Prof. Reint E. Gropp: „Es nützt gar nichts, wenn Deutschland seinen CO2-Ausstoß reduziert“

Über die Erreichung der Klimaziele wird aktuell überall gesprochen, die Erwartungen an die Politik, die Wirtschaft und an jeden einzelnen Bürger sind hoch. Außer klaren Zielen, gibt es wenig Klarheit. W+M sprach aus diesem Grund mit Prof. Dr. Reint E. Gropp, dem Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle IWH.

W+M: Haben wir eine reale Chance, die Klimaziele zu erreichen, um die Erderwärmung im Griff zu behalten?

Reint E. Gropp: Zwei Faktoren sind hier von entscheidender Bedeutung: Internationale Zusammenarbeit und der Wille, zumindest eine Weile deutlich höhere Energiekosten auszuhalten. Wenn China, Indien, die EU und die USA sich tatsächlich an Ziele halten würden, hätten wir eine Chance, allerdings nur dann wenn sie ehrgeizig genug sind. Das sind sie wohl laut Meinung der Klimaforscher nicht. Es nützt gar nichts wenn Deutschland seinen CO2 Ausstoß reduziert, denn erstens ist Deutschland viel zu klein, um eine wirklich große Rolle zu spielen und zweitens ist es im Rahmen des EU CO2 Handels dann so, dass andere Ländern mehr ausstoßen können. Sinnvoll wäre also ehrgeizigere Ziele beim CO2 Handel zu vereinbaren, nicht nur auf EU Ebene, sondern eben weltweit. Ein weltweiter CO2 Handel ist aber utopisch. Leider scheinen eine Reihe der deutschen Parteien auch nicht verstanden zu haben, dass CO2 Reduktionen nur dann effizient zu erreichen sind, wenn CO2 einfach prohibitiv teuer wird. Über Verbote funktioniert es jedenfalls nicht, oder nur sehr ineffizient und damit noch teurer.

W+M: Sie sprachen von Konsumverzicht zugunsten folgender Generationen. Brauchen wir mehr Offenheit und Mut beim Erklären von Klimazielen?

Reint E. Gropp: Ich denke schon. Ohne einen Konsumverzicht heute (ob beim Auto, bei Ausgaben für Isolierung von Wohnungen, beim Kaufen von energieintensiven Gütern) wird es nicht gehen. Es ist nachvollziehbar, dass die Politik diese Tatsache verschleiern will (gerade direkt vor einer Wahl). Nichtsdestotrotz werden die Leute die Wahrheit hören müssen. Im Moment ist es so, dass vorgegaukelt wird, dass der Ausstieg aus CO2 „umsonst“ geht. Das ist nicht der Fall. Sinnvoller wäre es, aufgrund von Schätzungen jetzt schon Pläne zu machen, wie besonders betroffene Gruppen der Bevölkerung kompensiert werden können. Man sollte diese Kompensation aber vom Klimaziel selbst trennen und wie man da hinkommt. Sonst läuft man Gefahr, weder das eine, noch das andere zu erreichen.

W+M: Welche Themen sollten jetzt wichtig sein?

Reint E. Gropp: Globaler agieren und über den deutschen Tellerrand schauen, dem CO2 Preis eine größere Rolle geben und ehrgeizige, transparente Ziele setzen. Beim Preis daran arbeiten, alle Sektoren (Verkehr, Energie, Heizung, Industrie) einheitlich zu behandeln. Das ist nicht leicht.

W+M: Wie technologieoffen ist Deutschland bei der Bekämpfung des Klimawandels?

Reint E. Gropp: Nicht besonders. Verbote sind das Gegenteil von technologieoffen. Aber ich denke, dass man gar nicht umhin kann, dem Preis und damit einem technologieoffeneren Ansatz eine größere Rolle zukommen zu lassen. Ich hoffe, die neue Bundesregierung wird den Mut haben, da klarer zu kommunizieren und weniger zu verschleiern.

W+M: Glauben Sie daran, dass unsere Lösungen für die Senkung des CO2-Ausstiegs, Exportschlager werden und Deutschland hier eine Technologieführerschaft übernehmen kann?

Reint E. Gropp: Nein. Wenn dann müsste es die EU sein, die das tut. Der EU CO2 Handel ist tatsächlich ein globales Vorbild, spielt aber irgendwie in der deutschen Diskussion gar keine Rolle. E-Mobilität ist schön und gut, aber es wird noch nicht einmal die Probleme in Deutschland lösen. Außerdem ist es im Moment eine Politik, die extrem stark den Wohlhabenden zu gute kommt. Scheint aber niemand zu bemerken oder zu stören.

Interview: Frank Nehring