Wirtschaft und Markt

Wirtschaftskammern aus Cottbus und Dresden zum Kohleausstieg 2030: Versorgungssicherheit muss im Mittelpunkt stehen

Foto: Hans Benn auf Pixabay

Cottbus, Dresden, 25.11.2021. Mit dem im Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP formulierten Idealziel Kohleausstieg 2030 kündigt die künftige Bundesregierung den hart errungenen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss zum Strukturwandel auf und erschwert die Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen. Neben den enormen Herausforderungen, welche die Energiewende mit sich bringt, stellt sich die Frage, wie die künftige Regierung das Vertrauen der Lausitzer Wirtschaft zurückerlangen will und mit welchen konkreten Maßnahmen Risiken abgefedert werden sollen. Die wirtschaftliche und zuverlässige Stromversorgung des Industriestandortes Deutschland hat neben der Strukturentwicklung in den betroffenen Regionen höchste Priorität!

Strukturentwicklung im Schnelldurchlauf

Den Erfolg einer ökonomischen, ökologischen und sozialen Transformation in der brandenburgisch-sächsischen Lausitz sehen die Industrie- und Handelskammern Cottbus und Dresden sowie Handwerkskammern Cottbus und Dresden durch den Koalitionsvertrag gefährdet. Der Aus- und Aufbau von Infrastruktur und alternativen Wirtschaftsstrukturen, mit dem Ziel wegfallende Arbeitsplätze in der Kohle durch hochwertige Industriearbeitsplätze zu ersetzen, braucht Zeit. Die bisherige Planung, Qualifizierung und Umsetzung der ausgleichenden Strukturentwicklungsprojekte zeigt bereits, wie aufwendig und langwierig die Prozesse sind. EU, Bund und Land müssen nun in den Turbo-Gang schalten und dafür sorgen, dass zugesagte Ausgleichsmaßnahmen und Fördermittel für Unternehmen noch früher auf den Weg gebracht werden.

Forderungen der Kammern an die Politik:

  1. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ohne „GreenWashing“, die Klimaschutz und Versorgungssicherheit unter einen Hut bringt.
  2. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und notwendigen Energieinfrastruktur muss die Grundlage für einen vorzeitigen Kohleausstieg 2030 sein. Dafür braucht es schnelle Genehmigungsverfahren.
  3. Den beschleunigten Infrastrukturausbau in den Bereichen Schiene, Straße und Breitband sehen die Unternehmen als dringendste Maßnahme an, um die Standortattraktivität in der Lausitz zu erhöhen. Bei Planung, Genehmigung und Bau braucht es jetzt doppelte Geschwindigkeit!
  4. Die von der Bundesregierung zugesagten Strukturmittel müssen deutlich früher zur Verfügung gestellt werden als bisher geplant, damit der Strukturwandel zum Kohleausstiegszeitpunkt gelingen kann. Es braucht eine Kompensation der Beschäftigung und der Wertschöpfung in der Region. Das muss die neue Regierung sicherstellen!
  5. Die betroffenen Unternehmen brauchen einen schnellen und unbürokratischen Zugang zu Mitteln der direkten Unternehmensunterstützung, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln.

Dr. Andreas Sperl, Präsident der IHK Dresden: „Die Reviere haben sich auf die erst 2019 von einer unabhängigen und anerkannt kompetenten Kommission gefundene Zusage auf 2038 verlassen. Solche erratischen Kurswechsel – wie sie die neue Bundesregierung jetzt hinlegt – führen nicht nur die Arbeit von Kommissionen und bisherige Kompromissfindungen ad absurdum, sie stellen einen massiven Vertrauensbruch gegenüber den Menschen und den betroffenen Regionen dar.“

Jens Warnken, Präsident der IHK Cottbus: „Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise bei steigendem Energiebedarf zu sichern, ist eine enorme Herausforderung. Die zur Überbrückung geplanten wasserstofffähigen Gaskraftwerke bergen für die Region  Chancen und müssen in jedem Fall an den Kohlekraftwerksstandorten errichtet werden, um die hier rund 16.000 wegfallenden direkten und indirekten Industriearbeitsplätze zu ersetzen. Insgesamt betrachtet braucht es mit dem neuen Fahrplan jetzt doppelt so viel Tempo aber auch mehr Geld und Ressourcen bei der Strukturentwicklung, um Planungs- und Genehmigungsprozesse immens zu beschleunigen und neue Wertschöpfung in die Region zu bringen. Unfertige Infrastrukturprojekte dürfen nicht der Preis für einen vorgezogenen Kohleausstieg sein.“

Peter Dreißig, Präsident der Handwerkskammer Cottbus: „Der Strukturwandel trifft vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen. Diese müssen viel stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Ein wesentlicher Punkt ist die Sicherstellung der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für das Handwerk. Ein anderer Punkt ist die Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Unsere Betriebe sind bereit, in neue Bereiche zu investieren. Dafür brauchen sie aber finanzielle Unterstützung. Wir benötigen über den JTF-Fonds hinaus mehr Geld für gezielte Unternehmensförderungen. Und zwar schnell. Das moderne Bahnwerk, die Universitätsmedizin, Rock Tech Lithium und die neuen Forschungseinrichtungen, die sich in Cottbus und Umgebung angesiedelt haben bzw. ansiedeln wollen, sind wichtige Vorhaben. Bis diese ihre volle Wertschöpfung entfalten, dauert es viele Jahre. Deshalb muss die Politik jetzt den Turbo einschalten.“

Dr. Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden: „Wir brauchen bezahlbare Energien für die regionalen Handwerksbetriebe, um Existenzen zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Unternehmen in den Nachbarländern zu sichern.“

 

 

 

 

 

 

 

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