Donnerstag, April 25, 2024

Wirtschaftsbeziehungen mit China – es ist kompliziert.

Das umfassende Investitionsabkommen zwischen China und der EU (CAI), das seit 2013 verhandelt wurde, stellte eine einmalige Chance für die deutsche und europäische Wirtschaft dar. Den Forderungen führender Wirtschafts- und Mittelstandskreise folgend wurde dieses Abkommen in einem umfassenden Prozess erarbeitet. Deutschland konnte, auch im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr und dank des Einsatzes von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der chinesischen Seite erhebliche Zugeständnisse abringen. Diese Faktoren hielten einer objektiven Analyse stand und hätten handfeste, konkrete Vorteile für europäische Unternehmen auf dem chinesischen Markt bedeutet. Doch das Errungene hat die EU fürs erste leichtfertig verspielt, die Ratifizierung des Abkommens durch das Europäische Parlament ist in weite Ferne gerückt. Von Michael Schumann.

Schuld daran ist die aktuelle und seitens der EU ohne Not in Gang gesetzte Sanktionsspirale mit China. Die Eskalation in den europäisch-chinesischen Beziehungen war vermeidbar und wirtschaftspolitisch äußerst unklug. Mag sie auf einen eklatanten Mangel an Chinakompetenz bei den handelnden Akteuren zurückzuführen sein oder, was wesentlich schlimmer wäre, auf eine bewusst forcierte und Chinas harsche Reaktion antizipierende politische Intrige mit dem Ziel, das CAI zu sabotieren, in jedem Fall ist das Ergebnis von großem Nachteil für viele deutsche Unternehmen, die von dem Abkommen profitiert hätten. Interessant in dem Zusammenhang, dass fast nirgendwo zu lesen war, dass die USA trotz aller Konfrontation über ein aktives Handelsabkommen mit China verfügen, das ihnen ganz gezielt gegen andere Wettbewerber Vorteile verschafft. Europa hat die Chance vertan, hier aufzuschließen.

Wir in Deutschland müssen aufpassen, dass wir in unserem Verhältnis zu China nicht ähnlich leichtsinnig über Bord werfen, was in vielen Jahrzehnten deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen mühsam erarbeitet worden ist. Deutschland und deutschen Unternehmen als Geschäftspartnern wird derzeit in China noch eine besondere Wertschätzung entgegengebracht. Diese steht eigentlich in einem Missverhältnis zu der Art und Weise, wie sich China zunehmend von einer Vorbildfunktion der USA und Europas für die eigene Entwicklung verabschiedet. Die Bedeutung, die man „dem Westen“ beimisst, nimmt dramatisch ab und damit auch die Ansicht, dass man von Europa noch etwas lernen könne. Die Pandemie hat diese Entwicklung weiter beschleunigt.

Aufgrund der guten bilateralen Beziehungen und intensiven wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Vergangenheit nimmt Deutschland in der chinesischen Wahrnehmung immer noch eine Sonderrolle ein. Das eröffnet deutschen Unternehmen weiter Chancen, die wir ergreifen sollten. Es wäre fatal, wenn Deutschland im Zuge von Konflikten, die nicht primär die eigenen sind, diese Vorteilsposition freiwillig aufgeben würde. In diesem Zusammenhang lohnt ein genauerer Blick auf den politischen und medialen Diskurs, der die Potentiale Chinas für die deutsche Wirtschaft gegenwärtig zu beschreiben versucht. Denn vieles, was dort vorgebracht wird, greift in der Argumentation zu kurz. Oft wird die reine Größe des chinesischen Absatzmarktes in den Vordergrund gestellt und gleichzeitig vor einer zu großen Abhängigkeit deutscher Unternehmen von chinesischen Konsumenten gewarnt.

Zwar ist es richtig, dass beispielsweise in der Automobilwirtschaft oder beim Maschinenbau die Nachfrage des chinesischen Marktes gerade viele deutsche Hersteller stabilisiert, die Bundesrepublik ist jedoch in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung nicht in überproportionalem Maße von China abhängig. Viel wichtiger als die Absatzfrage ist, dass China sich auf zahlreichen zukunftsweisenden Gebieten mittlerweile zu einem Innovationsmotor von großer Kraft entwickelt hat. Und das betrifft nicht nur Bereiche wir die Künstliche Intelligenz, die Neue Mobilität oder Digitale Infrastrukturen. Weltweit haben dies führende Konzerne und zunehmend auch deutsche Mittelständler erkannt und sind mit ihren Innovationszentren heute in China angekommen. Auf der einen Seite erwächst unserer Wirtschaft aus Chinas rasantem technologischem Fortschritt neuer Wettbewerb, auf der anderen Seite eröffnet sich für viele Unternehmen auch die Chance, dass sie mit chinesischen Innovationen und Partnern die eigene Wettbewerbsposition gegenüber transantlantischen Konkurrenten ausbauen können. Erste Beispiele aus der Automobilwirtschaft gibt es bereits. Wir wären schlecht beraten, uns von diesen Entwicklungen abzukoppeln. Die aktuelle Debatte zu Deutschlands wirtschaftlichem Engagement in China ist viel zu stark auf Absatz- und Abhängigkeitsfragen verkürzt und zieht zu wenig die Chancen einer gegenwärtigen und zukünftige Partizipation an chinesischen Innovationen ins Kalkül.

Wo die Politik versagt, ist die Wirtschaft gefordert. Der Mittelstand mit seinen vielen tausend Unternehmen, die seit Jahren in und mit China engagiert sind, Land und Leute kennen und ihre Beziehungen pflegen, hat einen großen Fundus an Chinakompetenz aufgebaut, der heute wichtiger denn je ist. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft wird in entscheidendem Maße davon abhängen, wie wir jetzt die Weichen in unserem Verhältnis mit China stellen. Im Konzert der zahlreichen Meinungen und Positionen, die vor zu viel Abhängigkeit von China warnen, muss die Wirtschaft sich Gehör verschaffen und dafür einsetzen, dass das gute Ansehen, das deutsche Unternehmen in China noch genießen, nicht ohne Not beschädigt wird. Dies sind wir der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschlands und unseres Wohlstandes jetzt und für kommende Generationen schuldig.

Michael Schumann. Foto: BWA

Der Autor: Michael Schumann ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) und stellvertretender Vorsitzender des Public Diplomacy Forums China Brücke e.V. Über 15 Jahre in leitenden Positionen in der Politikberatung, in Agenturen sowie in Wirtschafts- und Medienverbänden tätig, ging er 2010 für mehrere Jahre nach China, wo er politische Institutionen, kommunale Entscheidungsträger und große Unternehmen bei ihrer Internationalisierung beriet. Schumann setzt sich seit vielen Jahren für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit ein. Er leistete wesentliche Beiträge zum Zustandekommen zahlreicher deutsch-chinesischer Partnerschaften und Initiativen.

 

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