Dienstag, April 23, 2024

W+M-Serie: Wirtschaftsförderung in Sachsen

Während der Coronakrise war auch die Wirtschaftsförderung  besonderen Belastungen ausgesetzt. Grund genug für W+M, bei den Wirtschaftsförderungsgesellschaften der Länder nachzufragen.
Im Teil 3 der W+M-Serie antwortet Thomas Horn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS).

W+M: Wie fällt die Bilanz der Wirtschaftsförderung in Sachsen der letzten Jahre aus? Was waren die größten Ansiedlungserfolge?

Thomas Horn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Sachsen. Foto: WFS

Thomas Horn: Wir hatten in den vergangenen Jahren ein sehr konstantes Ansiedlungsgeschäft und konnten zahlreiche Investoren bei der erfolgreichen Ansiedlung unterstützen und begleiten. Insofern kann die WFS insgesamt eine positive Bilanz ziehen.
Zu den größten Erfolgen gehörten in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre aus dem Automobilbereich BMW und Porsche in Leipzig sowie als eine der ersten japanischen Investitionen: TDDK in Bernsdorf als Tochterunternehmen von Toyota und Denso. In Dresden waren es für die Mikroelektronik die Siemens-Chipfabrik (heute Infineon) und AMD (heute Globalfoundries) und im Logistikbereich DHL. Zuletzt waren wir bei der Ansiedlung von Bosch und Vodafone in Dresden sowie Beiersdorf in Leipzig erfolgreich. Genauso wichtig ist uns aber natürlich auch die Gewinnung mittelständischer Investoren, wie z.B. Siltronic in Freiberg, Eberspächer in Wilsdruff, Borbet in Kodersdorf, Linamar in Crimmitschau und Allgaier in Oelsnitz.

Foto: DHL

W+M: Wie haben fast zwei Jahre Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?

Thomas Horn: Durch Corona hatten wir eine schwierigere Lage, was die Akquirierung neuer Projekte angeht, da Auslandsreisen kaum möglich waren und auch internationale Messen im letzten Jahr nicht stattgefunden haben. In dieser Situation war und ist es auch weiterhin schwierig, entsprechende Projekte zur Entscheidungsreife zu bringen. Die Unternehmen und Investoren zögern wegen der ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung.
Für uns als WFS bestand in dieser Zeit die Herausforderung vor allem darin, Kontakte nicht abreißen zu lassen und ausgefallene Präsenzformate und Reisebeschränkungen zu kompensieren. Mit dem schnellen Umstieg auf neue virtuelle Kontakt- und Gesprächsformate, wie bspw. der virtuellen Unternehmerreise, konnten wir unsere Aktivitäten auf einem hohen Niveau halten.

W+M: Welche Schwerpunkte setzt sich die sächsische Wirtschaftsförderung in ihrer gegenwärtigen und künftigen Arbeit?

Thomas Horn: Der Wandel auf den Märkten und in den Branchen wird sich in unserer Arbeit widerspiegeln. Wir gehen davon aus, dass es Veränderungen speziell in „fernen Märkten“ geben wird. Gerade in den wichtigsten Exportmärkten China und USA drohen Marktanteile für ausländische Unternehmen verloren zu gehen, weil Grenzen weiterhin geschlossen sind oder Quarantäneregeln das Reisen erschweren. Damit fällt es deutlich schwerer, bestehende Kundenbeziehungen zu pflegen oder neue aufzubauen. Gleichzeitig wird es aus unserer Sicht einen weiteren Ausbau in nahen Märkten, insbesondere in den Nachbarstaaten, geben. Gerade Polen und Tschechien sind klassische Beispiele dafür, wobei wir bei unseren Nachbarn auch vom Austausch und deren Sichtweisen auf aktuelle Branchen- und Technologiethemen profitieren.
Hinzu kommt der Strukturwandel und damit ein verschärfter Transformationsdruck für wichtige Kernbranchen, was vor allem die Automobilindustrie in Sachsen und damit unser Hauptexportprodukt betrifft. Diese Entwicklung schlägt sich auch in einer Veränderung der Zielmärkte nieder. So sind E-Autos jetzt besonders in europäischen Märkten, wie Norwegen, den Niederlanden, Großbritannien oder Schweden gefragt. Dagegen finden die derzeitigen Verbrennermodelle, die bislang aus Sachsen auch stark nach China und in die USA exportiert wurden, ihre neuen Kunden vor allem in Ländern, wo E-Autos in naher Zukunft – auch wegen der fehlenden Infrastruktur – noch keine Rolle spielen.
Für die WFS bedeutet das, dass wir unsere Markt- und Branchenexpertise weiterentwickeln, um den wachsenden Beratungsbedarf der Unternehmen abzudecken.

W+M: Wie steht es um die Zusammenarbeit mit anderen ostdeutschen Ländern und deren Wirtschaftsförderungen, etwa in der Frage des Strukturwandels der Lausitz mit Brandenburg?

Thomas Horn: Zwischen den Wirtschaftsförderungen besteht seit Jahren ein sehr guter Austausch – nicht zuletzt über die Plattform der Bundeswirtschaftsförderung GTAI. Dort stimmt man sich in einem fest etablierten Arbeitskreis zu Themen wie Zielmärkten oder Schwerpunkthemen in der Standortvermarktung ab. Im Bereich des Strukturwandels und insbesondere für die Lausitz besteht seit mehreren Jahren ein intensiver Austausch und konstanter Dialog mit der WFBB, der sich bereits in einer Kooperationsvereinbarung, einem konkreten Vermarktungsprojekt (gefördert vom BMWI) sowie in dem gemeinsamen Antrag für ein Lausitz Investor Center (STARK Förderung) niedergeschlagen hat. Auch in der Vermarktung der Lausitz gehen wir gemeinsame Wege: zum einen über die zentrale und gemeinsam betriebene Plattform www.lausitz-invest.de und zum anderen über neue Standort- und Technologiepräsentationen.
Beide Bundesländer sind Treiber des Strukturwandels und haben das Potenzial, die Lausitz zu einer führenden Region für das Thema Elektromobilität und deren komplette Wertschöpfungskette zu entwickeln und international zu vermarkten.

W+M: Welche Rolle spielt die Ansiedlung von Bundesinstitutionen und Bundesforschungseinrichtungen für Sachsen?

Thomas Horn: Solche Ansiedlungen sind ein Baustein aktiver Strukturpolitik und natürlich wichtig für Sachsen, weil damit hochqualifizierte Arbeitsplätze verbunden sind und von diesen Einrichtungen auch immer eine große Strahlkraft ausgeht, um weitere notwendige Ansiedlungen aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor zu generieren.

W+M: Was sind die größten Probleme der Wirtschaftsförderer bei der gegenwärtigen Investorenwerbung?

Thomas Horn: Wirtschaftsförderer sind von Haus aus immer Optimisten! Dennoch gibt es Herausforderungen: hochwertige, größere Gewerbeflächen sind inzwischen auch in den neuen Bundesländern ein gesuchtes, wenn noch nicht gänzlich vergriffenes Produkt. Zudem setzen Investoren mittlerweile das Thema Fachkräfte ganz oben auf die Agenda. Das ist zweifelsohne einer der zentralen Standortfaktoren. Sachsen kann hier auf ein sehr gutes Fundament bauen: seit mittlerweile 16 Jahren sind wir beim Bildungsmonitor, der die Bildungssysteme der Bundesländer vergleicht, Spitzenreiter. Zudem haben wir eine einzigartige technische Spezialisierung der Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie eine vielfältige Industrielandschaft.
Aber die Investorenwerbung wird auch künftig nicht einfacher, weil andere Märkte ebenfalls attraktive Konditionen bieten. Für uns heißt das: der Wirtschaftsstandort kann auch künftig nur überzeugen, wenn er in Bestform ist. Und aktuell haben wir damit gute und überzeugende Argumente.

W+M: In welchen Regionen/Ländern (national/international) werden Investoren besonders angesprochen?

Thomas Horn: Traditionell sind die Industriestaaten in Westeuropa, Nordamerika und Asien unsere wichtigen Quellregionen für Investoren und Investitionen. Aber in den letzten Jahren rückt auch Osteuropa stärker in den Fokus. Investoren aus Tschechien, Polen oder auch Estland sind in Sachsen keine Seltenheit mehr. Bei der Investorenansprache gehen wir jedoch nicht nur regional, sondern insbesondere branchen- und themenorientiert vor, weil wir uns davon mehr Synergieeffekte mit den regionalen Kern- und Zukunftsbranchen versprechen.

Foto: Messe Leipzig

W+M: Wie haben sich aus Ihrer Sicht Messen als Präsentationsorte für Wirtschaftsregionen verändert?

Thomas Horn: Trotz der verschiedensten digitalen Möglichkeiten hat eine Umfrage der WFS gezeigt, dass Präsenzmessen und der persönliche Kontakt nicht ersetzbar sind. Für die Firmen sind Messen weiterhin ein wichtiger Baustein ihrer Kundenakquise. Rein virtuelle Formate sehen sie dagegen vor allem als Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen.
Insofern gehen wir davon aus, dass die Messen künftig die Vorteile digitaler Formate in das Messegeschäft integrieren werden. Das betrifft sowohl die Vor- als auch die Nachbereitung. Hier werden virtuelle Abstimmungen oftmals Vor-Ort-Termine ersetzen. Aber diese Zunahme an digitalen Angeboten braucht natürlich auch die entsprechende Infrastruktur, wie bspw. eine leistungsfähige Internetanbindung.

W+M: Großansiedlungen machen auch Infrastrukturmaßnahmen notwendig, etwa ÖPNV, Straßenbau, Wohnungsbau. Inwiefern können die Wirtschaftsförderer auf die Koordination dieser Themen Einfluss nehmen?

Thomas Horn: Die WFS verfolgt bei Ansiedlungen grundsätzlich einen ganzheitlichen Ansatz, d.h. wir begleiten das Projekt von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Basierend auf den Vorstellungen und Bedarfen der Investoren kommunizieren wir diese entsprechend auch an die zuständigen Partner bei Ministerien, Behörden und Verwaltung. Damit haben diese die Möglichkeit, auf künftige wirtschaftliche Entwicklungen in der Region reagieren zu können und bspw. Verkehrsanbindungen zu optimieren, ÖPNV-Angebote auszubauen oder neue Wohngebiete auszuweisen.

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