W+M-Serie: Industrie- und Handelskammer als Partner der Wirtschaft – IHK Halle-Dessau

Die Wirtschaft ist in Zeiten der Pandemie besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Gerade die vornehmlich klein- und mittelständischen Unternehmen in den neuen Bundesländern mussten sich auf die Krisenbedingungen einstellen und brauchten dafür Rat und Tat. Die Industrie- und Handelskammern waren wichtige Ansprechpartner. W+M sprach auch mit dem Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau Prof. Dr. Thomas Brockmeier darüber.

W+M: Wie hat sich die Arbeit der Industrie- und Handelskammern in den Zeiten der Corona-Pandemie verändert und was haben Sie aus der Krise gelernt?

Prof. Dr. Thomas Brockmeier (IHK Halle-Dessau) Foto: OWF21/Ralf Succo

Thomas Brockmeier: Die IHK wurden ihrer wichtigen Mittlerrolle zwischen Politik und Verwaltung auf der einen Seite und den Unternehmen auf der anderen Seite gerecht. So konnten unmittelbar die Bedürfnisse der Unternehmen den politischen Entscheidungsträgern vermittelt werden – vielfach waren es diese Rückmeldungen, die ganz konkret in die Ausgestaltung der Hilfsprogramme eingeflossen sind.
Andererseits standen wir aber auch als Dienstleister und Ratgeber an der Seite unserer Mitgliedsunternehmen. Wir haben in der teils chaotischen Lage Informationen zusammengetragen und gezielt Unternehmen unterstützt. Nicht zuletzt haben wir allen Widrigkeiten zum trotz auch die wichtigen hoheitlichen Aufgaben – vor allem im Bildungs- und im Außenhandelsbereich – aufrecht erhalten. In der Pandemie haben die IHKn zudem die Digitalisierung ihrer Leistungen und Angebote vorangetrieben. Dabei ist aber auch deutlich geworden, dass der persönliche Kontakt zu Unternehmern nicht zu ersetzen ist.

W+M: Wie bewerten die IHK die Maßnahmen, den wirtschaftlichen Schaden durch die Corona-Krise abzufedern? Waren Sie ausreichend?

Thomas Brockmeier: Die Hilfs- und Unterstützungsprogramme haben im Wesentlichen gut funktioniert. In einigen Fällen gab es Anlaufschwierigkeiten – im Großen und Ganzen waren die Maßnahmen aber zügig und effektiv. Die Hilfen haben einige Unternehmen vor dem schlimmsten bewahrt. Auch die Kurzarbeit hat sich wieder einmal bewährt. Negative Konsequenzen am Arbeitsmarkt traten somit nicht unmittelbar auf.

W+M: Was braucht die Wirtschaft als Perspektive, um die Corona-Krise zu überwinden?

Thomas Brockmeier: Um die Schäden zu beseitigen, sind Konjunkturprogramme und Überbrückungsmaßnahmen hingegen nicht geeignet. Notwendig ist eine neue Wachstumsdynamik! Dafür brauchen wir Investitionen – diese sind angesichts der durch die Krise aufgezehrten Reserven aber erschwert. Es sind kluge politische Rahmenbedingungen nötig, damit wir Investitionen anregen. Dazu gehören steuer- und finanzpolitische Maßnahmen ebenso wie Entbürokratisierung vor allem bei Planungen und Genehmigungen.

W+M: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen den 14 ostdeutschen Kammern?

Thomas Brockmeier: Die Kammern im Osten der Republik haben viele Gemeinsamkeiten – sowohl was die Geschichte als auch was die häufig sehr ähnlichen Strukturen vor Ort betrifft. Die Probleme während der Corona-Krise waren und sind daher sehr ähnlich. Insofern war auch der rege Austausch in der Krise wichtig gewesen.

W+M: Wie bewerten Sie die Situation der Wirtschaft in Ihrem Kammergebiet? Erfolge und Herausforderungen?

Thomas Brockmeier: Nach den Lockerungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen zeigt sich eine spürbare Erholung der konjunkturellen Situation in Sachsen-Anhalt. Strukturell bleiben aber Herausforderungen bestehen: Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ist sehr energieintensiv und steht mit der Energiewende vor großen Anforderungen. Wir haben nach der Wende viele wertschöpfungsintensive Industrieunternehmen ansiedeln können. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Erfolge nicht durch eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen zu verspielen. Darüber hinaus stellt uns natürlich der demografische Wandel vor große Herausforderungen. Für zwei Personen, die aus Altersgründen den Arbeitsmarkt verlassen, kommt derzeit nur ein junger Mensch nach. Die Unternehmen bekommen diese Knappheit schon jetzt zu spüren. Der Druck wird in Zukunft aber noch zunehmen.

W+M: Welche speziellen Forderungen haben Sie an die neue Bundesregierung?

Thomas Brockmeier: Die Corona-Krise hat die Baustellen schonungslos offengelegt: Wir brauchen ein besser ausgestattetes Bildungssystem – auch und insbesondere um die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen sicherzustellen. Wir brauchen eine wesentlich höhere Dynamik bei der Digitalisierung – das gilt einerseits für die Infrastruktur, andererseits aber auch für die Digitalisierung der Verwaltung. Wir müssen außerdem wie bereits skizziert die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern und müssen es schaffen, Klimaschutz und Energiewende umzusetzen ohne die Wurzel unseres Wohlstands – die heimische Industrie – zu gefährden.

W+M: Wie kann Klimaschutz und Wirtschaft aus Sicht der IHK miteinander vereint werden?

Thomas Brockmeier: Klimaschutz ist eine globale Herausforderung, die derzeit häufig noch zu sehr national gedacht wird. Ein Problem entsteht für die Wirtschaft daraus, wenn aus den unterschiedlichen nationalen Lösungen Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Wir sind der Meinung, dass für Klimaschutz möglichst globale, mindestens aber europäische Instrumente zum Einsatz kommen sollten. Eine Maßnahme, die sich bewährt hat, weil sie effektiv und effizient zugleich ist, ist der europäische Emissionszertifikatehandel. Die IHK bauen auf die konsequente Anwendung dieses Instruments auch in weiteren Bereichen.