Organschaftliche Vertreter juristischer Personen, das sind in der Praxis Vorstände und Geschäftsführer und einige Gleichgestellte sind verpflichtet, unverzüglich bzw. spätestens drei Wochen nach Eintritt der Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) selbst einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Wer das versäumt, macht sich strafbar, schuldet Schadenersatz und trägt das Risiko, dass eine Versicherung sich weigert, den Schaden zu regulieren. Von Prof. Dr. Florian Stapper
Durch die coronabedingte Schließung einer Vielzahl von Betrieben und Ausgangssperren für die Bevölkerung geraten viele Unternehmen völlig unverschuldet in eine wirtschaftliche Schieflage. Die Bundesregierung hat angekündigt, Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität für solche Unternehmen bereitzustellen, die coronabedingt in Schwierigkeiten geraten. Da kaum damit zu rechnen ist, dass jedes coronabetroffene Unternehmen innerhalb der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht die staatliche Hilfe auf dem Konto haben wird, plant das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz die gesetzliche
Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen bis zum 30.09.2020, eventuell auch bis 31.03.2021 auszusetzen und regelt auch andere Erleichterungen für coronabedingt Insolvente. Mehr dazu unter https://www.bmjv.de/DE/Themen/FocusThemen/Corona_Insolvenzantrag_node.html.
Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen bis zum 30.09.2020, eventuell auch bis 31.03.2021 auszusetzen und regelt auch andere Erleichterungen für coronabedingt Insolvente. Mehr dazu unter https://www.bmjv.de/DE/Themen/FocusThemen/Corona_Insolvenzantrag_node.html.
Wer ohne die Aussetzung der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht einen Insolvenzantrag stellen müsste und die Zeit der straflosen Insolvenzverschleppung nutzt, um staatliche Hilfe zu erhalten und/oder zu sanieren, sollte auf
Folgendes besonders achten:
1. Die Insolvenz muss „coronabedingt“ eingetreten sein
und es muss die Aussicht bestehen, die Insolvenz zu beseitigen. Wer auch ohne die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie insolvent ist, muss trotzdem einen pflichtgemäßen Insolvenzantrag stellen. Für ihn gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht. Da über diese Frage erst entschieden wird, wenn die Corona-Krise – hoffentlich – lange vorüber ist, sollte sehr gut dokumentiert werden, dass die Insolvenz durch die Corona-Pandemie bedingt ist, am besten durch die Bestätigung des Steuerberaters oder eines Insolvenzexperten.
2. Wer „coronabedingt“ die Insolvenz verschleppt, wird auch zivilrechtlich geschützt. Zahlungen während der straflosen Insolvenzverschleppung lösen grundsätzlich keine Haftungen aus und sollen auch nicht anfechtbar sein. Außerdem soll die Kreditvergabe während dieser Zeit erleichtert werden.
3. Alle sonstigen Risiken in der Insolvenz bleiben bestehen. Insbesondere Straftatbestände, wie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Betrug, Untreue, Unterschlagung und Bankrott bleiben unverändert. Rein praktisch gilt natürlich, dass sich dafür im Zweifel niemand interessiert, wenn das Unternehmen durch staatliche Hilfe oder anders „die Kurve kriegt“, seine Gläubiger bezahlt und überlebt. Gelingt das allerdings nicht, drohen Schadensersatz und Staatsanwaltschaft. Nicht alle Versicherungen (D&O) decken solche Schäden ab.
4. Ist die Insolvenz trotz Corona nicht zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit, insolvente Betriebe durch Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters oder durch einen Insolvenzverwalter fortzuführen und im Rahmen einer übertragenden Sanierung oder eines Insolvenzplanes zu sanieren. Langjährig erfahrene Insolvenzverwalter sind häufig wirtschaftlich, rechtlich und psychologisch fantasievoll und erreichen so in vielen Fällen sehr gute Ergebnisse inklusive einer Perspektive für den Unternehmer.
Insgesamt will der Gesetzgeber Unternehmen und deren Organe, die coronabedingt in Schwierigkeiten geraten, solange vor den Folgen einer Insolvenzverschleppung schützen, wie es notwendig ist, um staatliche Hilfe zu erhalten. Die Frage, ob eine sonst kritische Handlung in der Krise wirklich coronabedingt war, wird die Gerichte wahrscheinlich noch beschäftigen, wenn die Corona-krise schon lange vorüber ist.
Der Autor:
Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht ist W+M-Experte für INsolvenzrecht. www.stapper.in