Ostdeutschland verfügt über eine eindrucksvolle Dichte an weltweit anerkannten Forschungseinrichtungen und Universitäten. Hier wird an Lösungen für drängende Fragen der Zukunft etwa in der Medizintechnik, der Energieversorgung oder der Mobilität geforscht. In enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entstehen so innovative Produkte und Verfahren. WIRTSCHAFT+MARKT stellt in einer neuen Serie die spannendsten und innovativsten Forschungsstandorte zwischen Ostsee und Erzgebirge vor.
Teil 6: Berlin
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Elektronik und deren Systemintegration
Das Fraunhofer IZM gehört zu den weltweit führenden Instituten für die Forschung und Entwicklung von zuverlässiger Elektronik und deren Systemintegration. Als solches sind die Berliner wichtige Partner von Unternehmen in der Automobil- und Industrieelektronik, in der Medizintechnik, in der Informations- und Kommunikationstechnik und im Halbleiterbereich.
Neben dem Hauptsitz in Berlin unterhält das Fraunhofer IZM auch die Standorte Dresden und Cottbus. Eine enge Zusammenarbeit wird mit der TU Berlin gepflegt. Mit mehr als 430 Mitarbeitern wurde 2019 ein Umsatz von 35,7 Millionen Euro erwirtschaftet. Rund 41,8 Prozent des Umsatzes wurde mit Vertragsforschung aus der Wirtschaft erzielt.
Das Bewusstsein einer nachhaltigen Produktentwicklung wächst nicht nur in der gesamten Elektronikbranche, auch die gesetzlichen Anforderungen an eine ressourcenschonende Produktion nehmen zu. Forschende am Fraunhofer IZM erstellen deshalb beispielsweise Ökobilanzen für Elektronikprodukte und analysieren den gesamten Lebenszyklus von Elektronikprodukten und Produktgruppen.
Die Abteilung Wafer Level System Integration befasst sich mit der Entwicklung von Advanced-Packaging- und Systemintegrationstechnologien und kundenspezifischen Lösungen für mikroelektronische Produkte im Bereich der Smart Systems. Smart Systems können selbst Daten erheben, analysieren und so Entscheidungen treffen. Sie kommen etwa in Fahrassistenzsystemen oder autonomen Robotern zum Einsatz.
Auch Magenspiegelungen können künftig deutlich verträglicher für den Patienten ablaufen: Zusammen mit zwei weiteren Partnern forschen die Berliner in dem vom BMBF geförderten Projekt nuEndo an einer vollkommen schlauchlosen Technologie für die diagnostische Magenspiegelung, bestehend aus einer schluckbaren Kamerakapsel und einem externen magnetischen Steuerungssystem. Hierbei kommt die Expertise des Fraunhofer IZM in der Miniaturisierung von elektronischen Systemen zum Tragen.
Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Mikrowellentechnik und Optoelektronik
Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) zählt zu den international führenden Instituten für anwendungsorientierte und industrienahe Forschung in der Mikrowellentechnik und Optoelektronik. Hier entstehen Hochfrequenz-Bauelemente und Schaltungen für die Kommunikationstechnik, Leistungselektronik und Sensorik.
Für den Einsatz in der Quantentechnologie entwickelt das FBH photonische Komponenten und Module sowie Systeme, die auf ultrakalten Atomen basieren. Dies alles geschieht in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft und mit Universitäten. Praxisnähe gehört ebenso zu den Zielen des FBH wie der Technologietransfer durch mittlerweile mehr als zehn Spin-offs. Die Ausgründung UVphotonics etwa entwickelt ultraviolette Leuchtdioden, das Unternehmen BeamXpert bietet Simulationssoftware für optische Systeme an.
Das FBH beschäftigt mehr als 310 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus dem FBH stammen wichtige Komponenten des LiDAR-Messsystems für den deutsch-französischen Satellit MERLIN, der aus dem All die Methankonzentration auf der Erde messen soll – ein Meilenstein in der Klimaforschung. Diodenlaser aus dem FBH bewähren sich im Weltraum, so in Atomuhren von GPS-Satelliten. Auch verbesserte Verstärker für Green-IT-Anwendungen stammen aus den Laboren der Adlershofer ebenso wie neu entwickelte LED-Strahler, mit denen Mikroorganismen in Krankenhäusern mit ultrakurzwelligem UV-Licht abgetötet werden können – ohne Nebenwirkungen.
Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut (HHI)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Künstliche Intelligenz, Sensorik, 5G, Medizin
Am Berliner Einsteinufer verfolgen die Forschenden des Fraunhofer HHI eine Mission: den Wandel der Gesellschaft hin zu einer digitalen Informationsgesellschaft aktiv zu gestalten. Die Geschichte der renommierten Berliner Forschungseinrichtung reicht dabei bis ins Jahr 1928 zurück, zu jener Zeit noch als Institut für Schwingungsforschung.
Das Fraunhofer HHI ist weltweit führend in der Erforschung von mobilen und optischen Kommunikationsnetzen sowie in der Kodierung von Videosignalen. So stellten Forschende des Fraunhofer HHI im Jahr 2016 einen Weltrekord in der optischen Freiraum-Datenübertragung auf. Am Fraunhofer HHI entwickelte photonisch integrierte Schaltkreise sind weltweit bei der Übertragung hoher Datenraten durch Glasfasernetze im Einsatz.
Die Forschenden des Fraunhofer HHI sind in Berlin sehr präsent: Jüngst übertrugen sie erstmals eine Charité-Operation als einen Augmented-Reality-basierten 3D-Live-Stream. An der TU Delft in den Niederlanden konnten so HNO-Ärztinnen und Ärzte sowie Masterstudierende der Fakultät „Biomedical Engineering“ die Operation an der Charité Berlin zu Lehrzwecken live verfolgen. Mit Hilfe des intraoperativen Annotationsmodus können Chirurginnen und Chirurgen zusätzliche visuelle Informationen wie Skizzen, Verweise und bildbasierte Anatomievermessungen in den Live-Stream einfügen.
Gemeinsam mit dem Innovationscluster 5G Berlin haben die Charlottenburger in diesem Jahr rund um das Gelände der TU Berlin zudem ein öffentlich zugängliches 5G-Testfeld in Betrieb genommen. Hier können Unternehmen und Forschungseinrichtungen 5G-Anwendungen und Produkte entwickeln und testen. Dabei geht es um Themen wie Smart City und die gezielte Verkehrssteuerung durch intelligente Sensorik.
Ebenfalls im Fraunhofer HHI wurde eine Serie von skalierbaren spiegelbasierten Multikamera-Systemen entwickelt, um hochaufgelöste 2D- und 3D-Panorama-Videoaufnahmen zu erzeugen. Die so genannte OmniCam-360 kam zum Beispiel beim ersten Live-Streaming eines Konzerts der Berliner Philharmoniker im Panorama-Format zum Einsatz.
Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Materialien zur Energieumwandlung und -speicherung, Quantenmaterialien
Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) besteht seit 2009. Doch seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1959 zurück, denn das HZB entstand durch Fusion zweier älterer Forschungseinrichtungen, des ehemaligen Hahn-Meitner-Instituts und der BESSY-Gesellschaft. Mit rund 1.100 Mitarbeitenden ist das HZB eines der größten außeruniversitären Forschungszentren in Berlin mit Standorten in Wannsee und Adlershof.
Das HZB hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Energiematerialien zu entwickeln. Beispielsweise neuartige Katalysatoren, die Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln und so erneuerbare Brennstoffe erzeugen. Die Forschung an Quantenmaterialien dient einer energieeffizienten Informationstechnologie der Zukunft.
Besonders bekannt ist das HZB für BESSY II am Wilhelm-Conrad-Röntgen Campus in Berlin-Adlershof. BESSY II ist eine Synchrotronstrahlungsquelle, die extrem brillantes Röntgenlicht erzeugt. Diese Anlage ist einzigartig in Deutschland und lockt Forschende aus der ganzen Welt – von der Chemie, Physik und Biologie bis hin zur Geologie. Zirka 3.000 externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 35 Ländern kommen jährlich dafür nach Berlin.
Einstein Center Digital Future (ECDF)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Digitalisierung
Das Einstein Center Digital Future (ECDF) ist ein interdisziplinäres Projekt der Technischen Universität Berlin, der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität der Künste Berlin. Das ECDF sieht sich als Zentrum für Digitalisierungsforschung und hat sich die innovative interdisziplinäre Spitzenforschung zu digitalen Strukturen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben. Auch die Bandbreite der Themen von elektronischen Textilien über Sicherheit im Radverkehr bis hin zur Cyberkriminalität macht das Einstein Center Digital Future einzigartig.
Seit der Eröffnung im April 2017 wurde es schnell zum Motor der deutschen Digitalisierungsforschung. Das Robert-Koch-Forum, im Herzen Berlins in der Wilhelmsstraße gelegen, fungiert dabei als Haus der Digitalisierung mit Co-Working-Spaces, Laboren sowie Workshop- und Kooperationsräumen.
Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Künstliche Intelligenz
Ein zukünftiger Leuchtturm der Spitzenforschung zur Künstlichen Intelligenz (KI): das Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD). Es vereint die beiden bestehenden KI-Kompetenzzentren an der TU Berlin, das Berlin Big Data Center und das Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen. So entsteht in der Hauptstadt ein KI-Nukleus, der Forschung, Ausbildung und Innovation im Zusammenspiel von Big Data und Maschinellem Lernen verzahnt. Mit zusätzlichen Professuren soll ein Forschungszentrum von internationalem Rang entstehen und Berlins Spitzenstellung in der KI-Forschung weiter ausgebaut werden.
Inhaltlich verfolgt das BIFOLD drei wesentliche Ziele: Spitzenforschung in den Bereichen Big Data und Maschinelles Lernen, die Entwicklung von Technologien, Werkzeugen und Systemen, um das Thema KI in der Wissenschaft, aber auch in der Wirtschaft und der Gesellschaft fest zu verankern und die Aus- und Weiterbildung der weltweit dringend benötigten KI-Experten.
Das Zentrum wird zwischen 2019 und 2022 insgesamt über 32 Millionen Euro Förderung erhalten. Ebenso will Berlin acht neue Professuren an der TU und an der FU in den Bereichen Big Data und Maschinelles Lernen finanzieren.
Exzellenzcluster UniSysCat
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Katalyseforschung
Die Katalyseforschung ist ein wesentlicher Bestandteil der Chemie. Das Exzellenzcluster UniSysCat (Unifying Systems in Catalysis) an der TU Berlin, eines von mehreren Berlinern Exzellenzclustern im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder, verbindet zahlreiche Forschungseinrichtungen in Berlin inklusive im Rahmen der University Alliance auch die Freie Universität Berlin und Humboldt Universität Berlin.
Die Katalyse gilt als wirtschaftliche Schlüsseltechnologie für den Wandel zu einer nachhaltigen und grünen chemischen Produktion. Schließlich kommen mehr als 80 Prozent aller Produkte im Laufe der Produktion in Kontakt mit einem Katalysator. Ziel der interdisziplinären Forschung ist die Verbesserung und Entwicklung von energie- und materialeffizienten Transformationen in der Chemie und Biotechnologie sowie Fortschritten in der medizinischen Diagnostik und Therapie.
Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik
Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK forscht zur gesamten Bandbreite industrieller Aufgaben – von der Produktentwicklung über den Produktionsprozess und die Wiederverwertung von Produkten bis hin zur Gestaltung und dem Management von Fabrikbetrieben. Dazu gehören die Themen Produktionsmanagement, Digital Engineering, Produktionsverfahren und -anlagen und Automatisierung. Darin finden sich alle aktuellen Trends in der Industrie wieder: Industrie 4.0, Additive Fertigung, Smart Maintenance und Künstliche Intelligenz.
Direkt an der Spree zwischen Charlottenburg und Moabit ist das Fraunhofer IPK im Produktionstechnischen Zentrum Berlin beheimatet. Es gehört zu den traditionsreichen Berliner Forschungseinrichtungen mit mehr als 40-jähriger Erfahrung. Im Produktionstechnischen Zentrum Berlin sind das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin und das Fraunhofer IPK in einem Doppelinstitut zusammengeführt.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Institut für Optische Sensorsysteme
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Sensorsysteme
Das DLR-Institut für Optische Sensorsysteme entwickelt aktive und passive optische Sensorsysteme. Das Institut ist am Wissenschaftsstandort Adlershof ansässig und legt mit der Entwicklung von sensornahen Algorithmen für die Informationsverarbeitung die Grundlagen für intelligente optische Sensorsysteme. Das Institut beteiligte sich bereits an zahlreichen nationalen und internationalen Weltraummissionen.
Die Forschungsergebnisse aus Adlershof finden in der Raumfahrt und in robotischen Systemen Anwendung. Aber auch im Bereich Sicherheit ist die Expertise der Berliner gefragt. Im Zuge eines Helmholtz Innovation Lab arbeiten DLR-Forscher gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Forschung und Behörden an optischen Technologien zur Situationserfassung im Sicherheitsbereich. Das DLR baut dazu in Berlin das Kompetenzzentrum OPTSAL auf.
Zuse Institut Berlin (ZIB)
Ort: Berlin
Forschungsfelder: Computing und Data Science
Hochleistungsrechnen – dahinter stehen so genannte Supercomputer. Ein solcher steht am Zuse Institut Berlin. Im weltweiten Vergleich nimmt „Lise“, so der Name, benannt nach der Physikerin Lise Meitner, Platz 56 ein. Kein Wunder also, dass Berlin zu einem der acht Zentren für „Nationales Hochleistungsrechnen“ (NHR) auserkoren ist.
Als solches erhält das Zuse-Institut Berlin (ZIB) als Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen unter Mitwirkung der Berlin University Alliance (BUA), dem Exzellenzverbund der Berliner Universitäten Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Berlin sowie der Charité – Universitätsmedizin Berlin künftig umfangreiche Förderung von Bund und Ländern. Schließlich sind Supercomputer essenziell für die Vorhersagen von Wetter und Klima, die Entwicklung wirksamerer Medikamente oder neuer Materialien. Auch die Zukunftsthemen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen sind ohne Supercomputer nicht denkbar.
Das interdisziplinäre Zuse Institut Berlin konzentriert sich auf angewandte Mathematik und datenintensives High-Performance-Computing. Aus der Forschungseinrichtung in Berlin-Dahlem haben sich bereits zahlreiche Unternehmen ausgegründet.