Professor Jörg Steinbach: „Mir schwebt ein modernes Industrieland vor“

Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Dr. Jörg Steinbach (SPD) spricht im W+M-Interview über Zukunftsorte, ihre Perspektiven und seine Vision von der Wirtschaft des Landes im Jahr 2030.

W+M: Welche Bedeutung haben die Zukunftsorte für die Regionen und das Land?

Jörg Steinbach: Ich möchte den Begriff Zukunftsorte gern weiter fassen und von Zukunftsräumen sprechen. Da haben wir den Wirtschaftsraum Oder mit Schwedt im Norden und Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt im Süden. Da ist das Berliner Umland samt den Städten in der „zweiten Reihe“, von Neuruppin bis Luckenwalde. Da ist die Flughafenregion rund um Schönefeld, Wildau, Königs Wusterhausen und Ludwigsfelde – und mit der Standortentscheidung von Tesla für Grünheide wird sich die Flughafenregion auch bis dorthin erstrecken. Und da sind die Lausitz sowie die Wirtschaftsregion Nordwestbrandenburg. In diesen Wirtschaftsräumen liegen auch die 15 Regionalen Wachstumskerne Brandenburgs, die RWK – und da hat die Zukunft schon längst begonnen! Da werden die Grundsteine für zukünftiges nachhaltiges Wachstum in der Hauptstadtregion gelegt.
Darüber hinaus strahlen die Wachstumskerne in ihr jeweiliges Umland aus und setzen dort Wachstumsimpulse.
Derzeit macht sich die Landesregierung gemeinsam mit den RWK auf den Weg, diese Zukunftsorte noch vernetzter weiterzuentwickeln und in dynamischen Entwicklungsachsen zu verknüpfen.

W+M: Welche Branchen haben in ihrem Land besonders große Zukunftsperspektiven?

Jörg Steinbach: Die starken Branchen, das sind die auf Basis der gemeinsamen Innovationsstrategie mit Berlin entwickelten Cluster. Die fünf gemeinsamen Cluster mit Berlin sind Energietechnik, Gesundheitswirtschaft, IKT, Medien und Kreativwirtschaft, Optik sowie Verkehr, Mobilität und Logistik. Hinzu kommen die vier brandenburgspezifischen Cluster Ernährungswirtschaft, Kunststoffe und Chemie, Metall und Tourismus. Diese Cluster werden von uns besonders unterstützt.

Lassen Sie mich beispielhaft zwei Bereiche herausgreifen:  Da ist zum einen die Logistik. Für die deutsche Hauptstadtregion ist diese Branche mit ihren gut 200.000 Beschäftigten eine Wachstumsbranche. Kaum eine Branche hat sich in den vergangenen Jahren in Brandenburg so stark entwickelt wie die Logistik. Gerade Brandenburg hat sich aufgrund der guten Verkehrsverbindungen in der jüngeren Vergangenheit zu einem Top-Standort entwickelt und in der Spitzengruppe der deutschen Logistikstandorte gemeinsam mit Berlin fest etabliert. Die Wachstumsmärkte Mittel- und Osteuropas sind von Brandenburg aus gut erreichbar. Das ist ein wichtiger Standortvorteil.
Und da sind die innovativen Energietechnologien, die wir aus dem Forschungsstadium in die Anwendung bringen müssen. Die Voraussetzung dafür ist, dass aus der bisher lediglich als Stromwende betriebenen Energiewende endlich eine echte, energieträgerübergreifende Energiewende wird. Das bedeutet: Erneuerbare Energien dürfen nicht mehr nur in der Form von Elektrizität, sondern sie müssen auch in gasförmiger und flüssiger Form die Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie durchdringen. Power-to-X-Technologien und Wasserstoff kommt dabei eine besondere Rolle zu.

W+M: Wie sieht Ihre Vision von der Wirtschaft Ihres Landes im Jahr 2030 aus?

Jörg Steinbach: Mir schwebt da ein modernes Industrieland vor. Ein Land, in dem die Unternehmen – inklusive der Handwerksbetriebe – die Chancen der Digitalisierung genutzt haben und sich mit ihren zukunftsfähigen Produkten im internationalen Wettbewerb behaupten können. Ich gehe davon aus, dass die Strukturentwicklung in der Lausitz bis 2030 weit vorangeschritten sein wird und sich in der Region eine ganze Reihe neuer Betriebe mit hoher Wertschöpfung und gut bezahlten Jobs angesiedelt haben werden. Und: Ich wünsche mir, dass wir dann auch eine florierende Wasserstoffindustrie in Brandenburg haben, die wichtige wirtschaftliche Impulse für das Energieland Brandenburg liefert.