Die Corona-Krise ist ein echter Stresstest für die Coworking-Szene
Coworking – in den letzten Jahren gehypter Begriff für modernes Arbeiten. Raus aus dem klassischen Büro, Hotspot für Mobilworker, Frischzellenkurort für ganze Betriebsabteilungen. Der Run ließ viele Coworking-Spaces entstehen in der schicken Mitte Berlins und anderswo, selbst auf dem flachen Land. Und dann kam die Corona-Krise. Gehört die Coworking-Szene zu den Gewinnern oder Verlierern der Corona-Krise? Von Tobias Kremkau.
Die Lage der deutschen Coworking-Szene ist aufgrund der Corona-Pandemie ernst. Einen lauten Hilfeschrei hat es trotzdem noch nicht gegeben. Dafür ist die junge Branche vielleicht momentan auch noch zu klein. Es herrscht aber auch noch keine Untergangsstimmung vor. Ein Grund dafür war und ist die schnelle Hilfe der German Coworking Federation (GCF), dem Coworking-Bundesverband.
In wöchentlichen Corona-Krisencalls stehen sich Betreiber*innen von Coworking Spaces gegenseitig mit Rat beiseite. Gemeinsam werden Lösungsansätze für die Herausforderungen besprochen, auch wenn sich diese von Coworking Space zu Coworking Space unterscheiden. Mit dem Crisis Directory hat die von der GCF unterstütze Coworking Library eine Übersicht von Hilfsmaßnahmen sichtbar gemacht.
Die Geschäftsmodelle müssen sich diversifizieren
Seit März gab es keine Buchungen von Eventflächen und Besprechungsräumen. Dadurch gehen durchschnittlich bis zu 40 Prozent des Umsatzes verloren. Bei manchen Coworking Spaces sind es 10 Prozent und bei anderen 80 Prozent. Diese Geschäftsbereiche laufen momentan nur sehr langsam wieder an und niemand mag zu sagen, ob sie jemals wieder das alte Niveau erreichen werden.
Die Lage scheint aktuell noch stabil zu sein, aber die Sorge ist, dass durch die Rezession die Teams in den Coworking Spaces zahlungsunfähig werden. Dies würde die gesamte Shared-Workspace-Branche treffen und nicht nur die Coworking Spaces. Interessant ist, dass gerade kleinere Coworking Spaces unter Umständen besser durch die Krise kommen könnten als die großen Coworking Spaces.
Schon jetzt steht fest, dass sich die Geschäftsmodelle der Coworking Spaces weiter diversifizieren müssen, um Abhängigkeiten von einzelnen Geschäftsbereichen weiter zu minimieren. Dazu müssen neue Umsatzquellen entwickelt werden, beispielsweise Coaching-Leistungen oder virtuelle Dienstleistungen, und bestehende Produkte überprüft werden. Dies betrifft auch die Mitgliedschaften.
Zwar haben bisher nur wenige Einzelmitglieder ihre Mitgliedschaften gekündigt, einige Coworking Spaces konnten sogar ein leichtes Wachstum in der Krise durch vom Homeoffice frustrierte Angestellte verzeichnen, doch machen diese Tarife durchschnittlich nur 30 Prozent des Umsatzes aus. In größeren Coworking Spaces sind es nur 10 Prozent oder weniger. Bei Regus sind es weltweit sogar nur 1 Prozent.
Je größer ein Coworking Space ist, dies gilt vor allem für die Coworking Spaces in den Großstädten, desto relevanter werden die Einnahmen durch Private Offices. Im bundesweiten Durchschnitt machen sie momentan zwar nur 20 Prozent aus, aber dieser Anteil steigt seit Jahren. In einigen Coworking Spaces werden schon heute 90 Prozent der Einnahmen durch an Teams vermiete Büros erzielt.
Noch fehlt es an Daten, um die Krise zu verstehen
Auf staatliche Hilfe können die Coworking Spaces momentan nicht hoffen. Dazu ist die Branche noch viel zu klein. Ein Problem sind fehlende Daten, um der Politik besser vermitteln zu können, wie sie helfen könnte. Dazu führt die German Coworking Federation (GCF), in Kooperation mit dem Initiator der Global Coworking Survey, Carsten Foertsch, eine Umfrage durch, um bessere Daten zu haben.
Außerdem wird Foertsch demnächst regelmäßige Konjunkturumfragen unter deutschen Coworking Spaces starten, um Folgen der Corona-Pandemie besser erfassen zu können. Mit diesen Daten und dem gewonnen Verständnis über die Wirtschaftlichkeit der Coworking Spaces, kann der Coworking-Bundesverband besser auf ein gesprächs- und hilfsbereites Bundesarbeitsministerium zugehen.
Parallel dazu unterstützt die German Coworking Federation (GCF) Bemühungen, in enger Zusammenarbeit mit anderen Initiativen wie CoWorkLand, Einfluss auf den Entwurf für ein „Recht auf Homeoffice“ zu nehmen. Dieses sollte nach Meinung des Verbandes weitergedacht und zu einem „Recht auf mobiles Arbeiten“ erweitert werden, so dass auch Coworking Spaces davon profitieren.
Es gibt durchaus auch viele positive Zukunftsaussichten, was mobiles Arbeiten und Coworking angeht. Vielleicht ändert sich nun vieles in der Arbeitswelt, was lange auf sich warten ließ. Momentan ist aber noch die grundsätzliche Frage, welche Coworking Spaces diese Zukunft erleben werden. Wie für uns alle gilt auch für die Coworking-Szene, dass die Corona-Pandemie noch lange nicht ausgestanden ist.
Der Autor
Tobias Kremkau, Kenner der Coworkingszene, Head of Coworking des St. Oberholz in Berlin und Mitbegründer des German Coworking Federation (GCF)