W+M Interview mit Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern
W+M: Herr Minister, haben Sie Erkenntnisse darüber, inwieweit sich die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern schon auf die Herausforderungen der Digitalisierung eingelassen hat?
Christian Pegel: Ich bin mir nicht sicher, ob mein Blick hier unverstellt ist, denn als Digitalisierungsminister treffe ich ja vorrangig auf Unternehmen, die digitalisierungsaffin sind. Aber eine Grundregel gibt es sicher: Je stärker eine Firma einen hochmodernen technischen Unternehmenszweck verfolgt, desto intensiver befasst sie sich mit der Digitalisierung. Aber mich hat in den letzten Monaten beruhigt, dass sich auch viele andere Branchen mit der Digitalisierung befassen. Ich war bei Unternehmen aus dem Tiefbau, dem Landschafts- und Grünflächenbau, in Autohäusern und Reisebüros. Und überall setzt man auf Digitalisierung und nutzt unser neu aufgelegtes Mittelstandsprogramm. Das gibt mir Zuversicht.
Es gibt meist zwei große Treiber: Zum einen sind es oft große Lieferanten oder Hersteller, die ihren mittelständischen Kunden Vorgaben für den Einsatz modernster Technik machen – etwa in Autohäusern. Oder wenn junge Unternehmenschefs in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten. Gerade im Zuge dieser Unternehmensübergaben zieht oft der digitale Wandel mit ein. Auch bei den jungen Beschäftigten spielt das zunehmend eine Rolle. Ihre Identifikation mit dem Unternehmen wächst, wenn sie beispielsweise von ihren Chefs in Digitalisierungsfragen um Rat gebeten werden.
W+M: Welche Branchen sind bei Ihnen die Vorreiter in Sachen Digitalisierung, in welchen Branchen gibt es noch Zurückhaltung?
Christian Pegel: Eine genaue Benennung können wir nicht vornehmen. Mir ist es besonders wichtig, dass die für unser Land so wichtige Tourismusbranche hier Schritt hält. Da haben wir oft sehr kleine Unternehmen. Viele dieser Unternehmerinnen und Unternehmer erkennen mehr und mehr, dass sie die Kunden, die per Internet gebucht haben, auch online bis direkt ans Zimmer führen können. Damit bleibt Zeit für die echten Beratungsgespräche vor Ort. Sehr bewusst kümmern wir uns auch um Start-ups. Berlin und London scheinen da vielleicht auf den ersten Blick attraktiver. Wir glauben aber, dass wir mit dem Slogan „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ gute Argumente haben. Für diese jungen Unternehmerinnen und Unternehmer schaffen wir Innovationszentren, die genau diese Verknüpfung herstellen sollen.
Christian Pegel: Das Bundesprogramm, das seit Anfang 2016 ins Laufen kam, bezieht sich ausschließlich auf die Unterstützung beim Aufbau von Breitband für das Festnetz. Da sind wir im Vergleich der Bundesländer mit am schlechtesten ausgestattet, vor allem im ländlichen Raum. Wir haben das gesamte Land in 99 Projektgebiete aufgeteilt. Weil wir vermeiden wollen, dass am Ende weiße Flecken bleiben. Die Landkreise bewerben sich konkret auf diese ausgewiesenen Projektgebiete. Vom Bund haben wir knapp 840 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Insgesamt betragen die Kosten etwa 1,3 Milliarden Euro, wobei das Land aus dem Sondervermögen „Breitbandausbau in Mecklenburg-Vorpommern“ die nicht aus Bundesmitteln gedeckten Kosten trägt. Dieses Programm werden wir bis 2022/2023 umgesetzt haben und die Versorgung mit Breitband wird dann landesweit bei über 90 Prozent liegen.
W+M: Wie viele von den 99 Projektgebieten sind heute bereits mit Breitband ausgestattet?
Christian Pegel: Ausgestattet ist bislang ein einziges auf Rügen. Alle anderen sind entweder in der Vergabe oder im Bau. 39 Projekte sind im Bau, wobei die Fertigstellung meist ein bis zwei Jahre dauert. Denn die überwiegende Anzahl der Projektgebiete erstreckt sich auf Größenordnungen von je 12 bis 25 Gemeinden. Da reden wir über Tausende Kilometer Leitungen und Leitungsgräben in jedem dieser Projektgebiete. Ich rechne damit, dass wir im zweiten Halbjahr 2019 dann rund 90 Projektgebiete haben werden, in denen der Bau angelaufen ist.
W+M: Die Bundesregierung hatte seinerzeit das Ziel ausgegeben, bis 2018 überall in Deutschland eine Versorgung mit 50 mbit pro Sekunde sicherzustellen. Dieses Ziel wurde in vielen Regionen verfehlt. Sie haben in unserem letzten Interview prognostiziert, dass der Breitbandausbau bis 2025 geschafft sein soll. Ist dieses Ziel realistisch?
W+M: Gibt es eigentlich Probleme, die 1,3 Milliarden Euro, die Bund und Land bereitgestellt haben, auch auszugeben? Reichen die Kapazitäten für die Realisierung der Projekte aus?
Christian Pegel: Wir als Land bauen ja nicht selbst. Wir sind einer von zwei Fördermittelgebern. Die Praxis sieht so aus, dass sich die Landkreise ein Telekommunikationsunternehmen suchen, das dann den Bau übernimmt. Das kümmert sich um die Baufirmen. Die meisten dieser Telekommunikationsunternehmen haben sich auf den einsetzenden Boom in den letzten zwei Jahren vorbereitet und Baufirmen langfristig an sich gebunden. Meine größere Sorge ist das Thema Glasfaserkabel, das durch die ständig wachsende Nachfrage immer teurer wird. Es gibt weltweit nur vier bis fünf große Anbieter und die reagieren natürlich mit entsprechenden Marktreflexen auf die Nachfrage.
W+M: Auf Ihre Initiative hin wurden in allen Kreisen und kreisfreien Städten Digitalisierungsbeauftragte installiert. War diese Maßnahme tatsächlich hilfreich, um Breitbandprojekte spürbar zu beschleunigen?
Christian Pegel: Wenn die Breitbandkoordinatoren nicht wären, würden wir meilenweit von dem Stand entfernt sein, den wir heute haben. Viele Landkreise haben es übrigens nicht bei dem einen Koordinator belassen, den wir seinerzeit angeregt hatten. Inzwischen sind daraus vielerorts kleine Einheiten aus Fachleuten entstanden, ohne die die Vielzahl der Projekte gar nicht umzusetzen wäre. Dieses Modell hat sich absolut bewährt.
W+M: Was tun Sie und Ihr Ministerium über die Verteilung der Bundesmittel hinaus, um den Mittelstand in Ihrem Land in Sachen Digitalisierung zu unterstützen?
Gemeinsam haben wir auch zwei Lücken geschlossen, die es bis dato gab. Wir haben einen Bürgschaftsfonds aufgelegt, der nur für Start-ups mit digitalen Geschäftsideen vorgesehen ist. Und wir haben ein neues Programm passgenau für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt. Somit ist es jetzt möglich, auch kleinere Beträge für Digitalisierungsmaßnahmen zu beantragen. Bislang hatten wir da sehr hohe Mindestförderschwellen. Die haben wir im neuen Förderprogramm deutlich abgesenkt und die digiTrans-Richtlinie ins Leben gerufen, hier können wir auch Maßnahmen mit 3.000, 4.000 oder 10.000 Euro fördern.
W+M: Halten Sie eine zeitnahe flächendeckende Versorgung mit 5G in Ihrem Land für realistisch?
Christian Pegel: Wenn ich den Marktausbau bei 4G betrachte, kann ich mir nicht vorstellen, dass der 5G-Ausbau problemlos gelingt. Bei der Versteigerung der Frequenzen durch den Bund haben die Unternehmen wesentlich mehr bezahlt als zunächst vermutet. Dieses Geld fehlt nun natürlich für die Investitionen. Insofern werden sich die Unternehmen zunächst auf die lukrativen Bereiche fokussieren – dicht besiedelte Ballungsgebiete. An den reinen Marktumsetzungsprozess glaube ich daher nicht, sondern ich setze darauf, dass der Bund ein Programm für unterrepräsentierte Regionen auflegt, um auch dort eine Versorgung sicherzustellen. Und das möglichst schnell, damit nicht erst wieder das Gefühl entsteht, dass einzelne Regionen vom Fortschritt abgehängt werden.
W+M: Wird es weitere Windparks vor der Küste Ihres Landes geben und wenn ja wo?
Christian Pegel: Es gibt bereits einige Offshore-Parks und ich gehe davon aus, dass weitere dazukommen. In unserer langfristigen Küstenplanung haben wir zusätzliche Windparkmöglichkeiten vorgesehen. Im Meer vor Rostock-Warnemünde entstehen zusätzliche Kapazitäten speziell zu Testzwecken neuer Anlagentypen und erst kürzlich haben wir die Genehmigung für die Erweiterung eines Windparks vor dem Darß mit geplanten 103 Anlagen erteilt. Auch vor Rügen wird es Ergänzungen geben.
W+M: Wie soll sich Ihr Land in punkto Erneuerbare Energien mittelfristig weiter entwickeln? Was ist in Planung?
Christian Pegel: Wir haben 2014 eine energiepolitische Konzeption verabschiedet. Die greift auf, dass Erneuerbare Energien von der Dezentralität leben. Mecklenburg-Vorpommern nimmt rund 6,5 Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik ein. Und wenn man das Erzeugen Erneuerbarer Energien an der Fläche misst, werden wir als Land einen Anteil von 6,5 Prozent der Erneuerbaren Energien erbringen müssen. Da sind wir auf einem guten Weg, auch wenn es noch Reserven – speziell im Bereich der privaten Wärmenutzung und der Energieeffizienz in Unternehmen – gibt.
Interview: Karsten Hintzmann