W+M-Interview mit Zukunftsforscher Michael Carl – Creating the better Normal

Michael Carl ist Zukunftsforscher, auch Podcaster, Keynoter, Journalist, Autor und Theologe. Er lebt und arbeitet in Leipzig. In Zeiten der Pandemie ist er gefragter denn je. Das Interesse an der Zukunft ist groß und die Vorhersagen und Aussichten können durchaus verschieden sein, polarisieren und haben manchmal auch das Zeug, die Gesellschaft zu spalten. Nun hat Michael Carl einen Kreis von 17 Autoren versammelt, die aus unterschiedlichsten Perspektiven und mit unterschiedlichen Erfahrungen sich zum Thema äußern, wie wir unsere Chance ergreifen, nach der akuten Phase der Pandemie besser zu arbeiten, zu kommunizieren, zu wirtschaften, zu lernen. Gerade ist das Buch unter dem Titel Creating the better Normal im Eigenverlag carls zukunft erschienen. W+M befragte den Herausgeber dazu.

 

W+M: Herr Carl, was hat Sie dazu bewegt, ein Buch zu diesem Thema machen?

Michael Carl: Ganz schlicht: Ein Wutfall! Wir saßen mitten in der dritten Welle und um uns herum machte sich eine große Lähmung breit, der sich kaum noch jemand entziehen konnte. Alle, so schien es, warteten nur noch ab, wann es endlich wieder zurück in die alte Normalität geht. Dabei hatten wir in Bildung, Gesundheit, Digitalisierung doch genau mit Unzulänglichkeiten der alten Normalität zu kämpfen. Keiner, der mal den Blick nach vorne gewagt hat, kein Mut, keine Phantasie. Wir waren dabei, die Chance der Krise zu vergeben, ohne einmal zu fragen, wie denn eine bessere Normalität nach der Krise aussehen könnte. Das wollten wir ändern.

W+M : Sie sind der Herausgeber, fühlten Sie sich in dieser Rolle als Zukunftsforscher?

Michael Carl: Unbedingt. Unsere Aufgabe ist es, die Zukunft ins Gespräch zu bringen. Das wird in Wirtschaft wie in Gesellschaft nur gelingen, wenn wir attraktive und realistische Bilder unserer Zukunft entwerfen. Bilder einer Zukunft, auf die wir hinarbeiten wollen – und diese Bilder entstehen nur im Dialog. Dafür setzen wir Zukunftsforscher mit unseren Prognosen und Erkenntnissen Impulse, wollen aber darüber hinaus auch eine Plattform schaffen. Eine Plattform für einen breiten Dialog über die Zukunft und wie wir sie gestalten wollen.

W+M: Worauf kam es Ihnen bei der Auswahl der Autoren an?

Michael Carl: Die Autorinnen und Autoren eint, dass sie den Mut haben, Position zu beziehen. Dass sie professionell in Verantwortung stehen und Lust auf Diskussion haben. Dass sie nicht über eine erlahmte Debatte im Land klagen wollen, sondern sie selbst befeuern und damit auch ein Stück Verantwortung übernehmen. Ansonsten könnten sie unterschiedlicher kaum sein – und genau darum ging es uns bei der Auswahl: Möglichst unterschiedlichste Perspektiven ins Gespräch zu bringen. Vom Ende des physischen Arbeitsplatzes über beschäftigungslose Führungskräfte. Von den Perspektiven der Gastronomie über Homeoffice für Schülerinnen und Schüler. Warum zukunftsfähiges Marketing Liebe ist und woher wir philosophisch das Selbstvertrauen für die Gestaltung der Krise nehmen.

W+M: Ist ein Buch das richtige Medium für ein Thema in einer schnelllebigen Zeit?

Michael Carl: (lacht) Natürlich. Gerade wenn sich Gesellschaft, Wirtschaft, Leben immer schneller wandelt, brauchen wir Gelegenheit zum Nachdenken und zur Reflexion. Echtes Tempo entsteht doch nicht durch atemlosen Dauerlauf, sondern durch die richtige Vorbereitung und gezielten Sprint.

W+M: Wer sollte das Buch kaufen?

Michael Carl: Wir haben das Buch sehr breit angelegt. Wer Einschätzungen zu unternehmerischen Themen wie Führung, Zusammenarbeit und Digitalisierung sucht, wird ebenso fündig wie der, den eher gesellschaftliche Fragen wie Bildung und der politische Diskurs umtreiben. Das entspricht unserem Bild von Menschen in Verantwortung – und die hört ja nicht an der Bürotür auf. Das gilt für die Autorinnen und Autoren und genauso für die Leserinnen und Leser. Die Frage nach einer besseren Normalität nach der akuten Phase der Pandemie geht uns alle an.

W+M: Was ist das Fazit Ihres Buches?

 Michael Carl: Ich ziehe ein doppeltes Fazit: Wir haben in der aktuellen Krisensituation einen völlig unterschätzten Gestaltungsspielraum. Nutzen wir ihn! Zugleich ist das große Bild wichtig: Wir stehen vor einem Jahrzehnt der Krisen. Allein die Veränderungen rund um Klima, Arbeit und Demografie werden uns stärker herausfordern, als es die Pandemie vermochte. Jedes einzelne dieser Themen. Unsere Fähigkeit, Krisen als Motor der Entwicklung zu nutzen, ist daher nicht irgendeine Kompetenz unter vielen. Wie wir mit Krisen umgehen und aus Krisen lernen, entscheidet über unseren Wohlstand und letztlich unsere Zivilisation. Die Pandemie ist ein Lernfeld. Dafür ist jede Stimme wichtig.

W+M: Worauf sind Sie richtig stolz?

Michael Carl: Natürlich auf den Kreis der Autorinnen und Autoren, ohne sie geht es ja gar nicht. Wir wollten die Debatte, wir wollten dieses Buch und wir wollten es schnell. Wir haben das Buch von der Idee bis zum ersten gedruckten Exemplar in 15 Wochen realisiert. Und weil kein etablierter Verlag dieses Tempo mitgehen konnte, haben wir in derselben Zeit noch einen Verlag gegründet und aufgebaut. Das macht uns schon auch stolz.

W+M: Was machen Sie beim nächsten Mal besser?

Michael Carl: Klingt vielleicht überraschend, aber: Das geht schneller. Aber wichtiger noch: Wir möchten gerne für ein nächsten Projekt noch mehr Partner an Bord holen, um die inhaltliche Debatte noch breiter führen zu können. Und wenn unter diesen Partnern auch ein klassischer Verlag ist, soll es mir recht sein.

W+M: Wie geht es jetzt weiter?

Michael Carl: Wir tragen die Debatte über die Normalität nach der akuten Phase der Pandemie gerade in die Breite, nehmen jede Gelegenheit zur Diskussion wahr, ob in Vorträgen, in Diskussion, in Unternehmen, Institutionen oder medial wie hier. Es haben mich auch schon Menschen angesprochen, dass sie auch gerne einen Beitrag verfassen würden. Das ist ein tolles Feedback und klingt schon deutlich nach Band 2.

Creating the Better Normal