Wirtschaft und Markt

enviaM-Chef Stephan Lowis über Versorgungssicherheit, Energiewende und Digitalisierung

enviaM-Vorstandschef Dr. Stephan Lowis. Foto: Jürgen Jeibmann

Die enviaM-Gruppe stellt auch in der zweiten Corona-Welle die Energieversorgung in Ostdeutschland zuverlässig sicher. Gleichzeitig beobachtet das Unternehmen, dass immer mehr Kunden ihre Energieversorgung über digitale Kanäle regeln. Um sich und andere zu schützen, hat der Energiedienstleister seine Vorsichtsmaßnahmen verstärkt und das Homeoffice weiter ausgeweitet. W+M sprach dazu mit dem enviaM-Vorstandsvorsitzenden Dr. Stephan Lowis.

W+M: Wie steht es aus Ihrer Sicht aktuell um die Energiewende?

Dr. Stephan Lowis: Die Energiewende macht trotz Corona-Krise weiter Fortschritte. Wir kommen gut voran. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Strommix ist 2020 erneut gestiegen. Dies lässt sich auch in unserem Netzgebiet ablesen. Hier decken die erneuerbaren Energien inzwischen rein rechnerisch mehr als 120 Prozent des Stromverbrauchs ab. Erfreulich ist, dass auch die Windenergie langsam wieder in Schwung kommt. Wichtig ist außerdem, dass für den vereinbarten Kohleausstieg alle wesentlichen Weichen gestellt worden sind.

W+M: Worauf kommt es jetzt besonders an?

Dr. Stephan Lowis: Die Energiewende ist bekanntlich nicht nur eine Stromwende, sondern auch eine Wärme- und Verkehrswende. Wir müssen die erneuerbaren Energien deshalb weiterhin zügig ausbauen, um den steigenden Bedarf im Wärme- und Verkehrssektor zu befriedigen. Auch für die geplante verstärkte Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff benötigen wir mehr erneuerbare Energien. Wir müssen zudem den Ausbau der erneuerbaren Energien besser mit dem Ausbau der Netze in Einklang bringen. Es ist darüber hinaus entscheidend, die Digitalisierung der Energieversorgung verstärkt voranzutreiben, um den Stromsektor wie gewünscht mit dem Wärme- und Verkehrssektor zu koppeln.

W+M: Ist es normal oder nur eine Wahrnehmung, dass die Corona-Krise die Klima-Krise überschattet?

Dr. Stephan Lowis: Die Corona-Krise steht aktuell ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Dennoch ist die Klima-Krise nach wie vor präsent. Jeder von uns spürt die Auswirkungen des Klimawandels. 2020 war das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland. Es war das dritte viel zu trockene Jahr in Folge. Dies zeigt, dass wir dringend handeln müssen. Das ist auch der Politik bewusst. Die von ihr beschlossene Einführung eines CO2-Preises für fossile Brennstoffe im Wärme- und Verkehrssektor zu Beginn des neuen Jahres hat eine wichtige Lenkungs- und Steuerungsfunktion. Die Neuregelung wird die Wärme- und Verkehrswende beschleunigen. Dies sehen wir beispielsweise an den deutlich steigenden Zulassungen bei Elektrofahrzeugen.

W+M: Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass es noch große Defizite beim Thema Digitalisierung gibt. Was glauben Sie, sind die eigentlichen Ursachen dafür?

Dr. Stephan Lowis: Deutschland hat bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich bekanntlich erst sehr spät Fahrt aufgenommen. Wir hinken an vielen Stellen immer noch hinterher – gerade beim Aufbau eines flächendeckenden Glasfasernetzes – und die Corona-Krise legt Versäumnisse schonungslos offen. Vor allem in der öffentlichen Verwaltung und den Schulen bleibt noch viel zu tun. Die Ursachen liegen für mich auf der Hand. Die Digitalisierung ist eine Einstellungsfrage. Wenn ich überzeugt davon bin, dass die Digitalisierung einen Nutzen für mich hat, stelle ich auch die entsprechenden Mittel dafür bereit. Die Pandemie wirkt hier in vielen Unternehmen und Verwaltungen als Katalysator, das finde ich gut.

W+M: Sie sprechen davon, dass die Corona-Krise die Digitalisierung beschleunigt. Wie gut ist denn Ihr Unternehmen digital aufgestellt? Wie konnten Sie beispielsweise das Homeoffice für Ihre Mitarbeiter organisieren?

Dr. Stephan Lowis: Wir haben schon vor der Corona-Krise flexible Arbeitsmodelle umgesetzt, zu denen auch das Arbeiten von zu Hause gehört. Das hat uns beim Ausbruch der Pandemie sehr geholfen. Die Mehrheit unserer Beschäftigten arbeitet seit fast einem Jahr im Homeoffice. Im zweiten Lockdown machen noch mehr Mitarbeiter von dieser Möglichkeit Gebrauch. Aktuell arbeiten über 2.200 Kollegen aus allen Bereichen und Gesellschaften regelmäßig in den heimischen vier Wänden. Das sind 15 Prozent mehr als im ersten Lockdown. Unter ihnen befinden sich so gut wie alle Verwaltungsangestellten. Auch alle Auszubildenden lernen von zu Hause aus.

W+M: Kommt die Digitalisierung auch bei Ihren Kunden voran? Woran machen Sie das fest? Was sind die Gründe dafür?

Dr. Stephan Lowis: Auch unsere Kunden nutzen im Zuge der Corona-Krise verstärkt digitale Kommunikationskanäle. Immer mehr Kunden regeln ihre Energieversorgung online und nutzen dafür unsere Portale. Die Zahl der Zugriffe ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent gestiegen. Die Schallmauer von 200.000 Nutzern wurde durchbrochen. Die Portale können auch mobil per App abgerufen werden. 51.000 Privatkunden machen inzwischen von dieser Zusatz-Dienstleistung Gebrauch. Dies entspricht einem Zuwachs von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und ich bin sicher, dass dieser Trend anhalten wird.

 

 

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