Thomas Kralinski (SPD), Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund, für Medien und Internationales, macht sich Gedanken darüber, wie sein Land den Herausforderungen der Digitalisierung zielgerichteter und erfolgreicher entsprechen kann. Kralinski, der auch Digitalkoordinator der Landesregierung ist, plädiert dafür, Innovationskorridore zwischen Berlin und Brandenburg zu schaffen, die für beide Länder gleichermaßen von Vorteil wären. WIRTSCHAFT+MARKT sprach mit dem SPD-Politiker.
W+M: Herr Kralinski, inwiefern merken Sie, dass in Brandenburg das digitale Zeitalter bereits Einzug gehalten hat?
Thomas Kralinski: Wir erleben gerade, wie auch in Brandenburg neue Wirtschaftsstrukturen, Arbeitsweisen und Berufsbilder entstehen. Die Digitalisierung und zunehmend auch Künstliche Intelligenz verändern die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten. Und zwar große und kleine gleichermaßen. Auch in traditionellen Branchen wie der Landwirtschaft ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch. Zugleich bringen die neuen Technologien einen Wandel der Arbeitswelt mit sich. Menschen müssen nicht mehr jeden Tag ins Büro, Home-Office-Tätigkeit und Co-Working-Spaces werden alltäglicher. Und genau das sieht man auch bereits an vielen Stellen bei uns in Brandenburg. Die meisten Co-Working-Spaces entstehen gerade auf dem Land. Mit digitaler Infrastruktur und guter Anbindung an Berlin, Hamburg oder Stettin kann man beide Welten bei uns haben: gute Arbeits- und Lebensbedingungen sowie – wenn nötig – die Verbindung zu Hochtechnologie.
Thomas Kralinski: Diese und viele andere Veränderungen verlaufen extrem dynamisch – und nach Möglichkeit sollten wir in Brandenburg auf einigen Gebieten ein paar Schritte schneller sein als andere. Es kommt darauf an, auch unter veränderten Bedingungen die Wettbewerbsfähigkeit und Anziehungskraft unseres Landes weiter zu stärken. Es geht darum, wie wir im Zeitalter der Digitalisierung ein ganzes Ökosystem für Innovationen aufbauen können. Und nicht zuletzt darum, wie wir Menschen dafür gewinnen, bei uns in Brandenburg zu leben und zu arbeiten.
Akteure vernetzten und ermuntern
W+M: Konkret nachgefragt: Wie wollen Sie mit dieser Dynamik Schritt halten?
Thomas Kralinski: In dem wir die vielen Akteure, die es schon gibt, vernetzen und ermuntern. Vor ein paar Wochen hat sich in Wiesenburg, einem Ort im Fläming, eine Initiative gegründet, die dort ein neues kleines Dorf gründen will, wo Leute gemeinsam wohnen und arbeiten können. In Wittenberge, genau in der Mitte zwischen Hamburg und Berlin, findet im August ein „Digital Summer“ statt. An ungewöhnlichen Orten kann man dort zeitweise wohnen und in Co-Working-Spaces arbeiten. Darüber hinaus wollen wir Brandenburg und Berlin enger miteinander verzahnen – und zwar so, dass eine offensive Regional- und Strukturpolitik neues Wachstum ermöglicht. Und zwar in allen Regionen. Die Voraussetzungen sind so günstig wie nie.
W+M: Was hat Berlin in diesem Spannungsfeld zu bieten?
Thomas Kralinski: Brandenburg hat das Glück, Berlin in seiner Mitte zu haben. Mit den meisten Hochschul- und Forschungseinrichtungen Deutschlands, einer erfolgreichen Startup-Szene, und internationalen Forschungs- und Kreativteams..
W+M: Aber wie passt das mit dem in weiten Teilen eher beschaulichen Land Brandenburg zusammen?
Thomas Kralinski: Umgekehrt gilt eben auch: Berlin hat das Glück, Brandenburg um sich herum zu haben. Wir haben einen sehr facettenreichen Mittelstand, viele industrielle Zulieferketten, zahlreiche hidden champions. Unser besonderes Kennzeichen ist unsere hohe Lebensqualität, die immer mehr Menschen schätzen. Denn die Digitalisierung führt eben auch dazu, dass sich Arbeiten, Wohnen und Leben immer mehr verschränken. Damit bleibt das Brandenburger Idealbild vom „Leben und Arbeiten am See“ nicht mehr bloß Utopie, es erweist sich als tatsächlich realisierbar.
W+M: Warum sollte das boomende Berlin auf Brandenburg angewiesen sein?
Thomas Kralinski: Schon heute fehlen in Berlin Flächen – und zwar für Gewerbe als auch zum Wohnen. Der Verkehr kommt mancherorts an Kapazitätsgrenzen. Wie wäre es also zum Beispiel, wenn man nur an 2 oder 3 Tagen die Woche nach Berlin fährt, ansonsten aber in einem nahen Co-Working-Space arbeiten kann.
Die Idee des „Siedlungssterns“ an die neue Zeit anpassen
W+M: Sie plädieren für Innovationskorridore zwischen Berlin und Brandenburg. Wie kann man sich solche Korridore vorstellen?
Thomas Kralinski: Schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sprach man vom „Siedlungsstern“ entlang der großen Verkehrsachsen, die nach Berlin herein oder heraus führen. Das war ein sehr kluges Konzept, das wir an die neue Zeit anpassen müssen. Heute geht es darum, Wissens-, Mobilitäts- und Wohnungspolitik miteinander zu denken, zu verzahnen. So können wir den alten Gegensatz von Berlin und seinem Umland auf der einen und den ländlichen Regionen auf der anderen Seite überwinden. Wir müssen stärker in Korridoren denken, aus den Metropolen heraus bzw. zwischen Metropolen wie Hamburg und Berlin. Das eröffnet völlig neue Entwicklungsperspektiven auch für bisher vermeintlich abgehängte Regionen.
W+M: Haben Sie schon konkrete Korridore im Auge?
Thomas Kralinski: Denken wir beispielsweise an die erfolgreiche Wissenschaftsstadt Adlershof im Südosten Berlins – von dort starten auch die Autobahn und Bahnlinien in Richtung Dresden und Cottbus. Wir haben in Brandenburg mit dem Innovationshub 13 – der Zusammenarbeit der TH Wildau und der Uni Cottbus-Senftenberg einen weiteren guten Anknüpfungspunkt. Es gibt ein großes Interesse in der gesamten Region – dem Korridor im Südosten Brandenburgs – aus diesen Bestandteilen mehr zu machen. Eins und eins müssen hier am Ende mehr als zwei werden. Die Uckermark ist ein anderes Beispiel. Sie liegt strategisch günstig zwischen zwei boomenden Großstädten: Stettin und Berlin. Es gibt Überlegungen, Unternehmen, die Hochschulen in der Region und die Berliner Startup-Szene enger zu vernetzen. Daraus kann sogar ein deutsch-polnisches Leuchtturmprojekt werden.
Neue Formen der Innovation, des Wohnens, des Arbeitens und der Mobilität
W+M: Wie sollen die Innovationskorridore praktisch aussehen?
Thomas Kralinski: Die Innovationskorridore sollen sich durch neue Formen der Innovation, des Wohnens, des Arbeitens und der Mobilität auszeichnen. Interessante Modelle sollen eingeführt oder im Sinne von „Reallaboren“ erprobt werden. Es geht um die strategische Flächenentwicklung entlang der Verkehrsachsen. Unser Ziel muss es sein – auch aus Gründen des Klimaschutzes – dass so viele Menschen wie möglich mit dem Zug fahren. So wird 2022 das Regionalbahnangebot um etwa ein Drittel ausgebaut. Wir erleben gerade wie sich Wirtschaftspolitik gerade auch insofern wandelt, dass ein gutes Angebot an Mobilität oder preiswerten Wohnungen wichtig wird, um Fachkräfte zu gewinnen. Genauso wie gute Schulen und Kitas.
Fachhochschulen und Universitäten können zusammen mit Unternehmen Außen- und Präsenzstellen einrichten, die zu Fachkräftezentren ausgebaut werden können. Natürlich brauchen wir in den Innovationskorridoren auch einen konzentrierten Ausbau von Mobilfunk, zunächst mit flächendeckendem 4G, so bald wie möglich auch mit 5G.
In der Idee der Korridore steckt ein unglaublich großes Zukunftspotential für ganz Ostdeutschland, das auch dazu beitragen kann, Stadt und Land miteinander zu versöhnen.