Was ist eine „unerlaubte Handlung“? Unerlaubte Handlungen im Sinne der §§ 823 BGB und 302 InsO stellen für Gewerbetreibende und Geschäftsführer häufig unterschätzte Risiken für ihre private Haftung und damit auch für ihr Privatvermögen dar.
Unerlaubte Handlungen sind per Definition vorsätzliche oder fahrlässige Verletzungen des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit, des Eigentums oder eines sonstigen Rechts eines anderen und verpflichten den Schädiger zum Schadensersatz (vgl. § 823 BGB) und können im Szenario eines Insolvenzverfahrens darüber hinaus eine spätere Restschuldbefreiung des Inhabers und unter Umständen auch des Geschäftsführers einer GmbH gefährden, sollte dieser aus Pflichtverletzungen in Anspruch genommen werden und den Schaden nicht begleichen können (vgl. §§ 300 ff. InsO). Ein Beitrag von Thomas Uppenbrink und Björn Herzog.
Speziell die Tatbestände des Eingehungsbetruges und der Veruntreuung spielen im Geschäftsleben dabei eine sehr bedeutsame Rolle.
Insolvenzrechtliche Würdigung
Im Falle einer eintretenden Insolvenz können Gläubiger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Jeder Gläubiger hat dabei die Möglichkeit, bei der Forderungsanmeldung auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung hinzuweisen (vgl. § 174 Abs. 2 InsO).
Gläubiger muss unerlaubte Handlung darlegen
Der Gläubiger muss weiter darlegen, warum er Forderungen aus unerlaubter Handlung geltend macht. Die Folge aus der Anmeldung einer Forderung aus unerlaubter Handlung kann für den Gewerbetreibenden oder den Geschäftsführer verheerend sein, denn sie verpflichten den Schädiger zum Ersatz des entstandenen Schadens aus seinem Privatvermögen.
Die potentielle Gefahr liegt hier nun für den Verantwortlichen des Geschäftsbetriebes darin, dass unter bestimmten Umständen auch an dieser Stelle bereits ein fahrlässiges Verhalten durch diesen ausreicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.
Praktische Bedeutung
Beispiel: Ein Unternehmen befindet sich in Zahlungsschwierigkeiten. Der Inhaber oder Geschäftsführer stellt fest, dass eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Er wartet jedoch zu, in der Hoffnung, dass sich die Situation wieder entspannt. Seine Mitarbeiter besitzen keine Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit, bestellen weiterhin für den Geschäftsbetrieb notwendige Ware und vereinbaren mit den Lieferanten, welche die Ware ordnungsgemäß liefern, Zahlungen auf Ziel. Die Situation des Unternehmens bessert sich jedoch nicht, sodass eine kurzfristige Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Unternehmensvermögen die Folge ist. Die Lieferanten erhalten keine Zahlung
mehr für ihre Lieferungen. Der Inhaber bzw. Geschäftsführer kann sich hier dem Vorwurf eines Eingehungsbetrugs ausgesetzt sehen, da er einerseits von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens wusste, andererseits seine Mitarbeiter nicht informierte und diese ihren Dienst weiter ohne notwendige Einschränkungen verrichteten. Dies kann in begründeter Darstellung einen zumindest fahrlässigen Eingehungsbetrug darstellen und damit eine Haftung des Geschäftsverantwortlichen auslösen.
Restschuldbefreiung steht auf dem Spiel
Gemäß § 302 InsO sind „Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, […] oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist […]“, von der Restschuldbefreiung ausgenommen.
Solchen Forderungen können sich der Inhaber und auch der Geschäftsführer einer GmbH also nicht über eine spätere Restschuldbefreiung entledigen. Es bleibt festzuhalten, dass Forderungen aus unerlaubter Handlung allerdings erst dann auch als solche gewürdigt
werden, wenn Gläubiger dies entsprechend bei der Forderungsanmeldung begründet darlegen können. Für den Geschäftsverantwortlichen bleibt also in einem solchen Fall lediglich die Hoffnung, dass die Gläubiger es „versäumen“, auf eine Forderung aus unerlaubter Handlung hinzuweisen. Dies stellt jedoch auf keinen Fall einen
ratsamen Weg dar! Weiter muss wie oben dargestellt der Geschäftsverantwortliche den Eingehungsbetrug nicht einmal eigenständig durchführen – eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten kann hierfür schon ausreichen. Forderungen aus unerlaubter Handlung können für den Gewerbetreibenden und ggfs. auch für den Geschäftsführer
den privaten finanziellen Ruin bedeuten.
Insolvenzplan kann Abhilfe schaffen
Eine Möglichkeit (natürlich neben der vollständigen Zahlung an die Gläubiger), sich den Forderungen aus unerlaubter Handlung zu entledigen besteht jedoch: der Insolvenzplan. In einem Insolvenzplan kann geregelt werden, dass dem Schuldner nach Erfüllung der sich aus dem Insolvenzplan ergebenden Pflichten, sämtliche darüberhinausgehende Forderungen erlassen werden. Dies inkludiert die Forderungen aus unerlaubter Handlung jedoch nur, wenn dies explizit im Insolvenzplan dargestellt wird (vgl. Beschluss des BGH vom 17.12.2009 – IX ZR 32/08).
Fazit
Die beste Möglichkeit im Umgang mit Forderungen aus unerlaubter Handlung ist jedoch, diese erst gar nicht entstehen zu lassen. Wir raten an dieser Stelle dringend zur Einführung von Krisenfrüherkennungssystemen und zu regelmäßigem Austausch mit sach- und fachkompetenten Beratern aus den Bereichen Sanierung und Insolvenz.
Schon bei ersten Krisenanzeichen sollte fachkompetente Beratung in Anspruch genommen werden, um Haftungstatbestände und daraus resultierende Konsequenzen zu vermeiden.
Die Autoren
Thomas Uppenbrink ist Geschäftsführender Gesellschafter der Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH, Inhaber der Autax Consilium – Weiterbildung und Qualifizierung für StB. / WP / vereid. BP, geschäftsführender Gesellschafter der Solventum GmbH sowie geschäftsführender Gesellschafter der Pro Economica Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH.
Björn Herzog ist seit 2019 als Partner für die THOMAS UPPENBRINK & COLLEGEN GmbH tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Bilanzbuchhaltung, Controlling und Sanierungsmanagement.