Freitag, April 19, 2024

Investitionsboom zwischen Rostock und Erfurt

Die neuen Bundesländer und Berlin sind in den letzten Jahren mehr und mehr in den Blick in- und ausländischer Investoren geraten. Das liegt vor allem auch an den guten Rahmenbedingungen – vergleichsweise günstige Grundstückspreise sowie gut ausgebildete Fachkräfte – und an der Förderpolitik der Länder, die Investoren den roten Teppich ausrollen. Während man in Berlin stolz darauf ist, dass das Traditionsunternehmen Siemens einen kompletten Campus errichtet und die Hauptstadt ihr Image als Start-up-Hochburg ausbaut, haben die fünf Flächenländer unterschiedlichste Investoren angeworben. Von Karsten Hintzmann

Brandenburg

Foto: Blomst auf Pixabay

Die Top-Ansiedlung des Jahres 2019: Der US-Konzern TESLA entschied sich für Grünheide (Landkreis Oder-Spree) als Standort für seine europäische Giga-Factory. Mit dieser Ansiedlung sind mehrere Tausend neue Arbeitsplätze und die Chance auf weitere Ansiedlungen von Zulieferunternehmen im TESLA-Umfeld verbunden. Die Ansiedlung katapultierte den Standort Brandenburg in die Champions League der Elektromobilität.

Das japanische Ernährungswirtschaftsunternehmen Fuji Oil errichtet in Golßen (Landkreis Dahme-Spreewald) eine Produktionsanlage für Nahrungsergänzungsmittel. Damit verbunden sind ein Investitionsvolumen von 15 Millionen Euro und bis zu 21 neue Arbeitsplätze.

Das britische Unternehmen Oxford PV Germany errichtete in Brandenburg an der Havel 2017 eine Produktionsstätte für neuartige Dünnschicht-Photovoltaik-Zellen mit 24 neuen Arbeitsplätzen. 2019 erweiterte Oxford PV den Standort bereits.

Foto: DHL

Großansiedlung in Ludwigsfelde (Landkreis Teltow-Fläming): Die Deutsche Post DHL Group investiert 92 Millionen in die Errichtung eines zentralen Paketzentrums und schafft damit 600 neue Arbeitsplätze.

Das japanische Unternehmen Yamaichi Electronics baut in Frankfurt (Oder) eine neue Betriebsstätte für die Fertigung elektromechanischer Bauteile, Kabelkonfektionen sowie Baugruppen. Damit verbunden sind ein Investitionsvolumen von nahezu 13 Millionen Euro und 137 Arbeitsplätze.

Die österreichische Firma Hamburger Rieger errichtet in Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) eine zweite Papierfabrik. Damit verbunden sind ein Investitionsvolumen von 370 Millionen Euro und 200 Arbeitsplätze.

Das Schweizer Unternehmen Endress+Hauser siedelt in Stahnsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark) 150 Arbeitsplätze zur Herstellung von Hightech-Systemen zur Druckmessung in der Verfahrenstechnik an.

In Schwarzheide (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) siedelt sich das spanische Umwelttechnik-Unternehmen Tradebe an, das auf die Rückgewinnung von Lösungsmitteln aus industriellen Produktionskreisläufen spezialisiert ist. Damit verbunden sind zunächst 17 Arbeitsplätze und ein Investitionsvolumen von gut 10 Millionen Euro.

Mecklenburg-Vorpommern

Die weltweit agierende Ypsomed AG eröffnete mit ihrer Tochtergesellschaft YpsoMed Produktion GmbH 2019 einen Produktionsstandort in Schwerin. Auf einer Fläche von 19.000 Quadratmetern entstehen Bauteile für Pens, Autoinjektoren und Pumpensysteme. Ziel ist es,  am neuen Produktionsstandort jährlich bis zu 10 Millionen Infusionssets herzustellen. Diese verbinden die Insulinpumpe mit dem Körper und fördern das Insulin. Mit dem Injektionspens können sich Menschen mit chronischen Erkrankungen flüssige Medikamente subkutan verabreichen. Rund 150 neue Arbeitsplätze sollen in den kommenden Jahren entstehen. Das Gesamtinvestitionsvolumen des Vorhabens in Schwerin beträgt 81,1 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Vorhaben mit einem Investitionszuschuss in Höhe von 9,75 Millionen Euro.

Das Unternehmen AKKU SYS Akkumulator und Batterietechnik hat am Pommerndreieck (Gemeinde Süderholz, Landkreis Vorpommern-Rügen) einen Produktions- und Logistikstandort eröffnet. Der neue Standort des Unternehmens umfasst neben dem Lager und der Akku- und Batteriepack-Konfektionierung auch die Produktion von Gabelstaplerbatterien. Geplant sind 30 Arbeitsplätze am neuen Standort. Die Gesamtinvestitionen des Unternehmens für die Neuansiedlung betragen rund 3,7 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Vorhaben mit rund 1,3 Millionen Euro.

Foto: RitaE auf Pixabay.jpg

Die Unternehmensgruppe „Karls“ hat ihren Sitz vor den Rostocker Stadttoren in Rövershagen. Kerngeschäft des Familienunternehmens ist der Anbau von Erdbeeren auf heute rund 410 Hektar Land. Der anschließende Verkauf von Erdbeeren erfolgt an rund 450 Verkaufsständen. Jährlich werden nach Unternehmensangaben bis zu 8.000 Tonnen geerntet und etwa sechs Millionen Gläser Marmelade verkauft. Zuletzt hat das Unternehmen in Koserow auf Usedom investiert und ein weiteres Erlebnis-Dorf eröffnet. Die Gesamtinvestitionen des Vorhabens betrugen rund 8,1 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium flankierte das Vorhaben aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro.

Julianne Utz-Preußing (l.) und Nicole Eggert, Geschäftsführerinnen der PALMBERG GmbH
Copyright: PALMBERG Büroeinrichtungen + Service GmbH

Das familiengeführte Unternehmen PALMBERG Büroeinrichtungen + Service GmbH aus Schönberg (Landkreis Nordwestmecklenburg) hat sich seit seiner Gründung zu einem gefragten Anbieter in der Büromöbelindustrie entwickelt. Das Unternehmen entwickelt und produziert moderne Büromöbeleinrichtungen. Nach Unternehmensangaben werden die selbst produzierten Möbel in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Luxemburg und in die Schweiz verkauft. PALMBERG hat zur Erweiterung der Produktionskapazitäten eine weitere Betriebsstätte in Rehna errichtet. Im neuen Werk sollen akustisch wirksame Elemente für die Bürowelt hergestellt werden. Mit der 9-Millionen-Euro-Investition sollen 50 Arbeitsplätze entstehen.

Die als Spin-off der Rostocker Universität von dem Neurologen Prof. Arndt Rolfs gegründete und heute börsennotierte Centogene AG ist eines der größten Biotech-Unternehmen weltweit. Das Unternehmen wandelt globale genetische Daten in medizinische Entscheidungen um. Mehr als 400 Centogene-Mitarbeiter erwirtschaften in den Bereichen Genetik, Bioinformatik, IT, Proteomik und Metabolomik inzwischen einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro. Neben dem Hauptsitz in Rostock unterhält das Unternehmen weitere Standorte in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Cambrindge (USA), Dubai (Vereinigte Arabische Emirate), Greater Noida (Indien) und Wien (Österreich). In Rostock wurde zuletzt in den notwendigen Ausbau der Kapazitäten zur Forschung und innovativen Entwicklung auf dem Gebiet der Medizin investiert. Im Rahmen der Erweiterung entstand ein neues Diagnostikzentrum. Die Gesamtinvestitionen des Unternehmens betrugen 11,9 Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium unterstützt das Vorhaben mit knapp drei Millionen Euro.

Sachsen

In Leipzig entsteht derzeit für den Automobilzulieferer DRÄXLMAIER eine 25.000 Quadratmeter große Produktionsstätte. Die Fertigstellung des Neubaus ist bis Ende 2020 vorgesehen. Die Firma wird dort ein leistungsstarkes 800-Volt-Gesamtbatteriesystem für einen rein elektrisch betriebenen Sportwagen aus dem Premiumsegment fertigen.

Die YELLOW TEC PLASTIC GmbH hatte im April 2019 ihre Standortentscheidung für Sachsen verkündet. In Görlitz will das Medizintechnik-Unternehmen Kunststoffprodukte für den medizinischen Bereich und die Biotechnologie herstellen. Diese kommen in Laboren, Kliniken und der Pharmabranche zum Einsatz. Das Unternehmen schafft im Görlitzer Werk 60 Arbeitsplätze.

Im September 2019 erhielt Leipzig den Zuschlag für die Ansiedlung der Bundesagentur für Sprunginnovationen. Im Wettbewerb um den Standort hatte das Land Sachsen Leipzig tatkräftig unterstützt. Laut Bundesforschungsministerium wird die Agentur zunächst für eine Laufzeit von zehn Jahren geplant und mit insgesamt rund einer Milliarde Euro finanziert.

Das US-amerikanische Luft- und Raumfahrtunternehmen Sierra Nevada Corporation (SNC) und die 328 Support Services GmbH (328SSG) haben im August 2019 ihre Pläne zur Gründung eines neuen Flugzeugherstellers am Flughafen Leipzig/Halle bekanntgegeben. Die Tochtergesellschaft DRA GmbH will am mitteldeutschen Airport die Endfertigung des Regionalflugzeuges vom Typ D328NEU ansiedeln. Rund 80 Millionen Euro sollen in Infrastruktur, Produktionshallen, Maschinen und den Aufbau der Endmontagelinie investiert werden. Langfristig ist die Schaffung von bis zu 250 direkten Arbeitsplätzen vorgesehen.

Der US-amerikanische Genomik-Dienstleister GENEWIZ wird in Leipzig ein High-Tech-Labor mit modernsten Sequenzierungsplattformen und Laborautomationstechnologien schaffen. Das Unternehmen investiert rund fünf Millionen Euro und schafft etwa 50 neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze.

Die Aircraft Composites Sachsen GmbH (Acosa), eine Tochter der Elbe Flugzeugwerke, stellt in Kodersdorf künftig Frachtraumverkleidungen und Bodenplatten für Airbus her. Die Investition beläuft sich auf rund 40 Millionen Euro und schafft rund 150 Arbeitsplätze.

Mit der größten Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens errichtet Bosch eine neue Chipfabrik in Dresden. Am Standort sollen für die wachsenden Anwendungen in der Mobilität und im Internet der Dinge Halbleiter auf Basis der 300-Millimeter-Technologie produziert werden. Insgesamt beläuft sich das Investitionsvolumen für den Standort auf rund eine Milliarde Euro.

In der nordsächsischen Stadt Torgau entsteht die größte und modernste Speisepilzfarm Europas. Das südkoreanische Unternehmen Green Co. Ltd. ist in Europa Marktführer für die industrielle Pilzproduktion. Gemeinsam mit seinem chinesischen Vertriebspartner hatte sich der südkoreanische Investor zur Mushroom Park GmbH zusammengeschlossen und mit seinem Investment rund 100 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Sachsen-Anhalt

Die Geschichte des Verkehrsflughafens Cochstedt ist bislang keine glückliche gewesen. Über Jahre fehlten dem Flughafen Entwicklungsperspektiven. Im Zuge der Insolvenz des Flughafenbetreibers gelang es dem Wirtschaftsministerium, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) davon zu überzeugen, den Verkehrsflughafen in den kommenden Jahren zu einem Forschungsflughafen umzuwandeln. Das Wirtschaftsministerium stellt dem DLR hierfür eine Sonderfinanzierung über 15,8 Millionen Euro bereit und wird den Standort künftig auch mit institutioneller Forschungsförderung unterstützen. Es entsteht ein Testzentrum für unbemannte Flugobjekte, die heutzutage interessant für zahlreiche Branchen sind. Es ist davon auszugehen, dass sich im Umfeld des Forschungsflughafens weitere Unternehmen ansiedeln werden, zumal das DLR auch mit der Uni Magdeburg kooperieren wird.

Die Automobilindustrie ist im Umbruch. Sachsen-Anhalt ist bestrebt, die Chancen zu nutzen, die sich aus dem Wandel hin zu alternativen Antriebstechnologien ergeben. Ein wichtiger Meilenstein hierbei ist die Ansiedlung von Farasis in Bitterfeld-Wolfen. Das Unternehmen wird für 600 Millionen Euro eine Batteriefabrik bauen und 600 Arbeitsplätze schaffen. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass im Zuge der Farasis-Ansiedlung weitere Ansiedlungen, unter anderem von Zulieferern, folgen. So beabsichtigt der niederländische Konzern AMG, eine Lithium-Raffinerie in Sachsen-Anhalt zu errichten.

Das Wirtschaftsministerium fördert die Bildung einer Wasserstoff Modellregion Mitteldeutschland. In Leuna forschen die Fraunhofer-Gesellschaft sowie große Konzerne wie Total und Linde unter anderem an der wirtschaftlichen Nutzung von grünem Wasserstoff.  Jüngst fand hier der Spatenstich für die Wasserstoff-Elektrolysetest- und Versuchsplattform  statt – die aktuellen Aktivitäten fördert das Wirtschaftsministerium mit acht Millionen Euro.

In Barleben bei Magdeburg steht ein Erweiterungs-Investment der Horiba-Gruppe in. Der japanische Konzern will hier sein weltweit größtes Testzentrum für Batterie- und Brennstoffzellen errichten.

Um Nachhaltigkeit geht es auch bei der Ansiedlung des finnischen Großkonzerns UPM in Leuna. UPM investiert 550 Millionen Euro in eine industrielle Bioraffinerie, was einen enormen wirtschaftlichen Schub für den noch jungen Bereich der Biochemie in Sachsen-Anhalt mit sich bringt. In der Bioraffinerie sollen Biochemikalien auf Holzbasis hergestellt werden, etwa 200 Arbeitsplätze werden entstehen.

Thüringen

Im Herbst 2019 startete am „Erfurter Kreuz“ bei Arnstadt das größte Investitionsvorhaben Thüringens – die Errichtung des neuen Batteriezellenwerks der chinesischen Contemporary Amperex Technology Co. Ltd. (CATL). Bis Anfang 2022 wird hier mit der „Contemporary Amperex Technology Thuringia GmbH“ (CATT) die erste Produktionsstätte von CATL außerhalb Chinas entstehen. Insgesamt investiert das Unternehmen mittelfristig 1,8 Milliarden Euro in seinen Standort und schafft bis zu 2.000 Arbeitsplätze.

Der Möbelhändler XXXLutz will in sein wachsendes Online-Geschäft investieren und plant  hierfür den Bau eines neuen E-Commerce-Centers im Industriegebiet „Erfurter Kreuz“. Geplant sind unter anderem die Ansiedlung von Programmierern, Callcenter-Mitarbeitern und Mitarbeitern in der Auftragsabwicklung. Am neuen Standort plant die Lutz-Gruppe Investitionen in Höhe von 70 Millionen Euro und die Schaffung von 100 neuen Arbeitsplätzen. Bis 2022 soll die Mitarbeiterzahl auf insgesamt 400 Beschäftigte ansteigen.

Um dem weiter anhaltenden Marktwachstum gerecht zu werden, entsteht in Eisfeld das insgesamt elfte Wellpappformatwerk der Progroup AG. Durch den hochmodernen Produktionsstandort der Unternehmenstochter Prowell GmbH mit einer Jahreskapazität von 140.000 Tonnen Wellpappformaten, wird die Gesamtkapazität bei Progroup auf 1,5 Millionen Tonnen gesteigert. Das Investitionsvolumen des Projekts liegt bei etwa 50 Millionen Euro. Im Vierschichtbetrieb wird das Werk insgesamt 52 neue Arbeitsplätze schaffen.

 

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