Wirtschaft und Markt

W+M-Serie Internationale Märkte: Wachstumsmarkt Usbekistan – Reformprogramm zeigt Wirkung

Usbekistan. Foto: AdobeStock

W+M startet mit diesem Beitrag eine neue Serie unter dem Titel Internationale Märkte. Hier kommen Länderexperten von Germany Trade and Invest GTAI zu Wort, die mit ihrer Expertise Impulse für einen stärkeren internationalen Austausch setzen wollen. Der Auftaktbeitrag von Dr. Uwe Strohbach widmet sich Usbekistan.

Usbekistans Präsident Schawkat Mirsijojew leitete mit seinem Amtsantritt im Jahre 2016 eine umfassende wirtschaftspolitische Transformation ein. Fünf Jahre danach erstrahlt das zentralasiatische Land im neuen Glanz. Gut zwei Jahrzehnte hatte es unter einem massiven Reformstau gelitten. Ein „Zurück zu alten Zeiten“ ist heute nicht mehr vorstellbar.

Ambitionierter Reformkurs lockt Investoren an

Die Gründe für die Renaissance Usbekistans als attraktiver Standort für Investitionen und Handel liegen auf der Hand: eine beispiellose Reform- und Liberalisierungswelle sowie die Wiederbelebung von Handel und Kooperation mit den Nachbarstaaten. Immer mehr ausländischen Firmen strömen auf den mit 35 Millionen Einwohnern größten Verbrauchermarkt Zentralasiens.

Die Anzahl der aktiven Firmen mit einer ausländischen Beteiligung ist emporgeschnellt: von rund 5.000 zu Beginn des Jahres 2017 auf 13.300 bis Anfang 2022. Jedes dritte Unternehmen engagiert sich in der Industrie. Deutsches Kapital ist an mehr als 200 Firmen gänzlich oder teilweise beteiligt.

Zweitwichtigster Absatzmarkt in Zentralasien

Die Warenimporte Usbekistans betrugen in den letzten vier Jahren jährlich im Schnitt 21 Milliarden US-Dollar (US$). Im Jahr 2021 summierten sie sich auf 23,7 Milliarden US$. Noch in den vier Vorjahren waren es weniger als 12 Milliarden US$. Usbekistan ist nach Kasachstan der zweitbedeutendste Absatzmarkt Deutschlands in Zentralasien. Die jährlichen deutschen Exporte in das Land an der Seidenstraße verdoppelten sich in den Jahren 2016 bis 2019 von 435 Millionen Euro auf 876 Millionen Euro. Zwar ließ die Coronapandemie die Ausfuhren 2020 und 2021 temporär auf jeweils etwa 600 Millionen Euro einbrechen. Ab 2022 dürften sie jedoch wieder anziehen.

Hohe Investitionsneigung

Die Importbelebung spiegelt die hohe Investitionsneigung der Wirtschaft wider. Vor allem die Nachfrage nach Maschinen, Ausrüstungen und Transportmitteln zeigt stark nach oben. Usbekistans Bruttokapitalanlagen legten 2017 bis 2021 jährlich im Schnitt um real 17,6 Prozent zu. Prognosen für 2025 sagen ein Volumen von 34 Milliarden US$ voraus, ein Plus von 10 Milliarden US$ gegenüber 2021. Deutsches Kapital stand in den Jahren 2020 und 2021 für ein Sechstel bis ein Siebentel des Kapitalzuflusses aus dem Ausland.

Projekte im Umfang von 140 Milliarden US$ bis 2026

Neue Branchen- und regionale Entwicklungsprogramme bergen Lieferpotenzial. Geschäftschancen bieten hierbei Maschinen, Ausrüstungen, Komplettierungsteile, Baustoffe und Zwischenprodukte. Diese Programme und die weiteren privaten und öffentlichen Modernisierungs- und Ausbauvorhaben summieren sich im Zeitraum 2022 bis 2026 auf über 140 Milliarden US$, so die Kalkulation der usbekischen Regierung. Dabei rechnet sie mit einem Zufluss ausländischer Investitionen und Kredite von etwa 70 Milliarden US$.

Lohnende Geschäftschancen in vielen Branchen

Allein in die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Elektrizität sollen 2022 bis 2026 fast 19 Milliarden US$ fließen. Fokus wird dabei auf grünen Strom gelegt. Es folgen der Erzbergbau und das Hüttenwesen mit 7,5 Milliarden US$ sowie die Öl- und Gaswirtschaft mit 4,0 Milliarden US$.

Liefer- und Kooperationspotenzial bieten Vorhaben in den Produktgruppen Chemieerzeugnisse (Projektwert: gut 3 Milliarden US$), Textilien/Bekleidung und Baustoffe (jeweils mehr als 2 Milliarden US$), Transportmittel, Elektroerzeugnisse, Lederwaren sowie Lebensmittel/Getränke (jeweils 0,5 Milliarden US$ bis 0,7 Milliarden US$).

Nicht minder interessant sind die Geschäftschancen beim Aus- und Aufbau von Agrarclustern in den Sparten Obst/Gemüse und tierische Erzeugung sowie in den Wachstumsbranchen Wohnungsbau und Logistik. Bei den geplanten Projekten in der Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Gesundheitswirtschaft setzt das Land mehr denn je auf öffentlich-private Partnerschaften.

BIP Wachstum auf über 100 Milliarden US$ bis 2026 angepeilt

Die neuen Reformen und Ausbauprogramme in allen Wirtschaftssektoren haben ein zentrales Ziel: Das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll bis 2026 auf mehr als 100 Milliarden US$ anwachsen (2021: 69,1 Milliarden US$). Parallel dazu wird ein BIP pro Einwohner von 2.700 US$ angestrebt (2021: 1.980 US$).

Usbekistans BIP pro Einwohner rangiert gegenüber den meisten GUS-Republiken noch deutlich unterdurchschnittlich. Doch der Aufholprozess ist gestartet. Einem realen Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent im Jahr 2021 dürften weitere Jahreszuwächse von jeweils mindestens 6 Prozent folgen.

Reformprozess geht weiter

Usbekistan wird als Wirtschaftsstandort weiter an Attraktivität gewinnen. Dafür spricht der starke Reformwille der Regierung. Ihr Ziel ist ein markwirtschaftlich ausgerichtetes Wirtschaftssystem. Lösungsorientiert geht sie offene Fragen der Reformagenda an und kooperiert forciert mit dem Ausland.

Viele Hürden sind noch zu meistern

Optimismus ist durchaus angesagt, dass sich Usbekistans als Partner für Handel, Investitionen und Kooperation weiter profilieren wird. Übertriebene Euphorie ist aber fehl am Platz. Der staatlich gelenkte und kontrollierte Liberalisierungsprozess ist noch nicht mit einer freien Marktwirtschaft im europäischen Sinne zu vergleichen.

Zu den Besonderheiten des usbekischen Reformmodells zählen:

  • die noch in den Anfängen steckende Restrukturierung von Staatsunternehmen und wichtigen Wirtschaftszweigen,
  • die starke staatliche Einflussnahme auf die Wirtschaft,
  • die unerlässliche Einbindung zentraler und lokaler Behörden in neue Projekte,
  • die notwendige Kooperation mit Staatsbetrieben, die in der Zulieferindustrie oft noch dominieren und
  • der weiterhin hohe Nachholbedarf für eine unabhängige Rechtsprechung und für abgebaute Schattenwirtschaft, Bürokratie, oligarchische Strukturen und Korruption.

Die überfällige Restrukturierung der oft unrentablen und schlecht gemanagten Staatsbetriebe ist eine wesentliche Ursache für die geringe Leistungskraft der usbekischen Wirtschaft.

Der Autor: Dr. Uwe Strohbach, Regionalmanager Zentralasien & Südkaukasus, Germany Trade & Invest

Dr. Uwe Strohbach. Foto GTAI

 

 

 

 

 

 

 

 

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