Neuer Aufschwung oder Dauerkrise? Teil 13 – Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer Leipziger Messe

Die Corona-Pandemie traf 2020 die ostdeutsche Wirtschaft vollkommen unvorbereitet. Doch die Folgen fielen höchst unterschiedlich aus: Während ganze Branchen herbe Umsatzeinbußen und Kurzarbeit verkraften mussten, haben andere Unternehmen in der Pandemie neue Geschäftsfelder für sich entdeckt. Wirtschaft + Markt hat ostdeutsche Unternehmer nach ihren Erfahrungen mit der Pandemie und ihren Erwartungen für das neue Jahr befragt.

Folge 13:

Martin Buhl-Wagner, Markus Geisenberger, Geschäftsführer Leipziger Messe GmbH, Leipzig
Branche: Messewirtschaft

Die Leipziger Messe gehört zu den zehn führenden deutschen Messegesellschaften. Auf dem Gelände der Leipziger Messen finden jährlich mehr als 270 Veranstaltungen – Messen, Ausstellungen, Kongresse und Events – mit über 15.500 Ausstellern und über 1,2 Millionen Besuchern aus aller Welt statt.

W+M: Herr Buhl-Wagner, wie war ihr Unternehmen bzw. ihre Branche in 2020 von der außergewöhnlichen Pandemie-Situation betroffen?

Martin Buhl-Wagner: Wir waren von der pandemischen Situation 2020 sehr früh betroffen. Nachdem wir noch im Januar und Februar sehr erfolgreich Veranstaltungen durchführten und eines der erfolgreichsten Geschäftsjahre der Leipziger Messe erwarten konnten, sahen wir uns im März kurzfristig gezwungen, radikal umzusteuern. Von August bis Oktober führten wir wieder Veranstaltungen durch – unter Einsatz unseres neu ausgearbeiteten Sicherheitskonzeptes Safe Expo – bis die Pandemie erneut eine Schließung erforderte. Unter dem Strich führten wir 2020 insgesamt 150 Projekte durch. Dazu zählten beispielsweise das Sommerfestival LEIPZIGER MARKT MUSIK, die CADEAUX Leipzig – Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends sowie die Uhren- und Schmuckmesse MIDORA und der Branchentreff für das Gastgewerbe – ISSGUT! SPEZIAL.  270 Projekte – Messen, Kongresse und Events – mussten abgesagt werden.

In jeder Umbruchsituation steckt aber immer eine Chance. Wir haben diese genutzt, um das digitale und mobile Arbeiten im Haus voranzutreiben und unsere digitale Angebotspalette wesentlich zu erweitern. Hier sprechen wir von technischen Erweiterungen wie Ticketing oder virtuellen Shop- oder Livestreamkonzepten, von neuen Marktsegmenten sowie der virtuellen Erreichbarkeit von Teilnehmern, die real sonst nie gekommen wären. Digitale oder hybride Veranstaltungen sind heute Standard. So veranstalteten wir 2020 digitale Messen in kürzester Zeit sehr erfolgreich. Wir nutzen zudem die Situation, um unser Messeportfolio zu erweitern. Wir fügten eine neue Weltleitmesse im Industriebereich zu unserem Portfolio hinzu: die PaintExpo – Weltleitmesse für industrielle Lackiertechnik.

Mit unserem Sicherheitskonzept Safe Expo haben wir den ohnehin sehr guten Standard unseres Gesundheits- und Hygieneschutzes deutlich erhöht. Wir haben in 2020 bewiesen, dass wir mit Safe Expo sehr gut Messen und Kongresse durchführen können.

Und wir leisten unseren Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie: 2020 entstand das Impfzentrum der Stadt Leipzig auf unserem Gelände. Unsere Tochter FAIRNET plante und errichtete dazu drei weitere Impfzentren in anderen Orten. Aber die jetzige Situation zeigt eben auch sehr deutlich die Unverzichtbarkeit von Präsenz-Messen und -Kongressen. Aus diesem Grund gehen wir weiter von Präsenz-Formaten aus, die wir jeweils sinnhaft virtuell ergänzen oder flankieren.

W+M: Welche Erwartungen und Projekte verbinden Sie mit dem neuen Jahr 2021?

Martin Buhl-Wagner: Insgesamt rechnen wir 2021 wieder mit mehr Präsenzmöglichkeiten. Wobei wir natürlich nicht eine Normalisierung des Marktes erwarten und insbesondere das erste Halbjahr noch sehr unter dem Eindruck der Pandemie bleiben wird. Im ersten Quartal 2021 finden daher vor allem digitale Messen statt. Im Januar lief das Gaming Festival DreamHack Leipzig als Home Edition. Wir veranstalten die Intec/Z connect – unser internationales Messedoppel für Werkzeugmaschinen, Fertigungs- und Automatisierung sowie für die Zuliefererindustrie – in digitaler Form. Wir werden die protekt plus, die sich mit dem Thema des Schutzes kritischer Infrastrukturen beschäftigt, auf ausdrücklichen Wunsch der Branche ebenfalls digital durchführen. Insgesamt gilt: Der Standard der Digitalisierung hat sich bleibend erhöht. So werden Präsenzmessen weiterhin digitale Elemente enthalten. In Ergänzung dazu werden sich neue, rein digitale Formate etablieren.  Aber wir bleiben fest davon überzeugt, dass der Kern eines jeden Geschäftsabschlusses – Vertrauen schaffen – nur im Rahmen einer Präsenzveranstaltung funktioniert.

W+M: Was sollten Bund und Länder nun zur Ankurbelung der Wirtschaft unternehmen?

Martin Buhl-Wagner: Messen sind unverzichtbar für die Entwicklung einer Region. Mit den Veranstaltungen der Leipziger Messe verbinden sich beispielsweise ein Kaufkraftvolumen von 656 Millionen Euro sowie positive Effekte für Hotellerie, Gastronomie, Messebau, ÖPNV, Taxigewerbe und 6.595 Arbeitsplätze. Leipzig ist Messe und Messe ist Leipzig. Zudem sind Messen mit ihren ausgefeilten Hygiene- und Sicherheitskonzepten für die Teilnehmer sicher durchführbar und sind nicht mit Volksfesten, Open-Air-Festivals oder Sportveranstaltungen mit hohen Besucherzahlen zu vergleichen. Messen haben lange Vorlaufzeiten. Insofern brauchen sie zügig verlässliche Rahmenbedingungen sowie eine Perspektive für den erneuten Messestart.