Rezension zum Buch von Sophie Passmann, „Alte weiße Männer – Ein Schlichtungsversuch“, das bei Kiwi erschien und seitdem für Diskussion sorgt. Unser Rezensent Ronald K. Haffner hat sich Zeit genommen, um das Buch unter die Lupe zu nehmen.
Die Autorin
Sophie Isolde Mathilde Passmann ist eine deutsche Autorin und Radiomoderatorin (derzeit 25 Jahre alt) aus Baden-Württemberg und begann schon als 15jährige als Poetry-Slammerin (Hinweis für alte weiße Männer: Poetry-Slam = Neudeutsch für „Gedichte aufsagen“). Sie hat später Politikwissenschaft und Philosophie studiert und ist Mitglied der SPD. Sie erhielt diverse gesellschaftliche Preise: LfK-Medienpreis für ein Interview mit Frank-Walter Steinmeier sowie der Grimmelshausen Förderpreis für ihr erstes Buch „Monologe angehender Psychopathen“. Die Internationale Bodenseekonferenz verlieh ihr den mit 10.000 Euro dotierten Kulturpreis. In ihrem Selbstverständnis ist sie allerdings Feministin im Hauptberuf, weil das „eine Aufgabe“ sei und kein Hobby.
Der Inhalt
Sophie Passmann gehört zu einer Generation junger Feministinnen, die ein Feindbild haben: Den „alten weißen Mann“. Kurz zum Verständnis: Der alte weiße Mann ist eine Metapher, nach der sozusagen für alles Böse in der Welt die „alten weißen Männer“ schuld sind (so ähnlich wie Karl Marx das Kapital und das Privateigentum an Produktionsmitteln oder religiöse Fanatiker die Ungläubigen für alles verantwortlich machen), weil nach Ansicht der Feministinnen die „alten weißen Männer“ ihre Macht, die ihnen aufgrund des Patriacharts unrechtmäßig in den Schoß gefallen sei, ausnutzen und auch nicht abgeben. Dabei wurde nie geklärt, wer eigentlich ein „alter weiße Mann“ ist? Diesem Mangel soll das vorliegende Buch abhelfen. Die Autorin befragt deshalb 15 Männer, ob sie ein „alter weißer Mann“ seien, und wenn ja, oder auch wenn nein, warum? Mit dabei ein Spiegel-Kolumnist, der Chefredakteur des ZEITMagazins, ein Bundesvorsitzender der GRÜNEN, ein ehemaligen BILD-Chefredakteur, ein ehemaligen Witze-Schreiber vom Dschungelcamp, ein hautberuflicher Modeblogger, ihr Vater, ein ZDF-Kabarettist, ein ehemaliger CDU-Generalsekretär, ein rbb-Fernsehmoderator, der WELT-Chefredakteur, ein Sportkommentator, der Juso-Chef, ein alt68er-Kommunarden-Öko und ein Zwei-Sterne-Koch. In 15 Geschichten berichtet Passmann im lockeren Stil von den Interviews. Neben den jeweiligen Positionen der Männer kommt aber vor allem die Grundhaltung der Autorin zum Vorschein. Wie ein Mosaik setzt sie sich mit jeder Geschichte etwas klarer ins Bild.
Nach der Autorin sind also „alte weiße Männer“:
1. Jeder Mann, der die Autorin „ekelhaft angeht, sich breitmacht“, sie als Frau nicht ernst nimmt oder sonst wie unangenehm auffällt,
2. Jeder Mann, der „Türen verschlossen hält“ (symbolisch gesagt), nur wenn sie von einer Frau betreten werden will,
3. Männer, die dafür sorgen, dass „vor allem junge Frauen in wichtigen Gremien, Aufsichtsräten, Stiftungen, Parteien und Chefetagen bis zur Irrelevanz unterrepräsentiert sind“.
4. „… Männer, die nicht fähig sind, anzuerkennen, dass zumindest ein Teil ihres Daseins auf einer Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau beruht.“
5. Die Autorin fühlt sich vom „System“ ungerecht behandelt und machtlos gegenüber der Struktur.
6. Sie „will eher wissen, wie zur Hölle Männer keine machtversessenen Zukunftsverweigerer werden“.
7. Trotz gesetzlicher Gleichberechtigung gebe es „dennoch Klubs [informelle Männercliquen, Anm. Autor], in die sie [Frauen, Anm. Autor] gar nicht reindürften“ (sogenannte „gläserne Decke“).
8. Es gibt eine Menge Ausnahmen, überall, wo eben doch – wie selbstverständlich – Frauen nicht gleichberechtigt sind.
9. „Männer sind stark, laut, wissend, kennen Wege ohne Karte, haben Antworten ohne nachzulesen, machen keine Fehler und geben nicht klein bei.“
10. Männer, die im bestehenden System Mauern errichtet haben, „sei es am unteren Ende des Dispokredits oder in der obersten Etage des Vorstandsbüros, wo keine Frauen eingestellt werden“.
11. „Die gefühlte Vormachtstellung des Mannes kann vielschichtig sein. Familiär als Ernährer, finanziell als Großverdiener, kulturell als Überbleibsel einer Herrenrasse-Idee.“
12. „Männer, die behaupten, ältere Menschen wüssten es besser.“
13. … „die Unmengen an Männern, die Leitartikel schreiben, die Kolumnen übernehmen, die Redaktionen leiten und Chefsessel kriegen.“ [Anm. Autor: Auf Seite 208 erläutert die Autorin: „Ich beispielsweise hätte sehr gerne einmal eine Kolumne über sardische Weißweine oder Kräutergärten.“]
Bewertung
Konzept
Ich musste mehrfach der Versuchung widerstehen, das Buch wegzulegen, so langweilig und abstrus erschienen mir die Gedanken der Autorin. Und es hat mich eigentlich auch nicht wirklich interessiert, was Kai Diekmann über Elternzeit in Führungspositionen denkt oder die Autorin selbst meint, ein Filterkaffeepreis im Pappbecher für 5 Franken in der Schweiz, könne kein Ergebnis eines Marktpreises sein, sondern sei „finanzpolitischer Ausländerhass“ sowie „reinste Häme für ausländische Tourist*innen“ [Anm. Autor: das Buch ist durchgängig mit „*“ gegendert]. Spätestens hier hat sich Passmann als Anti-Kapitalistin, also als Sozialistin, geoutet.
Aber bereits die Auswahl der Interviewpartner wird dem Anliegen des Buches in keiner Weise gerecht. Drei Politiker, 10 Medienschaffende, ein Koch und der Vater der Autorin. So wurden weder Ingenieure, noch Industrielle eingeladen. Auch der Bauarbeiter nicht, der der Autorin auf offener Straße „ganz nette Titten“ attestierte. Es fehlen Händler und Hausmeister, aber auch Wissenschaftler und alle anderen Berufe, die jeden Tag all die schönen Errungenschaften des Kapitalismus produzieren, bereitstellen, transportieren und verteilen, die nämlich überwiegend von alten weißen Männern erfunden wurden. Egal ob es die Dampfmaschine, das Automobil, das Flugzeug, die Rakete, das Radio, der Fernseher, das iPhone oder auch der Strom und das Röntgen (Vorläufer des MRT) ist, alles Erfindungen von alten weißen Männern. Es geht bis hin zum Parlament, dem modernen Parteiensystem und zur gesetzlichen Sozialversicherung. Alte weiße Männer, wohin das Auge blickt. [Außer bei der Kernspaltung war maßgeblich eine Frau beteiligt (Liese Meitner), was deswegen interessant ist, da inzwischen gerade die weiblich dominierten GRÜNEN die Kernenergie verteufeln.]
Diese mangelhafte Auswahl ist aber deshalb wichtig, da diese natürlich auf das Ergebnis des Buches, oder den “Schlichtungsversuch“, wie es die Autorin nennt, maßgeblichen Einfluss ausübt. Wie will die Autorin einen Schlichtungsversuch hinbekommen, wenn sie nur mit Kollegen aus der „medialen Filterblase“ spricht, abgesehen vom Koch und dem Vater?
Motivation der Autorin
Besonders krass ist folgendes Zitat, das uns eher in die Richtung bringt, worum es Passmann in Wirklichkeit geht: „Ich halte mich von Kindern fern, sie sind laut, schmutzig und mir in Diskussionen unterlegen, womit sie dasselbe Set an Eigenschaften aufweisen wie ein bestimmter Schlag Mann, von dem ich mich versuche fernzuhalten“ (S. 97). Ich dachte ich hatte mich verlesen, aber nein, so steht es wirklich geschrieben. Eine unglaubliche Herabwürdigung des Nachwuchses, der Elternschaft und der Fortpflanzung der menschliches Spezies ganz allgemein, die ich so noch nirgendwo gelesen habe. Ich war entsetzt. Offensichtlich hadert die Autorin mit ihrer biologischen Funktion als Frau (Kinder gebären).
Weiter auf der richtigen Spur sind wir dann im Kapitel mit dem Interview des Vaters: Hier einige Auszüge (S. 126-128):
„Mein Vater war immer da. Die Erinnerung an meine Kindheit wird beherrscht von diesem emotionalen Grundrauschen des ständigen Vatergefühls, jede einzelne Erinnerung beginnt oder endet mit dem Vater.“
„Meine Kindheit ist mein Vater. Alles, was ich an lästigen Spleens und irreparablen Geisteshaltungen so mit mir durch die Welt trage, hat er geprägt.“
„Mein Vater hat genaue Vorstellungen, wie Menschen sich verhalten sollen, … Vor allem hat er eine Menge Ideen, wie speziell Frauen sich verhalten sollten.“
„Mein Vater war der erste Mann, der mir gezeigt hat, wie einschränkend und mächtig ein konservatives Regelwerk für den Alltag sein kann, wie ungleich Männer und Frauen heute noch behandelt werden, wie tief manche Argumente in den Köpfen sehr kluger Männer sitzen, wie harsch die Zurechtweisung eines Vaters sein kann, wenn die Tochter zu wild, zu laut, zu anstrengend, zu eigensinnig ist, zu sehr wie ein Sohn.“
Fazit: Die Autorin hat individuelle Probleme zum einen mit ihrer biologischen Funktion als potentielle Mutter und zum anderen mit ihrer Vater-Tochter-Beziehung. Aber diese individuellen Probleme auf die Gesellschaft zu übertragen, und quasi die Gesellschaft verändern zu wollen, um dadurch den Vater und ihre eigene Rolle in der Gesellschaft zu verändern, dieser Versuch ist bisher und wird auch zukünftig fehlschlagen. Nicht die Gesellschaft hat ein Problem, sondern die Autorin.
Die Interviews
Die Interviews selbst mögen den einen oder anderen interessieren. Für mich waren Sie eher nebensächlich. Der Informationsgewinn hielt sich in Grenzen. Ich habe mich dann aber doch gefreut, bis zum Ende durchgehalten zu haben. Der Höhepunkt des Werkes findet sich nämlich im vorletzten Interview mit dem alt68iger Kommunarden Rainer Langhans, der nach eigenem Bekunden in einem Harem (genauer: mit mehreren Frauen zusammen-) lebt. Er war (fast) der einzige, der der Autorin argumentativ gewachsen war (vorbehaltlich des nach eigenem Verständnis libertären Modebloggers Carl Jakob Haupt).
Langhans kritisiert den „Opfer-Feminismus„ der Feministinnen, die immer die Schuld den Männern, in diesem Fall den „alten weißen Männern“ zuschieben, statt endlich einmal auf sich selbst zu schauen: was sie eigentlich wollen, wer sie sind, warum Sie das mit den Männern so lange gemacht haben und warum sie es jetzt vielleicht nicht mehr so weitermachen wollen. Nach Langhans ist es für Frauen wahnsinnig schwer zu wissen, was frau will. Das wichtigste aber ist, dass Frauen die Männer nicht verändern können, ohne zuvor sich selbst zu ändern. Das Problem des Opfer-Feminismus ist nämlich, dass dadurch tendenziell die ganze Sexualität abgeschafft wird. Das aber kann niemand ernsthaft wollen. Nach Langhans sollte frau sich viel mehr die Frage stellen, wie es denn vom Matriarchat zum Patriarchat gekommen ist? Wie konnte es dazu kommen, dass sich die Frauen für dieses Opferverhalten zur Verfügung gestellt haben? „Irgendwann muss doch das Opfer lernen, für das Verantwortung zu übernehmen, was es mit seinem Verhalten die ganze Zeit hervor gebracht hat“, meint Langhans. …“Nur das ist feministisch, was Frau ermutigt, selber „Täter“ zu sein, Verantwortung zu übernehmen für ihr Leben. … Dann gibt es nur einen Weg, und zwar, indem Du sagst, ich bin gar kein Opfer.“
Hält das Buch, was es verspricht?
Der Untertitel des Buches „ein Schlichtungsversuch“ ist meines Erachtens fehlgeschlagen. Zwar ist einzuräumen, dass die Autorin versuchte, zu verstehen, was die alten weißen Männer umtreibt. Dazu hätte sie aber mit tatsächlich vorgenannten sprechen müssen, und nicht nur mit Medienschaffenden und Politikern über diese. Lobenswert ist auch, dass überhaupt solche Gespräche geführt werden. Zu kritisieren ist aber, dass diese nicht ergebnisoffen abliefen, sondern das Ergebnis bereits vorher feststand. Passmann ist der Meinung, dass es eine weiterhin vorherrschende Ungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen gibt. Für Passmann bedeutet ein radikal zu Ende gedachter Feminismus, „…dass jeder Mensch gleich ist, egal woher er kommt, wie er aussieht, an wen oder was er glaubt, wen er liebt, welches Geschlecht er hat“. Das mag eine erstrebenswerte Zielstellung sein, obgleich ich der Meinung bin, dass dies bereits im Rechtssystem gewährleistet ist. Was das aber mit den „alten weißen Männern“ zu tun, bzw. warum diese diesbezüglich im Wege stehen, bleibt ungeklärt. Der Sterne-Koch Tim Raue hat es im letzten Interview auf den Punkt gebracht: „Jeder sollte sich … seinen Platz erarbeiten, und wenn jemand etwas will, dann hat er (oder Sie, Anm. Autor) entweder das Talent dafür oder den Antrieb, dann kriegt er (oder Sie, Anm. Autor) es auch.“ Und ja, die Feministinnen sind ein informeller Geheimbund, der gezielt Männer diffamieren will. Und ja, die MeToo-Bewegung ist ein erfolgreiches Frauennetzwerk, mit dem einzigen Zweck, gesellschaftliche Macht über Männer auszuüben. Es ist ein gewaltiger Irrtum, anzunehmen, dass Frauen von einem Mann finanziell und beruflich abhängig seien, und der Mann die Frau dann damit zum Sex zwingen kann. Vor allem sind keine Akademikerinnen oder Schauspielerinnen beruflich abhängig, um zu Sex gezwungen zu werden. Die Lösung ist eben nicht Jahrzehnte lang zu schweigen und dann Twitternachrichten abzusetzen und sich in Talkshows über die sexistischen Männer zu echauffieren, sondern sofort nach einem männlichen Fehlverhalten einen Tritt in die Weichteile des Mannes zu tätigen und den ganzen Vorgang unverzüglich öffentlich machen. Mehr bedarf es nicht. Und den Hollywoodregisseur möchte ich sehen, der dann noch einmal eine Schauspielerin versucht zum Sex zu nötigen.
Fazit
Das Buch trifft den medialen Zeitgeist, und ist insoweit erfolgreich. Es dient aber weniger der Wahrheitsfindung als mehr der Monetisierung der feministischen Medienpräsenz der beteiligten Akteure. Die dritte Auflage im Mai seit März 2019 und der Status aus Spiegel-online-Bestseller unterstreichen dies. Weibliche, aber auch männliche Feministinnen und andere Anti-Kapitalisten erhalten ein kurzweiliges Buch zur Bestätigung ihrer ohnehin verfestigten Meinung. Eher bodenständige Menschen mit gesundem Menschenverstand werden ob der verrückten Theorien vermutlich den Kopf schütteln. Niemand verpasst etwas, wenn man es nicht liest. Wer allerdings wissen will, wie die Feministinnen argumentieren und verstehen will, wo deren Theoriengebäude ihr Fundament hat, kommt nicht umhin, sich durchzukämpfen.
Die Autorin selbst ist eine in der Entwicklung der Pubertät stehengeblieben und noch nicht erwachsen, die auch nicht erwachsen werden will und sich (da formaljuristisch erwachsen) statt an ihrem Vater nunmehr an der Gesellschaft abarbeitet. Vor allem ihre Ablehnung der Kinder lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen.
Es gibt aber auch eine Hoffnung. Einmal nämlich, bei der Beschreibung des Interviewpartners, der bekannt wurde als Witze-Schreiber fürs Dschungelcamp, blitzte der Fortpflanzungstrieb dann doch durch: „Micky Beisenherz ist sehr witzig und klug, das macht einen fast wütend, weil er dazu auch noch irre gut aussieht.“ Hätte ich das über eine Interviewpartnerin gesagt, wäre ich bestimmt mit einem lebenslänglichen Feministinnenbann belegt worden.