Wirtschaft und Markt

Leuchttürme: Die innovativsten Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft

Knee painful - skeleton x-ray.

Fotos: Nadine Bauerfeind, yodiyim/Adobe Stock, MediTex (v. l.)

PLASMA-PFLASTER UND ALZHEIMER-APP
Leuchttürme: Die innovativsten Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft

Mit großen Pharmakonzernen können die ostdeutschen Länder nicht aufwarten. Doch rund um die medizinische Forschung – etwa in Berlin, Greifswald oder Halle – entwickelt sich ein ideales Umfeld für kreative Innovatoren und wagemutige Gründer.
Von Matthias Salm

COLDPLASMATECH GmbH

Wenn Wunden über einen längeren Zeitraum als vier Wochen nicht abheilen, sprechen Mediziner von chronischen Wunden. Und deren Behandlung kann teuer werden : „Die Behandlungskosten belaufen sich in Deutschland auf mindestens sechs Milliarden Euro im Jahr”, weiß Dr. Carsten Mahrenholz, einer der Gründer der COLDPLASMATECH GmbH in Greifswald. Gemeinsam mit dem Physiker René Bussiahn, dem Maschinenbauingenieur Stephan Krafczyk und dem Medizin-Ökonomen Tobias Güra hat Mahrenholz, von Hause aus Chemiker, sowohl chronischen Wunden als auch multiresistenten Keimen den Kampf angesagt. In Deutschland allein könnten vom Behandlungskonzept der Greifswalder künftig rund vier Millionen Patienten profitieren. Denn so viele Menschen leiden hierzulande unter chronischen Wunden, wie sie etwa bei offenen Beinen oder beim diabetischen Fußsyndrom auftreten. Die Innovation : Die Greifswalder setzen auf ein Hightech-Pflaster aus kaltem Plasma. Kaltes Plasma ist ein ionisiertes, elektrisch leitfähiges Gas. Und für kaltes Plasma verfügen die Greifswalder Gründer über die größtmöglich denkbare Expertise. Schließlich wurde die COLDPLASMATECH GmbH aus dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in der Hansestadt ausgegründet, einem der weltweit führenden Forschungsinstitute im Bereich physikalischer Plasmen. Dort hat das COLDPLASMATECH-Team in jahrelanger Arbeit die positiven Wirkungen des kalten Plasmas auf die Wundheilung erforscht und auf mögliche Anwendungen geprüft. Und die sind vielfältig : Bakterien, Pilze oder Keime tötet das Plasma lokal ab, auch solche, bei denen Antibiotika oft nicht mehr helfen können, weil sich die Keime als zunehmend resistent gegen deren Wirkstoffe erweisen. „Damit adressiert unsere Behandlungsmethode ein medizinisches Problem, das zunehmend an Bedeutung gewinnt”, erklärt Mahrenholz. Die COLDPLASMATECH GmbH hat nun ein Gerät entwickelt, mit dem sich die positive Wirkung des Plasmas auch auf großflächige Wunden anwenden lässt. Es besteht aus einem Plasma-Patch, das ist eine Wundauflage auf Silikonbasis, und dem Plasma-Cube, einer Steuerungsbox, in der die Energie erzeugt wird, die für die Zündung des Plasmas notwendig ist. 2019 soll die COLDPLASMATECH-Wundauflage im Markt eingeführt werden. Begleitet von einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie über die klinischen und ökonomischen Möglichkeiten der Plasmamedizin. „Zunächst hatten wir den Patienten selbst als Kunden im Auge”, sagt Mahrenholz. Doch schnell wurde ihm bei ersten Behandlungen klar, dass viele ältere Patienten gar nicht beweglich genug sind, um beispielweise eine Behandlung am Fuß ohne fremde Hilfe durchzuführen. Zielgruppe sind nun deshalb neben Kliniken und Pflegeeinrichtungen auch mobile Pflegedienste. Die Behandlung selbst ist übrigens wenig aufwendig : „Die Anwendung dauert etwa zwei Minuten”, erklärt Plasma-Experte Mahrenholz. Für die Patienten eine große Erleichterung, für das Gesundheitssystem eine spürbare Kostenentlastung.

neotiv GmbH

Alle drei Sekunden erkrankt auf der Welt ein Mensch an Alzheimer. Gemeinsam mit ihren Mitgründern Dr. David Berron und Julian Haupenthal wollen neotiv-Geschäftsführer Dr. Chris Rehse und Demenzforscher Prof. Dr. med. Emrah Düzel dazu beitragen, die Alzheimer-Krankheit frühzeitig erkennbar zu machen. Ihre in Magdeburg ansässige neotiv GmbH ist eine Ausgründung aus der Otto-von-Guericke-Universität und kooperiert eng mit dem ebendort ansässigen Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), einer der weltweit renommiertesten Einrichtungen der Demenzforschung.Die Innovation der neotiv-Gründer : Aus den Erkenntnissen der Alzheimerforschung entwickelten sie Gedächtnistests und haben diese in anwenderfreundliche Apps für Smartphones und Tablets überführt. Diese Gedächtnistests zeigen, ob ein Patient für sein Alter normale Gedächtnisleistungen erbringen kann oder ob bereits Auswirkungen einer Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium erkennbar sind. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil bildgebende Verfahren oder eine Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit, mit denen sich der Beginn der Erkrankung ebenfalls nachweisen ließe, aufwändig und teuer sind. Für diese Arbeit erhielten die Magdeburger nicht nur eine Förderung aus dem EXIST-Forschungstransferprogramm des Bundes, sondern warben auch Risikokapital für die Seed-Finanzierung des Unternehmens ein. Eine der künftigen Einsatzmöglichkeiten der App : „Bei Studien zur Entwicklung von neuen Interventionsmaßnahmen ist die Herausforderung, die richtigen Probanden auszuwählen”, weiß neotiv-Gründer Rehse. Das Problem : Entweder sind die Studienteilnehmer von der Krankheit gar nicht betroffen oder die Demenz ist bereits zu weit vorgeschritten. Mit Hilfe der App lassen sich hingegen die Gedächtnisfunktionen checken und Risikopatienten frühzeitig identifizieren. Rehses Wunsch : Dass die neotiv-App, neben neue Wege zur Intervention zu identifizieren, ebenso zur Demenzvorsorge dem Patienten vom Hausarzt an die Hand gegeben wird. „So selbstverständlich wie heutzutage etwa ein Blutdruckmessgerät”, vergleicht Rehse.

VEROVACCiNES GmbH

Auf dem Weinberg-Campus in Halle (Saale) kämpfen Dr. Hanjo Hennemann und Prof. Dr. Sven-Erik Behrens gegen Tierseuchen. Die VEROVACCiNES GmbH, eine Ausgründung aus der Martin-Luther-Universität, ist mit Hilfe der Milchhefe Kluyveromyces lactis und Virusbestandteilen hochwirksamen Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten bei Tieren, unter anderem gegen die Vogelgrippe, auf der Spur.

GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG

Die Telemedizin wird sich in naher Zukunft zu einem wichtigen Bestandteil der medizinischen Versorgung entwickeln. Jüngst hat eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin nachgewiesen, dass die telemedizinische Mitbetreuung das Leben von Herzpatienten verlängern kann. Und die Lebensqualität erhöht, weil weniger Krankenhausaufenthalte notwendig sind. Technischer Konsortialführer der Studie : die GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG. Das Unternehmen aus dem brandenburgischen Teltow hat sich einen besonderen Ruf als innovativer Spezialist für das Telemonitoring von gefährdeten Patienten erworben.

MediTex® – Medizinische Funktionswäsche GmbH

Manchmal entstehen die besten Ideen in der beruflichen Praxis : Die Gründerin der MediTex® – Medizinische Funktionswäsche GmbH, Fanny Fatteicher, ist von Hause aus Krankenschwester. In einer Dialysepraxis in Rostock erlebte sie tagtäglich, wie umständlich die Behandlung durchzuführen ist, wenn die Patienten in ihrer Privatkleidung zur Behandlung erscheinen. Dem bekannten „Bitte machen Sie sich frei” des Arztes folgt meist ein überflüssiges und langwieriges Entkleiden. So beschloss Fatteicher 2014 medizinische Funktionskleidung mit wiederverschließbaren Öffnungen an allen relevanten Körperregionen zu entwickeln. Mittlerweile bietet ihr Unternehmen eine umfassende Kollektion für verschiedene Behandlungsmethoden an.

SpinPlant GmbH

Polyetheretherketon oder kurz PEEK wird als Kunststoff für Implantate etwa in der Wirbelsäulenchirurgie eingesetzt. Das Material hält hohen Kräften stand, hat aber einen gravierenden Nachtteil : PEEK verfügt über Oberflächeneigenschaften, die das Einwachsen des Implantats in das umgebende Gewebe erschweren. PEEK-Implantate müssen daher oft etwa mit Schrauben an den Knochen fixiert werden. Das Medizintechnikunternehmen SpinPlant GmbH aus Halle (Saale) und das dortige Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS haben sich gemeinsam dem Problem angenommen. In einem einzigartigen Elektrospinverfahren hat die SpinPlant GmbH dazu ein neuartiges Kollagenvlies hergestellt. Durch das Kollagenvlies soll die PEEK-Oberfläche kompatibler mit dem menschlichen Gewebe gemacht werden, denn die Kollagenfasern bieten eine Gerüststruktur für die Zellbesiedelung, das Zellwachstum und die Ausbildung und den Erhalt der natürlichen extrazellulären Matrix. So kann eine Integration des Implantatmaterials in das umliegende Bindegewebe ermöglicht werden.

CHRONOS VISION GmbH

Die CHRONOS VISION GmbH aus Berlin entwickelt Eye-Tracking-Systeme. So hilft beispielsweise das TIOL-Guidance-System Augenärzten im Verlauf einer Kataraktoperation. Dabei werden dem Patienten torische Intraokularlinsen eingesetzt. Das Guidance-System besteht aus einer Beleuchtungseinrichtung, die ein Lichtmuster auf dem Auge des Patienten erzeugt, und einem Kamerasystem. Gemeinsam mit einer Recheneinheit werden die Eigenschaften des Auges während der Operation bestimmt – eine nützliche Hilfe für den Operateur.

denovoMATRIX GmbH

DenovoMATRIX ist zugleich der Name eines jungen Dresdner Unternehmens und der von ihm entwickelten Technologie zur Biomaterialbeschichtung von Zellkulturträgern. Mit diesem Verfahren ist es möglich, Stammzellen mit höherer Reproduktionsrate und besseren Eigenschaften zu kultivieren.

Serumwerk Bernburg AG

1954 wurde der Grundstein für das Serumwerk Bernburg gelegt. Das Traditionsunternehmen widmet sich heute vor allem der Entwicklung von hoch innovativen pharmazeutischen Produkten auf der Basis natürlicher Biopolymere. Die Produkte aus Bernburg werden weltweit vermarktet.

CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH

Firmenchef Sebastian F. Braun hat das Greifswalder Unternehmen zu einem international agierenden „Specialty Pharma”-Unternehmen ausgebaut. Pharmazeutische Nischenprodukte kauft die CHEPLAPHARM Arzneimittel GmbH ein und entwickelt sie weiter.

GWA Hygiene GmbH

Krankenhauskeime sind das moderne Schreckgespenst der Patienten. Zwischen fünf bis zehn Prozent aller Patienten erkranken an einer Infektion, die sie sich im Krankenhaus zugezogen haben. Oft endet dies tödlich – in Europa sind dies 147.000 vermeidbare Todesfälle im Jahr. 90 Prozent der Keime werden dabei über die Hände übertragen. Das Hauptübel : Mangelnde Hygiene. Die Stralsunder GWA Hygiene GmbH setzt auf Sensoren am Desinfektionsspender, die wiederum mit tragbaren Sensoren des Krankenhauspersonals kommunizieren. Dieses einfache Monitoring zeigt, wo es in der Klinik an der Hygiene hapert. Es wird bereits in mehreren Krankenhäusern angewendet. Dabei konnten mehrere Millionen Händedesinfektionen erfasst werden. Das Ziel der Stralsunder ist nun die europaweite Vermarktung.

GA Generic Assays GmbH

Bauchspeicheldrüsenentzündungen können gefährliche Folgen haben. Eine frühzeitige Diagnose kann dies verhindern. Die Firma GA Generic Assays aus dem brandenburgischen Dahlewitz rückt der Erkrankung mit einem innovativen medizinischen Test-Besteck, das die Prognose und Diagnose bei akuten Bauspeicheldrüsenentzündungen verbessert, zu Leibe.

JeNaCell GmbH

2012 wurde das Unternehmen aus der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgegründet. Der Verkaufsschlager des Teams um Geschäftsführerin Dr. Nadine Heßler und die Technische Leiterin Dr. Dana Kralisch : eine Wundauflage auf Basis reiner Zellulose. Damit können großflächige Brandwunden schnell und schmerzfrei behandelt werden. Auch in der Nachbehandlung von Lasertherapien kommt das Produkt zum Einsatz. Anders als bei herkömmlichen Pflastern handelt es sich um ein feuchtes, halbtransparentes und vollbiologisches Material. Die Technologie zur kontinuierlichen Gewinnung des hochleistungsfähigen Biomaterials gilt als weltweit einzigartig.

Redwave Medical GmbH

Das Jenaer Unternehmen will mit seiner Technologie die Blutdruckmessung wesentlich verbessern. Die herkömmlichen Armmanschetten sollen dann in der Lage sein, auch den zentralen Blutdruck einfach zu Hause zu erfassen. Der Druck in der Aorta gilt als aussagekräftiger, beispielsweise bei der Vorhersage des Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisikos.

Smarterials Technology GmbH

Die Berliner Smarterials Technology GmbH entwickelt auf Basis von innovativen Materialien Medizinprodukte, die das Verletzungs- und Infektionsrisiko in Kliniken reduzieren sollen, etwa durch die Optimierung chirurgischer Handschuhe.

Physiolution GmbH

Aus der Universität Greifswald ausgegründet von Prof. Dr. Werner Weitschies und Dr. Grzegorz Garbacz, konzentriert sich die Physiolution GmbH auf innovative Testgeräte und Verfahren, um die Wirkstofffreisetzung von Medikamenten zu untersuchen.

CORTRONIK GmbH

Die CORTRONIK GmbH in Rostock-Warnemünde gehört zur Berliner BIOTRONIK-Gruppe. Sie ist in der Unternehmensgruppe das Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Produktion von Stents zur Behandlung von Gefäßverengungen. Dafür arbeitet das Unternehmen gleich in mehreren Vorhaben eng mit der medizinischen Forschung zusammen. Im Konsortium RESPONSE etwa werden gemeinsam mit der Rostocker Universitätsmedizin medizinisch relevante Therapiekonzepte mit innovativen Implantaten angestrebt.

AEROPHARM GmbH

Das Unternehmen im thüringischen Rudolstadt ist weltweites Entwicklungs- und Produktionszentrum für Atemwegspräparate innerhalb des Pharmariesen Novartis.

Lischka GmbH

Die Berliner Lischka GmbH ist Hersteller von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten sowie medizinischem Mobiliar. Als Systemanbieter bei Steckbeckenspülern und medizinischem Funktionsmobiliar versteht sich die Lischka GmbH als Hersteller, der alle Komponenten selbst entwickelt, produziert und vertreibt.

Vaxxilon Deutschland GmbH

Die Vaxxilon Deutschland GmbH wurde 2015 von der Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam mit der Schweizer Biotechfirma Actelion Ltd gegründet. Das Berliner Tochterunternehmen ist auf die Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von neuartigen synthetischen Kohlenhydrat-basierten Impfstoffen in erster Linie zum Schutz gegen bakterielle Infektionen spezialisiert.

oncgnostics GmbH

Das Life-Sciences-Unternehmen aus Jena ist Entwickler und Anbieter des Gebärmutterhalskrebstests GynTect. Damit zielen die Thüringer auf einen Milliardenmarkt. GynTect klärt schnell und zuverlässig, ob bei einer Patientin tatsächlich ein zu behandelnder Gebärmutterhalskrebs entsteht.

Bauerfeind AG

Im Bauerfeind Innovationszentrum in Zeulenroda entstehen moderne Lösungen für Bandagen, Orthesen oder orthopädische Einlagen. Das 1929 in Zeulenroda gegründete Unternehmen gehört heute zu den Marktführern der Branche.

INNOPROOF GmbH

Carmen Zietz gründete zusammen mit Daniel Klüß im Jahr 2015 die INNOPROOF GmbH. Im Unternehmen aus Rostock wird an neuen Belastungstests für künstliche Implantate gearbeitet. Mit ihren Spezialmaschinen testen die Mecklenburger Knie-, Hüft- und Zahnprothesen aus der ganzen Welt.

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