichen Unternehmens sein. Es ist allerdings von essentieller Bedeutung, dass dieser Bereich von einem auf Sanierung spezialisierten und arbeitsrechtlichen Experten vorab geprüft und begleitet wird, um letztlich eine positive Auswirkung auf den unternehmerischen Erfolg zu garantieren.
Die Autoren
Thomas Uppenbrink:
Thomas Uppenbrink ist Geschäftsführender Gesellschafter der Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH, Inhaber der Autax Consilium – Weiterbildung und Qualifizierung für StB. / WP / vereid. BP, geschäftsführender Gesellschafter der Solventum GmbH sowie geschäftsführender Gesellschafter der Pro Economica Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH.
Philipp Brück:
Philipp Brück ist seit 2019 Kooperationspartner der Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Insolvenzrecht, Anfechtungsrecht, Geschäftsführerhaftung und Unternehmenssanierung