Freitag, März 29, 2024

W+M-Expertenrat: Haftung von Vorständen und Geschäftsführern in Folge unternehmerischer Risikoentscheidungen

Haftung in Folge unternehmerischer (Risiko-)entscheidungen Was ist vom Vorstand und Geschäftsführer in Krisenzeiten (z.B. infolge einer Pandemie) zu beachten?Vorstände einer AG und auch Geschäftsführer einer GmbH haben vom Gesetzgeber gemäß § 93 Aktiengesetz (AktG), der auch für Geschäftsführer der GmbH von der Rechtsprechung umfassend angewendet wird, besondere Sorgfaltspflichten zu beachten. Mehr dazu von unserem W+M-Experten Rechtsanwalt Dr. Eberhard Frohnecke.

Beginnend mit der allgemein bekannten Phrase, dass Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben, skizziert vorgenannte Norm die Grundlage, wann eine Haftung anzunehmen ist.

Die Haftung

Diese Haftung ist nach zuletzt novelliertem AktG durch z.B. eine D&O-Versicherung nur zu 9 % abzusichern. Für mindestens 10% der Folgen einer Fehlentscheidung haftet der Vorstand/Geschäftsführer stets persönlich.
Neben einer finanziellen Haftung ist stets das Risiko der Strafbarkeit der Untreue gemäß § 266 StGB gegeben. Der Gesetzgeber hat also dem Verantwortungsträger einer Unternehmung enge Grenzen gesetzt, wie er sich verantwortungsvoll für diese zu verhalten hat.

Insolvenzverschleppung

Die weitere Strafbarkeit in Folge Insolvenzverschleppung darüber hinaus ist allgemein bekannt. Hat der Gesetzgeber in höchster Eile zum Schutz der Verbraucher und teilweise auch der Unternehmen zahlreiche Änderungsgesetze mit einer vorläufigen Gültigkeit bis zum Ablauf des 30.06.2020 erlassen (vgl. Stundung Mietzins, Darlehensraten und dergleichen), hat er die besondere Herausforderung des Unternehmers (wieder einmal) aus dem Blick verloren. Insofern bleibt es dabei, dass die bisherigen Gesetze und Erkenntnisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf die Folgen der aktuellen Pandemie anzuwenden sind.

Ausnahmesituationen

Klar dürfte sein, dass in derartigen Ausnahmesituationen nicht dieselben Regeln gelten können, wie sie bei gewöhnlicher Geschäftstätigkeit anzunehmen wären. Dies würden wir als Anwälte bei der Abwehr eines Schadensersatzanspruches gegen einen Geschäftsführer oder Vorstand ebenso ins Feld führen wie im Falle einer Strafverteidigung wegen des Vorwurfs der Untreue. Abzustellen ist vielmehr darauf, dass Unternehmensführungsprozesse besondere Schwierigkeiten bereiten, deren Verlauf und Dynamik von einer Vielzahl teilweise unbekannter Akteure und Umstände abhängt.

Es ist zu befürchten, dass die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie deutlich größer sein werden als die, bisher bekannter Finanzkrisen. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem Sondergutachten vom 22.03.2020 auf Seite 24 ff. einen sogenannten Nachfrageschock prognostiziert, der sich vom Konzern bis zum Kioskbesitzer erstrecken werde. In solchen Lagen werden die Verantwortlichen einer Unternehmung gezwungen sein, unter hohem Zeitdruck in atypischen Situationen Risikoentscheidungen treffen zu müssen. Dies beginnt meistens damit, dass die Ausgangsfrage, ob man schnell handeln müsse oder besser noch abwartet, meist bereits die Kern(fehl-)entscheidung darstellen kann.

Weiterer Handlungsspielraum

Der II. Zivilsenat des BGH hat mit einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1997 festgelegt, dass dem Vorstand (die Geschäftsführung) ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen sei ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar sei. Zu unternehmerischen Tätigkeiten gehören neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter ausgesetzt sei, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln. In Folge dessen wird bei der Beurteilung der Haftung von Geschäftsleitern darauf abgestellt, dass man die Situation und Datenlage zum Zeitpunkt der getroffenen Entscheidung bewertet und nicht etwa die Folgen, da auch dem BGH klar ist, dass man bekanntlich hinterher immer schlauer ist. Diese Entscheidung des BGH hat selbst den Gesetzgeber überzeugt, der dann in § 93 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz im Jahr 2005 einfügte: „Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters liegt danach nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“.
Dieser Grundsatz dürfte daher auch bei der Bewertung von Fehlentscheidungen Krisenzeiten weiterhin bestehen. Hierbei wäre im Besonderen dann zu berücksichtigen, dass in Krisenlagen die Wahrscheinlichkeit von unternehmerischen Fehleinschätzungen signifikant höher ist und infolgedessen der Haftungsmaßstab sinkt. Dies macht Mut und soll die Unternehmer anhalten, trotz der verstärkten Informations- und Überwachungspflichten mutig und entschlossen zu handeln.

Dr. Eberhard Frohnecke, Foto: Frohnecke

Autor: Rechtsanwalt Dr. Eberhard Frohnecke, Osnabrück
zugleich Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

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