Wirtschaft und Markt

Zinsen, Freiheit und die nächste Krise

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Zinsen, Freiheit und die nächste Krise. Gedanken von Prof. Dr. Florian Stapper

Sparen ist schwierig,

weil der Sparer dafür verdientes, versteuertes und nicht ausgegebenes Geld einsetzen muss. Sparen vergrößert die wirtschaftliche Handlungsfreiheit in der Zukunft, denn wer spart, kann mit dem Ersparten ein Haus oder eine Wohnung kaufen und so die Freiheit von einem Vermieter erwerben, kann in seine Bildung oder die der Kinder investieren und sich oder den Kindern so eine bessere Bezahlung und damit einen größeren wirtschaftlichen Spielraum ermöglichen oder andere Dinge erwerben oder tun, die als Freiheit empfunden werden. Dazu gehört durchaus auch ein Auto oder eine Reise. Sparen macht frei. Grundsätzlich belohnt das System den Sparer, weil er für seine Sparsamkeit Zinsen bekommt. Wer viel spart, wird in normalen Zeiten mit vielen Zinsen vergütet. Das erhöht die Freiheit. Die Bank investiert das Geld der Sparer und – weil sie das meist besser kann als der Sparer – leistet damit zusammen mit dem Sparer einen Beitrag für eine gesunde Volkswirtschaft.

Ist der Zins abgeschafft oder sogar negativ, wird der Sparer bestraft.

Er wird also versuchen, das Sparen zu vermeiden, indem er das Geld entweder ausgibt oder in Wertanlagen investiert, die noch eine Verzinsung versprechen. Das sind häufig fremdvermietete Immobilien oder Aktien. Da die meisten Sparer keine Experten in der Kapitalanlage sind und es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Schieflagen bis zur Insolvenz im Kapitalmarkt gegeben hat, sind viele – völlig zu Recht – skeptisch und nehmen entweder zähneknirschend in Kauf, dass sich das schon versteuerte Geld durch Negativzinsen vermindert und durch Inflation an Wert verliert oder stellen das Sparen zu Gunsten des Konsums ein. Wer investiert, ohne Experte in der Kapitalanlage zu sein, trägt ein Risiko bis hin zur Insolvenz. Volkswirtschaftlich ist das wenig sinnvoll, weil der Staat dem Sparer so die wirtschaftliche Freiheit in der Zukunft beschneidet, einen Anreiz für die Bildung von Rücklagen vermindert und dem ehemaligen Sparer Risiken aufbürdet, die der Staat bei seiner Insolvenz wieder auffangen muss. Die nachhaltige Nullzinspolitik greift so auch in die Freiheit ein, verhindert die Bildung von Rücklagen und vergrößert wirtschaftliche Risiken beim Sparer, die sich in einem geringeren Lebensstandard, notfalls auch in der Insolvenz zeigen.

Für die Finanzierung der Staatsschulden, insbesondere der südeuropäischen Länder, ist der faktisch abgeschaffte Zins ein Glücksfall, der den Staatsbankrott verhindert und das Überleben sichert. So hat z. B. Griechenland seine Verschuldung in 40 Jahren (von 1980 bis 2020) von 1,6 Mrd. Euro auf 374 Mrd. Euro – Tendenz nach wie vor steigend – erhöht. Das ist etwa 210 % des Bruttoinlandsproduktes, wobei bis zu 100 % als wirtschaftlich noch tragbar gelten und das Recht der Europäischen Union nur 60 % zulässt. In Italien sind es über 150 % und in Frankreich mehr als 110 %. Ein 5%iger Zins auf die griechische Schuld, der bei normalen Verhältnissen mindestens zu bezahlen wäre, macht allein 18,7 Mrd. Euro pro Jahr aus, ohne dass auch nur ein Cent getilgt wird. Der – steigende – Zinsaufwand würde rd. 10 % des griechischen BIP beanspruchen. Ist der Zins nahe Null, entfällt der Betrag oder ist deutlich geringer. Dass dieser Effekt die Politik veranlasst, die Schulden noch weiter zu erhöhen, ist leider die Kehrseite der Medaille.

Steigt die Inflation,

wird das durch die Zentralbanken mit Zinserhöhungen bekämpft. Aktuell steigt die Inflation auch. Wahrscheinlich ist der Trend aber nur vorübergehend infolge coronabedingter Verknappungen. Insofern zögern die Notenbanken mit Zinserhöhungen, haben aber damit begonnen, milliardenschwere Käufe von Anleihen zu reduzieren. Stellt sich die Inflation als nachhaltig heraus, werden Zinserhöhungen unvermeidbar sein. Dann wird sich Sparen wieder lohnen und die Politik wird Mittel und Wege finden müssen, um die Kosten der Staatsverschuldung im Zaum zu halten, am besten durch Ausgabendisziplin. Da das die Chancen der politischen Wiederwahl gefährden dürfte, wird das nur sehr schwer umzusetzen sein. Man wird also versuchen, den Zins – um jeden Preis – so lange wie möglich gering zu halten. Dass damit der Sparer entmündigt und um einen Teil seiner Freiheit gebracht wird, nimmt die Politik bewusst in Kauf und treibt die Staatsverschuldung weiter voran. Das nährt dann die nächste Krise nach der Coronakrise.

Hoffentlich ist die dazwischen liegende Zeit so lang, dass Wirtschaft und Staat wieder Kraft tanken und Geld erwirtschaften können, um die Krise nach der Coronakrise zu bekämpfen.

 

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.

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